Beständeübersicht
Bestand
21820 Nachlass Georg Sacke
Datierung | 1844 - 1989 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 1,23 |
Zur Biografie von Georg Sacke[01]
In der Geschichte der deutschen Historiografie nimmt Georg Sacke einen bemerkenswerten Platz ein. In einer Reihe mit W. Markov, E. Engelberg u. a. zählt er (noch vor 1933) zu den wenigen jüngeren Historikern, die in Verbindung zur Arbeiterbewegung traten, in ihrer wissenschaftlichen Arbeit den Weg zum historischen Materialismus suchten und nach der faschistischen Machtergreifung am antifaschistischen Widerstand teilgenommen haben. Während W. Markov und E. Engelberg um 1933 ihr Studium abschlossen und kurz nach der Promotion verhaftet wurden, hatte der um einige Jahre ältere Georg Sacke – 30jährig – 1932 bereits habilitiert. Die Habilitationsschrift galt den Reformen Katharinas II. Gerade in den Lehrkörper der Philosophischen Fakultät aufgenommen, nahm Georg Sacke wohl neben der wissenschaftlichen auch eine linksorientierte politische Position ein, wie sie in der Lehrtätigkeit an der Volkshochschule zum Ausdruck kam. So war er wohl überhaupt der einzige deutsche Universitätsdozent, der 1933 mit der Begründung "marxistische(r) Auffassung historischer Probleme und … positive Einstellung zur Sowjetunion" entlassen und verfolgt wurde. Erst 44 Jahre alt, ist Georg Sacke 1945 wenige Tage vor der Befreiung als KZ-Häftling ein Opfer des Faschismus geworden.
Er war 1902 in Kišinev (heute Chi?inau), der Hauptstadt Moldawiens als Sohn eines Gymnasialprofessors geboren worden, hatte sich nach dem ersten Weltkrieg zusammen mit zwei Brüdern nach Deutschland gewandt und 1921 in Leipzig mit dem Studium begonnen. 1928 promoviert, gehörte Georg Sacke an dem von K. Lamprecht gegründeten, danach von W. Goetz geleiteteten Institut für Kultur- und Universalgeschichte zum Arbeitskreis von F. Braun an der Osteuropa-Abteilung des Instituts. Er war Assistent Brauns. Dieser unterhielt Beziehungen zur sowjetischen Geschichtswissenschaft, war mit Gorki befreundet und war 1926 Mitglied der Leningrader Akademie der Wissenschaften geworden.
Dieser Kreis und Impulse aus der sowjetischen Forschung wurden für Georg Sackes wissenschaftliche Entwicklung bestimmend. Die Dissertation hatte der Geschichtsphilosophie Solowjews gegolten, die Habilitationsschrift der Gesetzgebenden Kommission Katharinas II. Russische Geschichte ist sein Spezialgebiet geblieben, auch als er nach 1933 nur unter großen äußeren Schwierigkeiten und unterbrochen durch seine Haft seine Arbeit fortsetzen konnte. Ein weiterer Faktor kam hinzu: der Kontakt zur Arbeiterbewegung, den Georg Sacke über seine Mitarbeit in der Arbeiterbewegung fand. Nach 1933 unterrichtete er nebenher an der Arbeitslosenschule Russisch, seit etwa 1928 hielt er an der Volkshochschule Vorlesungen über neueste sowjetische Geschichte, wenngleich darüber keine Publikationen von ihm vorliegen. Nur die Ankündigungen in den gedruckten Lehrprogrammen und persönliche Erinnerungen von Teilnehmern sind bekannt. Die Berührung mit den politisch organisierten Arbeitern und die Beschäftigung mit der sowjetischen Gegenwart ließen den stets parteilosen 30jährigen Wissenschaftler zu einem politisch engagierten Menschen werden, der zu den wenigen Gelehrten zählte, die dem NS-Regime Widerstand leisteten. So war er 1933 unter den ersten, die von der faschistischen Universitätsleitung entlassen wurden. Neben ihm wurden am gleichen Institut Alfred Doren, Autor der "Italienischen Wirtschaftsgeschichte" im Brodnitz-Handbuch, Walter Goetz selbst, der Herausgeber der "Propyläen-Weltgeschichte" und Reichstagsabgeordneter der Demokratischen Partei war, und Siegmund Hellmann, der 1923 die Mittelalter-Professur am Historischen Institut erhalten hatte und als jüdisch galt, entlassen.
Georg Sacke bildete fortan den Mittelpunkt einer etwa zehnköpfigen illegalen Gruppe, die sich aus ehemaligen Hörern seiner Kurse an der aufgelösten Volkshochschule zusammensetzte. Eine ihrer Aufgaben sah die Gruppe in der Hilfe für Opfer des Nazi-Terrors. Dabei kam es zu einer Verbindung mit den Antifaschisten Hermann Reinmuth und Maria Grollmuß, die von sich aus individuelle Solidaritätsaktionen organisiert hatten. Beide wurden im November 1934 verhaftet. In diesem Zusammenhang erfolgte die erste Festnahme Georg Sackes. Nach einjähriger Haft im KZ Sachsenhausen (bei Chemnitz) entschloss man sich zur Gerichtsverhandlung, wobei er "mangels Beweises" freigesprochen wurde. M. Grollmuß und H. Reinmuth, die gleichfalls in Leipzig studiert und promoviert hatten, erhielten Zuchthausstrafen u. a. wegen illegaler Zusammenarbeit mit der Prager SAP-Führung und sind 1942 bzw. 1944 im KZ umgekommen. Trotz des Freispruchs wurde G. Sacke noch einige Zeit festgehalten, ihm wurde die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt und man stellte ihn einige Monate unter Polizeiaufsicht. Nach Bildung der Schumann-Gruppe, des großen mitteldeutschen Widerstandszentrums, erhielt Georg Sacke über Alfred Frank zu ihr Verbindung. Georg Sackes Teilnahme am Widerstandskampf erreichte damit nach 1939 eine andere Stufe. Neben Alfred Frank und Georg Sacke sind besonders Wolfgang Heinze, den die Nazis an der Seite Alfred Franks ermordeten, Gertrud Frank, Dr. Hildegard Heinze und Rosemarie Sacke aus dieser Gruppe zu erwähnen. Ebenso ist die Ärztin Dr. Margarete Blank zu nennen, die in Beziehungen zu dieser Gruppe stand und Anfang 1945 gleichfalls wegen einer anderen antifaschistischen Aktion, d. h. wegen "Wehrkraftzersetzung", in Dresden hingerichtet worden ist. Im Bestand sind Fotos und Briefe erhalten, die sich auf diese Verbindungen beziehen.
