Beständeübersicht
Bestand
Zur Geschichte des Stadtfunks Leipzig
Am 9. Juni 1945 übernahm die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) entsprechend der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz die Regierungsgewalt in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in Deutschland.
Am 27. September 1945 erteilte die SMAD den Befehl Nummer 78 für den Bau von Radioleitungen und die Verteilung von Lautsprechern in den Städten und Provinzen der SBZ, um die Bevölkerung zu informieren.
Dementsprechend wurde auch in Leipzig und in umliegenden Orten eine solche Anlage mit etwa 200 Lautsprechern installiert und in Betrieb genommen. Die ausgewählten Standorte waren öffentliche Gebäude, Haltestellen und verkehrsreiche Plätze. Übertragen wurden amtliche Mitteilungen und Beiträge aus den Rundfunkprogrammen aus Berlin und Moskau.
Die Sächsische Landesregierung beauftragte im Juni 1949 die Stadt Leipzig, den Stadtfunk in eigener Verantwortung zu übernehmen. 1950 plante die Stadt Leipzig den Umbau eines Raumes im Neuen Rathaus als Tonstudio mit der entsprechenden technischen Ausstattung, dessen Inbetriebnahme nicht genau belegt ist.
Im Studio wurden vorwiegend aktuelle Nachrichten aus den Stadtbezirken und über die Infrastruktur, Beiträge aus der Regionalpolitik, über die Leipziger Messe, Sportereignisse, das Kulturleben sowie Verbrauchertipps produziert, die täglich außer sonntags über die Stadtfunkanlage gesendet wurden.
Besondere Bedeutung gewann der Stadtfunk am 9. Oktober 1989 mit der Übertragung des Aufrufes von Kurt Masur zum Gewaltverzicht bei den Demonstrationen in Leipzig.
1994 veranlasste die Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien eine Ausschreibung, um eine den Anforderungen entsprechende Lizenz vergeben zu können.
Die Sendelizenz erhielt der private Sender Radio Leipzig, die bis 1998 genutzt wurde.
Zu dieser Zeit gab es etwa 47 Lautsprecher, von denen nur noch 20 funktionierten.
Für die Kosten für die Unterhaltung, Wartung oder Reparaturen der Anlage konnten weder der Sender Radio Leipzig noch die Stadt Leipzig aufkommen. Deshalb wurde der Sendebetrieb des Stadtfunks Leipzig eingestellt. Am 18. Oktober 1998 wurde die letzte Sendung von Radio Leipzig über die Lautsprecher vom Stadtfunk Leipzig übertragen
Bestandsgeschichte und –bearbeitung
Am 8.August 2001 wurden die historischen Tonbänder des Stadtfunks Leipzig und ungeprüfte Listen Inhaltsangaben auf Veranlassung des Stadtarchivs Leipzig vom Hauptamt der Stadtverwaltung Leipzig, SG Veranstaltungsdienst an das Staatsarchiv Leipzig, SG Audiovisuelle Medien, übergeben und dem Depositum AV-Unterlagen des Stadtarchiv Leipzig hinzugefügt. Laut Übergabeprotokoll handelte es sich um 117 Stück große Magnettonbänder und 240 Stück kleine Magnettonbänder mit Aufnahmen des Stadtfunks Leipzig. Die Übernahme und Lagerung der Tonbänder wurde als Ergänzung zum Deposital-Vertrag mit dem Stadtarchiv Leipzig vom 27. Juli 2000 vereinbart.
Im Jahr 2001 erfolgte eine einfache Erst-Erfassung auf der Grundlage der mitgelieferten Listen vom Stadtarchiv in der AV-Erschließungsdatenbank. Übernommen wurden die Magnettonband-Nummern, der Titel, die Mitwirkenden und die Laufzeit. Angaben für den Enthält-Vermerk bzw. nähere Beschreibungen des Inhalts der Bänder waren nicht vorhanden.
Im Weiteren wurden nur bei Bedarf vereinzelte Sicherungs- und Benutzerkopien erstellt und auf der Stückebene verzeichnet. Im Jahr 2012 wurden auch die Stadtfunk-Daten mit der AV- Erschließungsdatenbank in die AUGIAS-Datenbank migriert.
2016 wurden die Stadtfunk-Tonbänder im Rahmen einer Ausschreibung von der DREFA Media Service GmbH digitalisiert, erschlossen und neu verzeichnet. Grundlage dafür waren die Erschließungsrichtlinie des Staatsarchives, Teil AV-Medien und ein mit dem Staatsarchiv Leipzig abgestimmter Bearbeitungsplan.