Von den beiden Brüdern Georg Sackes hatte der ältere, Leopold, eine technische Ausbildung erhalten, war in die SU gegangen und ist während des 2. Weltkrieges in Moskau in einem Lager Stalins ermordet worden. Valentin Sacke hatte in Leipzig Medizin studiert. Wegen seiner Parteiarbeit als Funktionär der KPD in Leipzig-Nord wurde er 1933 verfolgt, lebte eine zeitlang illegal, bis er verhaftet wurde. Ende 1934, bei seiner Freilassung, erhielt er die sowjetische Staatsangehörigkeit und gelangte in die SU, wo er aber in die Verfolgung unter Stalin geriet, mehrere Jahre im Gulag zubrachte, bevor er ab Mitte der 1950er Jahre in Riga wieder als Arzt arbeiten konnte. Er hat 1964 erstmals wieder Leipzig besucht.
Anfang 1941 übersiedelte Georg Sacke nach Hamburg, wo er nach jahrelanger Arbeitslosigkeit infolge seiner Fremdsprachenkenntnisse eine provisorische Anstellung am Weltwirtschaftsinstitut erhielt. Im Januar 1942 folgte ihm seine Frau, wobei Verbindungen über Alfred Frank zu Georg Schumann liefen. In Hamburg bildeten Mitarbeiter des Instituts und Arbeiter der Werft Blohm & Voß eine Widerstandsgruppe. Sie übernahm Flugblätter aus Leipzig, darunter im Mai 1944 das Dokument "Wir Kommunisten und das Nationalkomitee ‚Freies Deutschland'", das so den Weg zu Antifaschisten der Wasserkante fand. Umgekehrt konnte Georg Sacke internes Material des Instituts für Leipzig auswerten, denn für seine Mitarbeit an einer wirtschaftspolitischen Referatekartei stand ihm die ausländische Tagespresse, darunter die "Prawda", dienstlich zur Verfügung.
Als im Juli 1944 die Terrorwelle gegen die Leitung der Schumann-Gruppe einsetzte, wurden Mitte August auch Georg und Rosemarie Sacke sowie andere Angehörige der Hamburger Gruppe von der Gestapo verhaftet. Zunächst waren beide nach Hamburg-Fuhlsbüttel gebracht worden. Im März 1945 wurde Georg Sacke in das KZ Neuengamme bei Hamburg verschleppt. Zu einem Prozess hatten die Nazis keine Zeit mehr. Ende April evakuierte die SS das Lager vor den anrückenden Alliierten in die Lübecker Bucht. Nach den Entbehrungen von 8 ½ Monaten Haft, entkräftet durch den Transport und den Marsch sowie krank, brach Georg Sacke von einem SS-Aufseher getreten, am 27. April 1945 bei der Aufstellung der Häftlingskolonnen am Kai vor der Verladung auf die zur Versenkung bestimmten Schiffe tot zusammen. Zusammen mit den Opfern der Cap Arcona-Katastrophe wurde er auf dem Vorwerker Friedhof von Lübeck bestattet. 1959, im Jahr des Leipziger Universitätsjubiläums, wurde die Grabstätte von einer Delegation von DDR-Historikern aufgesucht und danach im Zusammenwirken mit der VNN Lübecks erreicht, dass die verwahrloste, ganz unkenntliche Anlage zahlloser Opfer des Nationalsozialismus in einen würdigen Zustand versetzt wurde.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Zur Bestandsgeschichte ist festzuhalten, dass im Mai 1942 Sackes Hamburger Wohnung, kurz nachdem sie eingerichtet worden war, ein Opfer der Bomben wurde. Dabei ist die Arbeitsbibliothek völlig verbrannt. Es ist daher nicht mehr möglich festzustellen, welche Publikationen etwa der sowjetischen Geschichtswissenschaft oder der liberalen Ostforschung vor 1933 Georg Sacke selbst besessen hat. Was er nach 1942/44 antiquarisch erwerben und Rosemarie Sacke 1946 mit nach Leipzig bringen konnte, wird demgegenüber ohne wissenschaftsgeschichtlichen Belang sein. Diese Bücher wurden 1947 dem Institut, dessen Leitung gerade W. Markov übernommen hatte, übergeben. Manuskripte, Briefe, Sonderdrucke u. a. Dokumente waren dagegen in einem Wochenendhaus in Lobenstein/Thür. und bei Freunden wie dem zur Leipziger Gruppe gehörigen Herbert Günther ausgelagert und sind auf diese Weise erhalten geblieben. Was dagegen mit in Hamburg war, ging bis auf das verloren, was zwischen 1942 und 1944 neu entstanden ist. Von den Dokumenten waren in den 1950er Jahren einige an das Museum für Geschichte der Leipziger Arbeiterbewegung gegeben worden, darunter das Entlassungsschreiben. Es war auch ausgestellt und bildete 1958 den Anlass zu der 1959 veröffentlichten biografischen Arbeit. 1958/59 waren keineswegs alle jetzt im Bestand vereinigten Dokumente bekannt und auswertbar. Es sind während dieser Arbeit auch neue Dokumente mit Quellenwert entstanden, die – um sie zitieren zu können – in einem Band in der damaligen Abt. Landesgeschichte des Instituts für deutsche Geschichte hinterlegt worden waren. Als die Bibliothek der aufgelösten Abteilung 1971 dem Staatsarchiv übergeben wurde, konnte sie mit den anderen Dokumenten vereinigt werden, denn gleichzeitig hatte Rosemarie Sacke aus Anlass des 70. Geburtstages den Bestand ans Staatsarchiv gegeben. An der Wende von 1971/72 konnten Dokumente daraus unter dem Porträt, das damals Georg Sackes Freund Walter Münze schuf, im Eingangsraum des Archivs ausgestellt werden.