Die ursprünglichen Magnettonband-Nummern waren für die großen Bänder von 001 – 226.
Die kleinen Magnettonbänder wurden fortlaufend von R001 – R283 nummeriert.
Innerhalb der Nummerierungen fehlen insgesamt 151 Nummern bzw. Bänder. Über den Verbleib dieser Bänder ließ sich nichts ermitteln. Außerdem ist zu vermuten, dass bei Mangel an Bandmaterial vom Stadtfunk-Studio mitunter ältere Bänder überspielt wurden.
Um den Erschließungsrichtlinien zu entsprechen und die Lücken zu schließen, wurde entschieden, den Bestand vollständig mit neuen fortlaufenden Archivaliensignaturen zu verzeichnen und die ursprünglichen Signaturen nur auf der Stückebene zu erfassen.
Für die Erschließung wurden die Bänder 1:1 abgehört und deren wesentlicher Inhalt im Enthält-Vermerke erfasst. Mit Hilfe von Internet-Recherchen und einem Abgleich mit den Presse-Archiven der Zeitungen "Neues Deutschland", "Berliner Zeitung" und "Neue Zeit" wurden korrekte Schreibweisen ermittelt, inhaltliche Fehler korrigiert und weiterführende Informationen wie taggenaue Datierungen, Angaben zu Persönlichkeiten usw. ergänzt. Für die Verzeichnung wurden die vorgefundenen Angaben überprüft, korrigiert bzw. ergänzt (Titel, Produzent, Mitwirkende, Wiedergabedauer).
Die Titel wurden entsprechend der Erschließungsrichtlinie mit dem vorgefundenen Titel und dem Büchsentitel verglichen und bei Bedarf ein aussagekräftigerer Archivtitel angelegt.
Inhaltlich zusammengehörige Tonbänder wurden zusammengeführt (z. B. Beitrag über die Gerichtsverhandlung gegen Gerda Schiffel, Band 1 und 2), mit Ausnahme von Bändern, deren Fülle an Informationen den Überblick erschweren würden (z. B. Live-Übertragungen der Friedensfahrten mit mehrfach und kurz wechselnden Sprechstellen der Reporter).
Auf der Stückebene wurden neue Stück-Nummern für die Bänder vergeben und die Digitalisate neu hinzugefügt. Die Wiedergabedauer und die technischen Parameter wurden entsprechend den Angaben der DREFA korrigiert bzw. ergänzt.
Die neuen Stück-Nummern der Magnettonbänder wurden auf den Büchsen angebracht
Überlieferungsschwerpunkte
Der Bestand der Tonbänder des Stadtfunks Leipzig umfasst insgesamt 358 Magnettonbänder. Ausgehend von fortlaufenden Nummerierungen fehlen bei den großen Bändern 108 Stück, das sind 48 Prozent. Bei den kleinen Bändern fehlen 43 Stück, das sind 15 Prozent.
Die Aufnahmen des gesamten Bestandes stammen aus den Jahren 1953 bis 1973.
72 Prozent der Beiträge entstanden zwischen 1959 und 1963 (1959 – 47 Bänder (13 Prozent), 1960 – 78 Bänder (22 Prozent), 1961 – 52 Bänder (14 Prozent), 1962 – 43 Bänder (12 Prozent), 1963 – 40 Bänder (11 Prozent).
Aus dem Zeitraum 1953 bis 1958 sind 35 Bänder (10 Prozent) vorhanden.
45 Aufnahmen (13 Prozent) sind aus den Jahren 1964 und 1965.
18 Bänder (5 Prozent) stammen aus dem Zeitraum 1966 bis 1973.
Die inhaltlichen Schwerpunkte der vorhandenen Tonbänder sind in der Rangfolge: Politik (19 Prozent), die Leipziger Messe (17 Prozent), das Baugeschehen in Leipzig (13 Prozent), Sport (11 Prozent) und Kultur (10 Prozent) und Sonstiges (30 Prozent).
Die politischen Beiträge informieren über internationale und nationale Ereignisse (33 Prozent) und regionalpolitische Höhepunkte (67 Prozent) und spiegeln ein Stück DDR-Zeitgeschichte wider.