Bei der Übernahme war eine vorläufige Ordnung und Verzeichnung vorgenommen worden. Die Dokumente aus dem Museum standen aber noch nicht zur Verfügung, sie kamen erst später zum Bestand zurück. Daraufhin erfolgte Ende 1973 die Bearbeitung für das Findbuch. Schon vorher war der Bestand in dem zweiteiligen veröffentlichten Spezialinventar des Staatsarchivs über seine Quellen zur Geschichte der Arbeiterbewegung erfasst worden. 1974 ist die Sicherheitsverfilmung der Dokumente vorgenommen worden.
Der Bestand kann als angereicherter Nachlass bezeichnet werden, denn neben Dokumenten mit der Provenienz Georg Sackes sind zahlreiche Akten über den Kampf gegen das NS-Regime sowie über die Würdigung seiner historischen Leistungen mit der Provenienz Rosemarie Sackes und anderer Mitstreiter enthalten, die durch ihren Betreff oder Absender in den Provenienzzusammenhang Georg Sackes gehören. Das gilt auch für Dokumente mit Auswertungscharakter. Es schien sinnvoll, ihre Einheit zu einer entsprechend weit gefassten Bestandsbildung zu wahren. Dabei reicht der zeitliche Umfang des Bestandes bis zum Zeitpunkt der Bearbeitung des Findbuches, also weit über die Zäsur von 1945 hinaus, was aber durch den Nachlasscharakter und die Persönlichkeit des Bestandsbildners gerechtfertigt ist.
Die im Findbuch fixierte Erschließung nimmt zur Auswertung des Bestandes ein Zwischenstadium ein. Den ersten vor oder unmittelbar nach 1959 erschienenen biografischen Arbeiten, beispielsweise den Kurzbiografien in einem Band mit Lebensbildern deutscher Antifaschisten (1958), waren die Dokumente dieses Bestandes unbekannt. Der vom Universitätsjubiläum angeregten und 1959 veröffentlichten Biografie stand ein Teil der jetzt erschlossenen Quellen zur Verfügung, aber ohne dass damals Signaturen zitiert werden konnte. Dabei wurden die Veröffentlichungen Georg Sackes, also ein Teil des Bestandes, verzeichnet und die Bibliografie als Anhang mit publiziert. 1961 ist ein Manuskript aus dem Nachlass ediert worden. 1965 erschien eine Kurzfassung der Arbeit von 1959. Danach hat sich ein Lehrer mit biografischen Studien und einer Umsetzung für das Geschichtsbild seiner Schüler befasst, da die Schule zur Klinik gehört, die Georg Sackes Namen trägt (weil er dort während des Studiums als Heizer sein Geld verdiente und wohnte). Zum 25. Todestag wurde das Denkmal im Park der Klinik aufgestellt.
In dem Werk über deutsche Widerstandskämpfer 1933 – 1945 (1970) ist eine kurze Biografie enthalten. 1973 ist eine literarische Gestaltung versucht worden. Für das Hörspiel "Archivakte Dr. Sacke" benutzte der Autor den Bestand des Staatsarchivs.
Dagegen blieb das historiografische Erbe Georg Sackes in W. Bertholds Buch über die Vorgeschichte der DDR-Geschichtswissenschaft (1970) unerwähnt. In seiner Schriftenreihe für Historiker-Biografien in der Alt-BRD (1972) widmete er jedoch einen Beitrag Georg Sacke, der sich auf Erinnerungen des Autors stützen konnte, der zu der Hamburger Gruppe gehört hatte. Die hier zu erwähnenden Untersuchungen haben nicht nur biografisches Interesse oder gelten der Wissenschaftsgeschichte, sondern haben auch den Kampf gegen den Nationalsozialismus – in Leipzig oder Hamburg – sowie die agierenden Persönlichkeiten, zu denen Georg Sacke in Verbindung gestanden hat, zum Gegenstand. So ist auf die Biografie Georg Schumanns zu verweisen, die sein Gefährte K. Kühn geschrieben hat. Das Manuskript ist erst nach dem Tode des Autors und in sehr gekürzter, überarbeiteter Form erschienen (1965). K. Kühn war es auch, der in seinem Buch "Die letzte Runde" (1949) erstmals und auf Grund von Hinweisen Hildegard Heinzes Georg Sacke in Verbindung mit der Schumann-Gruppe genannt hat. Durch G. Winkler hat Alfred Frank eine erste, mehr dem proletarischen Maler gewidmete Würdigung erfahren, über Margarete Blank ist ein Aufsatz erschienen, über Maria Grollmuß gibt es ein Buch. Auf Initiative der DKP haben U. Hochmuth u. a. eine umfassende Darstellung des Hamburger Widerstandes vorgelegt, in der auch Ereignisse um Georg Sacke und seine Gruppe erfasst sind. Für die Geschichte des antifaschistischen Widerstandskampfes in Leipzig ist auf den entsprechenden Abschnitt von "Leipzig in acht Jahrhunderten" (1965) und neuerdings auf die Dissertation von K. Baller und noch nicht abgeschlossene Untersuchungen von G. Schwendler zu verweisen.
So wird deutlich, in welche historischen und historiografischen Beziehungen der Bestand "Georg Sacke" gestellt ist, wobei seine archivische Erschließung zeitlich nicht vor, sondern hinter den erwähnten Darstellungen liegt, von denen sich nur wenige mit der Auswertung dieser Dokumente (im unerschlossenen Zustand) befasst haben. Die im Findbuch vorgenommene Quellenaufarbeitung konnte schon geschichtswissenschaftliche Ergebnisse verwerten, andererseits ist sie dazu bestimmt, eine neue Basis für weitere Arbeiten zu bieten.
Die Retrokonversion des Bestandes wurde im Jahre 2014 durchgeführt. Eine weitere Bearbeitung erfolgte 2015. Dabei wurden Aktensignaturen aus den Beständen 21821 Rosemarie Sacke und 21820 Georg Sacke, die eindeutig falsch zugeordnet und erfasst worden waren, in den jeweils richtigen Bestand eingefügt. Eine Konkordanzliste weist die jeweilige Zuordnung und Neusignierung aus.
Überlieferungsschwerpunkte
Die Dokumente Georg Sackes sind im Vergleich zu denen anderer namhafter Leipziger Hitler-Gegner noch erstaunlich gut überliefert. Der Bestand weist typische Merkmale des Wissenschaftler-Nachlasses auf: zur Veröffentlichung bestimmte Manuskripte, eigene Publikationen (Sonderdrucke), Rezensionen dazu, Korrespondenz, darunter z. B. die wissenschaftlich interessanten Briefe von Friedrich Braun. Nur Vorlesungsmanuskripte fehlen. An der Universität war Georg Sacke nicht mehr dazu gekommen, von der venia legendi Gebrauch zu machen. Vor allem birgt der Bestand Dokumente des Widerstandes, so u. a. das Entlassungsschreiben vom 1. April 1933, das Urteil von 1935, von Briefen aus der Haft bis zu den auf Tütenpapier geschriebenen Wäschezetteln von Neuengamme. Hinzu kommen persönliche Dokumente wie das Reifezeugnis des Gymnasiums der Geburtsstadt. Aber auch nach Georg Sackes Tod sind noch Schriftstücke entstanden, z. B. die Erklärung Rudolf Mauermanns über die Häftlingsnummer. Die Papiere waren auf einem Feriengrundstück deponiert und haben daher die Ausbombung der Hamburger Wohnung überstanden. Über ein Jahrzehnt lang wird es immer wieder Anlass gegeben haben, Papiere, die – wenn auch nur peripher – schriftlichen Niederschlag antifaschistischer Aktionen (und damit ein Beweisstück) bildeten, zu vernichten, so dass bestimmte Schlüsseldokumente – und das ist für Antifaschisten generell gültig – von vornherein nicht überliefert sein können, zumindest nicht im Nachlass. Über Beschlagnahme von Dokumenten und ihren Übergang in Registraturen der NS-Organe ist nichts bekannt. Allerdings sind auch noch nach 1933 bei der Universitätsverwaltung Schriftstücke Georg Sackes empfangen worden bzw. über ihn entstanden, wie z. B. sein Gesuch, russische Literatur in der Universitätsbibliothek benutzen zu dürfen. Über die Existenz von Schriftgut, das im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit am Weltwirtschaftsinstitut entstanden und dort überliefert sein könnte, ist nichts bekannt.
Hinweise für die Benutzung
Bei der Zitierung ist anzugeben: StA-L 21820 Nachlass Georg Sacke, Nr. (fettgedruckte Zahl).
Verweise auf korrespondierende Bestände
Weitere Quellen zu Georg Sacke befinden sich im Universitätsarchiv Leipzig, im Stadtarchiv Leipzig und im Staatsarchiv Leipzig in anderen Beständen, v. a. 21821 Nachlass Rosemarie Sacke, 21817 Nachlass Hermann Reinmuth sowie 20031 Polizeipräsidium Leipzig, PP-S 3889 (Akte Valentin Sacke).
Literatur
M. Unger. Georg Sacke – ein Kämpfer gegen den Faschismus. in: Karl-Marx-Universität 1409 – 1959. Leipzig 1959. Bd. 2. S. 307ff.
Bibliographie zur Geschichte der Stadt Leipzig. Hrsg. Historische Kommission bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaft mit Unterstützung des Stadtarchivs Leipzig. Leipzig 1961. Sonderbd. 2. Die Karl-Marx-Universität Leipzig 1409 – 1959. S. 309.
M Kubašek. Sterne über dem Abgrund. Aus dem Leben der Antifaschistin Dr. Maria Gollmuß. Bautzen 1961.
H. Arndt u. a. Leipzig in acht Jahrhunderten. Leipzig 1965.
K. Kühn. Georg Schumann. Eine Biographie. Berlin 1965.
M. Unger. Georg Sacke (1901 – 1945). in: Bedeutende Gelehrte in Leipzig. Leipzig 1965. Bd. 1. S. 239ff.
Totenbuch Neuengamme. Hrsg. Freundeskreis e. V. Hamburg. Wiesbaden (1966). S. 91.
U. Hochmuth, G. Meyer. Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand 1933 – 1945. Frankfurt/M. 1969. S. 302ff.
W. Berthold. Marxistisches Geschichtsbild – Volksfront und antifaschistisch-demokratische Revolution. Zur Vorgeschichte der Geschichtswissenschaft der DDR und zur Konzeption der Geschichte des deutschen Volkes. Berlin 1970.
Ders.: Georg Sacke. in: Deutsche Widerstandskämpfer 1933 – 1945. Berlin 1970. Bd. 2. S. 120ff.
Bibliographie zur Geschichte der Stadt Leipzig. Hrsg. Historische Kommission bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften mit Unterstützung des Stadtarchivs Leipzig. Weimar 1971. 1. Hauptbd. S. 161ff., S. 178ff.
D. Geyer. Georg Sacke. in: Deutsche Historiker. Hrsg. H.U. Wehler. Göttingen 1972. Bd. 5. S. 117ff.
R. Goguel. Cap Arcona. Report über den Untergang der Häftlingsflotte in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945. Frankfurt/M. 1972.
K. Baller. Der antifaschistische Widerstandskampf unter Führung der KPD im Gebiet Leipzig/Westsachsen (1941 – 1945). Phil. Diss. Leipzig 1973.
G. Schwendler. Der antifaschistische Widerstandskampf unter Führung der KPD im ehemaligen Parteibezirk Leipzig der Kommunistischen Partei Deutschlands in den Jahren 1935 – 1941. Phil. Diss. Leipzig 1974.
Manfred Unger 1973, 1992 / Martina Wermes 2015
[01] Normdatensatz unter http://d-nb.info/gnd/123988926 (aufgerufen am 2.Juni 2017).
In der Geschichte der deutschen Historiografie nimmt Georg Sacke einen bemerkenswerten Platz ein. In einer Reihe mit W. Markov, E. Engelberg u. a. zählt er (noch vor 1933) zu den wenigen jüngeren Historikern, die in Verbindung zur Arbeiterbewegung traten, in ihrer wissenschaftlichen Arbeit den Weg zum historischen Materialismus suchten und nach der faschistischen Machtergreifung am antifaschistischen Widerstand teilgenommen haben. Während W. Markov und E. Engelberg um 1933 ihr Studium abschlossen und kurz nach der Promotion verhaftet wurden, hatte der um einige Jahre ältere Georg Sacke – 30jährig – 1932 bereits habilitiert. Die Habilitationsschrift galt den Reformen Katharinas II. Gerade in den Lehrkörper der Philosophischen Fakultät aufgenommen, nahm Georg Sacke wohl neben der wissenschaftlichen auch eine linksorientierte politische Position ein, wie sie in der Lehrtätigkeit an der Volkshochschule zum Ausdruck kam. So war er wohl überhaupt der einzige deutsche Universitätsdozent, der 1933 mit der Begründung "marxistische(r) Auffassung historischer Probleme und … positive Einstellung zur Sowjetunion" entlassen und verfolgt wurde. Erst 44 Jahre alt, ist Georg Sacke 1945 wenige Tage vor der Befreiung als KZ-Häftling ein Opfer des Faschismus geworden.
Er war 1902 in Kišinev (heute Chi?inau), der Hauptstadt Moldawiens als Sohn eines Gymnasialprofessors geboren worden, hatte sich nach dem ersten Weltkrieg zusammen mit zwei Brüdern nach Deutschland gewandt und 1921 in Leipzig mit dem Studium begonnen. 1928 promoviert, gehörte Georg Sacke an dem von K. Lamprecht gegründeten, danach von W. Goetz geleiteteten Institut für Kultur- und Universalgeschichte zum Arbeitskreis von F. Braun an der Osteuropa-Abteilung des Instituts. Er war Assistent Brauns. Dieser unterhielt Beziehungen zur sowjetischen Geschichtswissenschaft, war mit Gorki befreundet und war 1926 Mitglied der Leningrader Akademie der Wissenschaften geworden.
Dieser Kreis und Impulse aus der sowjetischen Forschung wurden für Georg Sackes wissenschaftliche Entwicklung bestimmend. Die Dissertation hatte der Geschichtsphilosophie Solowjews gegolten, die Habilitationsschrift der Gesetzgebenden Kommission Katharinas II. Russische Geschichte ist sein Spezialgebiet geblieben, auch als er nach 1933 nur unter großen äußeren Schwierigkeiten und unterbrochen durch seine Haft seine Arbeit fortsetzen konnte. Ein weiterer Faktor kam hinzu: der Kontakt zur Arbeiterbewegung, den Georg Sacke über seine Mitarbeit in der Arbeiterbewegung fand. Nach 1933 unterrichtete er nebenher an der Arbeitslosenschule Russisch, seit etwa 1928 hielt er an der Volkshochschule Vorlesungen über neueste sowjetische Geschichte, wenngleich darüber keine Publikationen von ihm vorliegen. Nur die Ankündigungen in den gedruckten Lehrprogrammen und persönliche Erinnerungen von Teilnehmern sind bekannt. Die Berührung mit den politisch organisierten Arbeitern und die Beschäftigung mit der sowjetischen Gegenwart ließen den stets parteilosen 30jährigen Wissenschaftler zu einem politisch engagierten Menschen werden, der zu den wenigen Gelehrten zählte, die dem NS-Regime Widerstand leisteten. So war er 1933 unter den ersten, die von der faschistischen Universitätsleitung entlassen wurden. Neben ihm wurden am gleichen Institut Alfred Doren, Autor der "Italienischen Wirtschaftsgeschichte" im Brodnitz-Handbuch, Walter Goetz selbst, der Herausgeber der "Propyläen-Weltgeschichte" und Reichstagsabgeordneter der Demokratischen Partei war, und Siegmund Hellmann, der 1923 die Mittelalter-Professur am Historischen Institut erhalten hatte und als jüdisch galt, entlassen.
Georg Sacke bildete fortan den Mittelpunkt einer etwa zehnköpfigen illegalen Gruppe, die sich aus ehemaligen Hörern seiner Kurse an der aufgelösten Volkshochschule zusammensetzte. Eine ihrer Aufgaben sah die Gruppe in der Hilfe für Opfer des Nazi-Terrors. Dabei kam es zu einer Verbindung mit den Antifaschisten Hermann Reinmuth und Maria Grollmuß, die von sich aus individuelle Solidaritätsaktionen organisiert hatten. Beide wurden im November 1934 verhaftet. In diesem Zusammenhang erfolgte die erste Festnahme Georg Sackes. Nach einjähriger Haft im KZ Sachsenhausen (bei Chemnitz) entschloss man sich zur Gerichtsverhandlung, wobei er "mangels Beweises" freigesprochen wurde. M. Grollmuß und H. Reinmuth, die gleichfalls in Leipzig studiert und promoviert hatten, erhielten Zuchthausstrafen u. a. wegen illegaler Zusammenarbeit mit der Prager SAP-Führung und sind 1942 bzw. 1944 im KZ umgekommen. Trotz des Freispruchs wurde G. Sacke noch einige Zeit festgehalten, ihm wurde die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt und man stellte ihn einige Monate unter Polizeiaufsicht. Nach Bildung der Schumann-Gruppe, des großen mitteldeutschen Widerstandszentrums, erhielt Georg Sacke über Alfred Frank zu ihr Verbindung. Georg Sackes Teilnahme am Widerstandskampf erreichte damit nach 1939 eine andere Stufe. Neben Alfred Frank und Georg Sacke sind besonders Wolfgang Heinze, den die Nazis an der Seite Alfred Franks ermordeten, Gertrud Frank, Dr. Hildegard Heinze und Rosemarie Sacke aus dieser Gruppe zu erwähnen. Ebenso ist die Ärztin Dr. Margarete Blank zu nennen, die in Beziehungen zu dieser Gruppe stand und Anfang 1945 gleichfalls wegen einer anderen antifaschistischen Aktion, d. h. wegen "Wehrkraftzersetzung", in Dresden hingerichtet worden ist. Im Bestand sind Fotos und Briefe erhalten, die sich auf diese Verbindungen beziehen.
Von den beiden Brüdern Georg Sackes hatte der ältere, Leopold, eine technische Ausbildung erhalten, war in die SU gegangen und ist während des 2. Weltkrieges in Moskau in einem Lager Stalins ermordet worden. Valentin Sacke hatte in Leipzig Medizin studiert. Wegen seiner Parteiarbeit als Funktionär der KPD in Leipzig-Nord wurde er 1933 verfolgt, lebte eine zeitlang illegal, bis er verhaftet wurde. Ende 1934, bei seiner Freilassung, erhielt er die sowjetische Staatsangehörigkeit und gelangte in die SU, wo er aber in die Verfolgung unter Stalin geriet, mehrere Jahre im Gulag zubrachte, bevor er ab Mitte der 1950er Jahre in Riga wieder als Arzt arbeiten konnte. Er hat 1964 erstmals wieder Leipzig besucht.
Anfang 1941 übersiedelte Georg Sacke nach Hamburg, wo er nach jahrelanger Arbeitslosigkeit infolge seiner Fremdsprachenkenntnisse eine provisorische Anstellung am Weltwirtschaftsinstitut erhielt. Im Januar 1942 folgte ihm seine Frau, wobei Verbindungen über Alfred Frank zu Georg Schumann liefen. In Hamburg bildeten Mitarbeiter des Instituts und Arbeiter der Werft Blohm & Voß eine Widerstandsgruppe. Sie übernahm Flugblätter aus Leipzig, darunter im Mai 1944 das Dokument "Wir Kommunisten und das Nationalkomitee ‚Freies Deutschland'", das so den Weg zu Antifaschisten der Wasserkante fand. Umgekehrt konnte Georg Sacke internes Material des Instituts für Leipzig auswerten, denn für seine Mitarbeit an einer wirtschaftspolitischen Referatekartei stand ihm die ausländische Tagespresse, darunter die "Prawda", dienstlich zur Verfügung.
Als im Juli 1944 die Terrorwelle gegen die Leitung der Schumann-Gruppe einsetzte, wurden Mitte August auch Georg und Rosemarie Sacke sowie andere Angehörige der Hamburger Gruppe von der Gestapo verhaftet. Zunächst waren beide nach Hamburg-Fuhlsbüttel gebracht worden. Im März 1945 wurde Georg Sacke in das KZ Neuengamme bei Hamburg verschleppt. Zu einem Prozess hatten die Nazis keine Zeit mehr. Ende April evakuierte die SS das Lager vor den anrückenden Alliierten in die Lübecker Bucht. Nach den Entbehrungen von 8 ½ Monaten Haft, entkräftet durch den Transport und den Marsch sowie krank, brach Georg Sacke von einem SS-Aufseher getreten, am 27. April 1945 bei der Aufstellung der Häftlingskolonnen am Kai vor der Verladung auf die zur Versenkung bestimmten Schiffe tot zusammen. Zusammen mit den Opfern der Cap Arcona-Katastrophe wurde er auf dem Vorwerker Friedhof von Lübeck bestattet. 1959, im Jahr des Leipziger Universitätsjubiläums, wurde die Grabstätte von einer Delegation von DDR-Historikern aufgesucht und danach im Zusammenwirken mit der VNN Lübecks erreicht, dass die verwahrloste, ganz unkenntliche Anlage zahlloser Opfer des Nationalsozialismus in einen würdigen Zustand versetzt wurde.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Zur Bestandsgeschichte ist festzuhalten, dass im Mai 1942 Sackes Hamburger Wohnung, kurz nachdem sie eingerichtet worden war, ein Opfer der Bomben wurde. Dabei ist die Arbeitsbibliothek völlig verbrannt. Es ist daher nicht mehr möglich festzustellen, welche Publikationen etwa der sowjetischen Geschichtswissenschaft oder der liberalen Ostforschung vor 1933 Georg Sacke selbst besessen hat. Was er nach 1942/44 antiquarisch erwerben und Rosemarie Sacke 1946 mit nach Leipzig bringen konnte, wird demgegenüber ohne wissenschaftsgeschichtlichen Belang sein. Diese Bücher wurden 1947 dem Institut, dessen Leitung gerade W. Markov übernommen hatte, übergeben. Manuskripte, Briefe, Sonderdrucke u. a. Dokumente waren dagegen in einem Wochenendhaus in Lobenstein/Thür. und bei Freunden wie dem zur Leipziger Gruppe gehörigen Herbert Günther ausgelagert und sind auf diese Weise erhalten geblieben. Was dagegen mit in Hamburg war, ging bis auf das verloren, was zwischen 1942 und 1944 neu entstanden ist. Von den Dokumenten waren in den 1950er Jahren einige an das Museum für Geschichte der Leipziger Arbeiterbewegung gegeben worden, darunter das Entlassungsschreiben. Es war auch ausgestellt und bildete 1958 den Anlass zu der 1959 veröffentlichten biografischen Arbeit. 1958/59 waren keineswegs alle jetzt im Bestand vereinigten Dokumente bekannt und auswertbar. Es sind während dieser Arbeit auch neue Dokumente mit Quellenwert entstanden, die – um sie zitieren zu können – in einem Band in der damaligen Abt. Landesgeschichte des Instituts für deutsche Geschichte hinterlegt worden waren. Als die Bibliothek der aufgelösten Abteilung 1971 dem Staatsarchiv übergeben wurde, konnte sie mit den anderen Dokumenten vereinigt werden, denn gleichzeitig hatte Rosemarie Sacke aus Anlass des 70. Geburtstages den Bestand ans Staatsarchiv gegeben. An der Wende von 1971/72 konnten Dokumente daraus unter dem Porträt, das damals Georg Sackes Freund Walter Münze schuf, im Eingangsraum des Archivs ausgestellt werden.
Bei der Übernahme war eine vorläufige Ordnung und Verzeichnung vorgenommen worden. Die Dokumente aus dem Museum standen aber noch nicht zur Verfügung, sie kamen erst später zum Bestand zurück. Daraufhin erfolgte Ende 1973 die Bearbeitung für das Findbuch. Schon vorher war der Bestand in dem zweiteiligen veröffentlichten Spezialinventar des Staatsarchivs über seine Quellen zur Geschichte der Arbeiterbewegung erfasst worden. 1974 ist die Sicherheitsverfilmung der Dokumente vorgenommen worden.
Der Bestand kann als angereicherter Nachlass bezeichnet werden, denn neben Dokumenten mit der Provenienz Georg Sackes sind zahlreiche Akten über den Kampf gegen das NS-Regime sowie über die Würdigung seiner historischen Leistungen mit der Provenienz Rosemarie Sackes und anderer Mitstreiter enthalten, die durch ihren Betreff oder Absender in den Provenienzzusammenhang Georg Sackes gehören. Das gilt auch für Dokumente mit Auswertungscharakter. Es schien sinnvoll, ihre Einheit zu einer entsprechend weit gefassten Bestandsbildung zu wahren. Dabei reicht der zeitliche Umfang des Bestandes bis zum Zeitpunkt der Bearbeitung des Findbuches, also weit über die Zäsur von 1945 hinaus, was aber durch den Nachlasscharakter und die Persönlichkeit des Bestandsbildners gerechtfertigt ist.
Die im Findbuch fixierte Erschließung nimmt zur Auswertung des Bestandes ein Zwischenstadium ein. Den ersten vor oder unmittelbar nach 1959 erschienenen biografischen Arbeiten, beispielsweise den Kurzbiografien in einem Band mit Lebensbildern deutscher Antifaschisten (1958), waren die Dokumente dieses Bestandes unbekannt. Der vom Universitätsjubiläum angeregten und 1959 veröffentlichten Biografie stand ein Teil der jetzt erschlossenen Quellen zur Verfügung, aber ohne dass damals Signaturen zitiert werden konnte. Dabei wurden die Veröffentlichungen Georg Sackes, also ein Teil des Bestandes, verzeichnet und die Bibliografie als Anhang mit publiziert. 1961 ist ein Manuskript aus dem Nachlass ediert worden. 1965 erschien eine Kurzfassung der Arbeit von 1959. Danach hat sich ein Lehrer mit biografischen Studien und einer Umsetzung für das Geschichtsbild seiner Schüler befasst, da die Schule zur Klinik gehört, die Georg Sackes Namen trägt (weil er dort während des Studiums als Heizer sein Geld verdiente und wohnte). Zum 25. Todestag wurde das Denkmal im Park der Klinik aufgestellt.
In dem Werk über deutsche Widerstandskämpfer 1933 – 1945 (1970) ist eine kurze Biografie enthalten. 1973 ist eine literarische Gestaltung versucht worden. Für das Hörspiel "Archivakte Dr. Sacke" benutzte der Autor den Bestand des Staatsarchivs.
Dagegen blieb das historiografische Erbe Georg Sackes in W. Bertholds Buch über die Vorgeschichte der DDR-Geschichtswissenschaft (1970) unerwähnt. In seiner Schriftenreihe für Historiker-Biografien in der Alt-BRD (1972) widmete er jedoch einen Beitrag Georg Sacke, der sich auf Erinnerungen des Autors stützen konnte, der zu der Hamburger Gruppe gehört hatte. Die hier zu erwähnenden Untersuchungen haben nicht nur biografisches Interesse oder gelten der Wissenschaftsgeschichte, sondern haben auch den Kampf gegen den Nationalsozialismus – in Leipzig oder Hamburg – sowie die agierenden Persönlichkeiten, zu denen Georg Sacke in Verbindung gestanden hat, zum Gegenstand. So ist auf die Biografie Georg Schumanns zu verweisen, die sein Gefährte K. Kühn geschrieben hat. Das Manuskript ist erst nach dem Tode des Autors und in sehr gekürzter, überarbeiteter Form erschienen (1965). K. Kühn war es auch, der in seinem Buch "Die letzte Runde" (1949) erstmals und auf Grund von Hinweisen Hildegard Heinzes Georg Sacke in Verbindung mit der Schumann-Gruppe genannt hat. Durch G. Winkler hat Alfred Frank eine erste, mehr dem proletarischen Maler gewidmete Würdigung erfahren, über Margarete Blank ist ein Aufsatz erschienen, über Maria Grollmuß gibt es ein Buch. Auf Initiative der DKP haben U. Hochmuth u. a. eine umfassende Darstellung des Hamburger Widerstandes vorgelegt, in der auch Ereignisse um Georg Sacke und seine Gruppe erfasst sind. Für die Geschichte des antifaschistischen Widerstandskampfes in Leipzig ist auf den entsprechenden Abschnitt von "Leipzig in acht Jahrhunderten" (1965) und neuerdings auf die Dissertation von K. Baller und noch nicht abgeschlossene Untersuchungen von G. Schwendler zu verweisen.
So wird deutlich, in welche historischen und historiografischen Beziehungen der Bestand "Georg Sacke" gestellt ist, wobei seine archivische Erschließung zeitlich nicht vor, sondern hinter den erwähnten Darstellungen liegt, von denen sich nur wenige mit der Auswertung dieser Dokumente (im unerschlossenen Zustand) befasst haben. Die im Findbuch vorgenommene Quellenaufarbeitung konnte schon geschichtswissenschaftliche Ergebnisse verwerten, andererseits ist sie dazu bestimmt, eine neue Basis für weitere Arbeiten zu bieten.
Die Retrokonversion des Bestandes wurde im Jahre 2014 durchgeführt. Eine weitere Bearbeitung erfolgte 2015. Dabei wurden Aktensignaturen aus den Beständen 21821 Rosemarie Sacke und 21820 Georg Sacke, die eindeutig falsch zugeordnet und erfasst worden waren, in den jeweils richtigen Bestand eingefügt. Eine Konkordanzliste weist die jeweilige Zuordnung und Neusignierung aus.
Überlieferungsschwerpunkte
Die Dokumente Georg Sackes sind im Vergleich zu denen anderer namhafter Leipziger Hitler-Gegner noch erstaunlich gut überliefert. Der Bestand weist typische Merkmale des Wissenschaftler-Nachlasses auf: zur Veröffentlichung bestimmte Manuskripte, eigene Publikationen (Sonderdrucke), Rezensionen dazu, Korrespondenz, darunter z. B. die wissenschaftlich interessanten Briefe von Friedrich Braun. Nur Vorlesungsmanuskripte fehlen. An der Universität war Georg Sacke nicht mehr dazu gekommen, von der venia legendi Gebrauch zu machen. Vor allem birgt der Bestand Dokumente des Widerstandes, so u. a. das Entlassungsschreiben vom 1. April 1933, das Urteil von 1935, von Briefen aus der Haft bis zu den auf Tütenpapier geschriebenen Wäschezetteln von Neuengamme. Hinzu kommen persönliche Dokumente wie das Reifezeugnis des Gymnasiums der Geburtsstadt. Aber auch nach Georg Sackes Tod sind noch Schriftstücke entstanden, z. B. die Erklärung Rudolf Mauermanns über die Häftlingsnummer. Die Papiere waren auf einem Feriengrundstück deponiert und haben daher die Ausbombung der Hamburger Wohnung überstanden. Über ein Jahrzehnt lang wird es immer wieder Anlass gegeben haben, Papiere, die – wenn auch nur peripher – schriftlichen Niederschlag antifaschistischer Aktionen (und damit ein Beweisstück) bildeten, zu vernichten, so dass bestimmte Schlüsseldokumente – und das ist für Antifaschisten generell gültig – von vornherein nicht überliefert sein können, zumindest nicht im Nachlass. Über Beschlagnahme von Dokumenten und ihren Übergang in Registraturen der NS-Organe ist nichts bekannt. Allerdings sind auch noch nach 1933 bei der Universitätsverwaltung Schriftstücke Georg Sackes empfangen worden bzw. über ihn entstanden, wie z. B. sein Gesuch, russische Literatur in der Universitätsbibliothek benutzen zu dürfen. Über die Existenz von Schriftgut, das im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit am Weltwirtschaftsinstitut entstanden und dort überliefert sein könnte, ist nichts bekannt.
Hinweise für die Benutzung
Bei der Zitierung ist anzugeben: StA-L 21820 Nachlass Georg Sacke, Nr. (fettgedruckte Zahl).
Verweise auf korrespondierende Bestände
Weitere Quellen zu Georg Sacke befinden sich im Universitätsarchiv Leipzig, im Stadtarchiv Leipzig und im Staatsarchiv Leipzig in anderen Beständen, v. a. 21821 Nachlass Rosemarie Sacke, 21817 Nachlass Hermann Reinmuth sowie 20031 Polizeipräsidium Leipzig, PP-S 3889 (Akte Valentin Sacke).
Literatur
M. Unger. Georg Sacke – ein Kämpfer gegen den Faschismus. in: Karl-Marx-Universität 1409 – 1959. Leipzig 1959. Bd. 2. S. 307ff.
Bibliographie zur Geschichte der Stadt Leipzig. Hrsg. Historische Kommission bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaft mit Unterstützung des Stadtarchivs Leipzig. Leipzig 1961. Sonderbd. 2. Die Karl-Marx-Universität Leipzig 1409 – 1959. S. 309.
M Kubašek. Sterne über dem Abgrund. Aus dem Leben der Antifaschistin Dr. Maria Gollmuß. Bautzen 1961.
H. Arndt u. a. Leipzig in acht Jahrhunderten. Leipzig 1965.
K. Kühn. Georg Schumann. Eine Biographie. Berlin 1965.
M. Unger. Georg Sacke (1901 – 1945). in: Bedeutende Gelehrte in Leipzig. Leipzig 1965. Bd. 1. S. 239ff.
Totenbuch Neuengamme. Hrsg. Freundeskreis e. V. Hamburg. Wiesbaden (1966). S. 91.
U. Hochmuth, G. Meyer. Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand 1933 – 1945. Frankfurt/M. 1969. S. 302ff.
W. Berthold. Marxistisches Geschichtsbild – Volksfront und antifaschistisch-demokratische Revolution. Zur Vorgeschichte der Geschichtswissenschaft der DDR und zur Konzeption der Geschichte des deutschen Volkes. Berlin 1970.
Ders.: Georg Sacke. in: Deutsche Widerstandskämpfer 1933 – 1945. Berlin 1970. Bd. 2. S. 120ff.
Bibliographie zur Geschichte der Stadt Leipzig. Hrsg. Historische Kommission bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften mit Unterstützung des Stadtarchivs Leipzig. Weimar 1971. 1. Hauptbd. S. 161ff., S. 178ff.
D. Geyer. Georg Sacke. in: Deutsche Historiker. Hrsg. H.U. Wehler. Göttingen 1972. Bd. 5. S. 117ff.
R. Goguel. Cap Arcona. Report über den Untergang der Häftlingsflotte in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945. Frankfurt/M. 1972.
K. Baller. Der antifaschistische Widerstandskampf unter Führung der KPD im Gebiet Leipzig/Westsachsen (1941 – 1945). Phil. Diss. Leipzig 1973.
G. Schwendler. Der antifaschistische Widerstandskampf unter Führung der KPD im ehemaligen Parteibezirk Leipzig der Kommunistischen Partei Deutschlands in den Jahren 1935 – 1941. Phil. Diss. Leipzig 1974.
Manfred Unger 1973, 1992 / Martina Wermes 2015
[01] Normdatensatz unter http://d-nb.info/gnd/123988926 (aufgerufen am 2.Juni 2017).
Unger, Manfred: Georg Sacke (1901 - 1945), in: Bedeutende Gelehrte in Leipzig, Leipzig 1965, Bd. 1, S. 239 ff.- Hölzer, Volker: Dr. Georg Sacke. Leben und Widerstand, Leipzig 2002.
Persönliche Dokumente (Urkunden).- Wissenschaftliche Tätigkeit (Geschichte Rußlands, Sonderdrucke eigener Arbeiten) - Widerstand (Briefe aus der Haft, Fotos von Georg und Rosemarie Sacke; Wirken von Friedrich Braun, Alfred Frank und Maria Grollmuß).- Nachträgliche historische Würdigung.- Erinnerungsberichte.
Georg Sacke wurde am 2. Januar 1902 als Sohn eines Gymnasialprofessors im russischen Kishinev geboren. Er studierte an den Universitäten Leipzig und Prag Geschichte, von 1927 bis 1933 war er wissenschaftliche Hilfskraft am von Karl Lamprecht gegründeten Institut für Kultur- und Universalgeschichte der Universität Leipzig, an der er 1932 habilitierte. Von 1933 bis 1945 war Sacke aktiv am antifaschistischen Widerstand in Leipzig und Hamburg beteiligt. Im April 1934 wurde er verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenburg gebracht. Nach dem Freispruch vom "Hochverrat" erfolgte im Dezember 1935 seine Entlassung aus der Haft. 1940 erhielt er als Osteuropareferent am Hamburgischen Welt-Wirtschaftsinstitut e. V. eine Anstellung. 1944 wurde er erneut verhaftet und kam ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel, später Neuengamme. Sacke starb am 26. April 1945 auf dem "Todesmarsch" nach Lübeck.
- 2017 | Findbuch / Datenbank
- 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5