Es ist davon auszugehen, dass einige Beiträge, die landesweit vom DDR-Hörfunk ausgestrahlt wurden, durch den Stadtfunk übernommen wurden (z. B. die Neujahrsansprache von Wilhelm Pieck 1956, die Verlesung der Note von Chruschtschow vom 27. November 1958 oder die Ansprache von Walter Ulbricht zum Mauerbau vom 18. August 1961).
Mehrere Beiträge dokumentieren die politisch-ideologischen Verhältnisse in der DDR von Anfang der 1950er Jahre bis in die 1960er Jahre nach dem Mauerbau.
Einige Beispiele machen dies deutlich:
1. Der Schauprozess "Beitrag über die Gerichtsverhandlung am 2. Juli 1953 vor dem Bezirksgericht Leipzig gegen Gerda Schiffel, angeklagt als eine der "Haupträdelsführerinnen" bei den Ereignissen am 17. Juni 1953 in Leipzig und Urteilsverkündung."
2. "Auszug aus der kriminalpolizeilichen Vernehmung des Brandstifters Strömer" (um 1963).
3. "Sergio Günter und Karl-Eduard von Schnitzler "Schlager und Politik" (Deutschlandsender 30. Oktober 1960)" (Ausschnitt der Sendung).
4. "Beiträge über Zuwanderer aus Westdeutschland (1960)".
Die regionalpolitischen Beiträge sind teilweise Live-Mitschnitte von Kundgebungen in Leipzig, öffentliche Stadtverordnetenversammlungen und Besuche von Delegationen aus Partnerstädten oder Partnerländern. Umfangreich wird auch von den Veranstaltungen zum 10. Jahrestag der DDR (1959), zur 800-Jahr-Feier Leipzigs (1965), und über die Volkskammer-wahlen 1954 und 1958 berichtet.
In dem Bestand sind 61 Beiträge zur Leipziger Messe überliefert. Etwa die Hälfte der Beiträge sind im Studio produzierte Werbesendungen "Die klingende DEWAG-Werbung" (1955 bis 1969, mit Lücken). Durchschnittlich wurden im Jahr zwei bis drei Sendungen für die Frühjahrs- und Herbstmesse produziert. Beworben wurden Messestände und Aussteller, Warenhäuser, Fachgeschäfte, Hotels, Gaststätten und Kulturveranstaltungen in Leipzig sowie DDR-Erzeugnisse. Die zweite Hälfte der Beiträge sind meistens Reportagen auf dem Messe-Gelände und in den Messehäusern und Interviews mit Ausstellern.
46 Beiträge informieren über das Baugeschehen in der Stadt Leipzig, vorwiegend in dem Zeitraum von 1958 bis 1965. Hauptthemen sind der Bau der Oper, der Hauptpost, der Messehäuser, die Bauarbeiten am Hauptbahnhof, der Bau von Hotels sowie der Wohnungs- und Straßenbau. Auch hier sind es vorwiegend Reportagen vor Ort und Interviews mit den verantwortlichen Bauleitern.
38 Beiträge widmen sich dem Thema Sport. Ein großer Teil dieser Bänder sind Live-Mitschnitte von Zieleinläufen im Radsport (42 Prozent), vor allem der Internationalen Friedensfahrten (1953 bis 1955, 1960 und 1961) und der Rad-Weltmeisterschaften 1960.
Weitere sportliche Höhepunkte der Berichterstattung sind die 14. Schacholympiade 1960 in Leipzig, das 3. und 4. Turn- und Sportfest (1959, 1963) und die Europa-Schwimm-Meisterschaften 1962.
35 Beiträge dokumentieren das kulturelle Leben in der Stadt. Davon sind 12 Bänder Live-Mitschnitte von Faschings- und Musikprogrammen sowie kabarettistischen Veranstaltungen. Weitere Themen über kulturelle Ereignisse sind: Die Dokumentar- und Kurzfilm-Wochen (1961, 1962 und 1964), Ausstellungen, Gastspiele, Jugendarbeit oder der Wechsel des Thomaskantors (1961), Welttheatertag (1963), Woche des Buches (1964) oder Jubiläen, wie 50 Jahre Stadtgeschichtliches Museum (1961), 80 Jahre Stadtarchiv (1961), 15 Jahre Sender Leipzig (1961) oder 10 Jahre Fachbuchverlag (1959).
Außerdem sind wiederholt Berichte über den Leipziger Zoo und über Städtepartnerschaften sowie Beiträge zur Gesundheitsvorsorge, Bildung und Erziehung, Berichte über VEB Zahlenlotto, Informationen der Volkspolizei (Unfallgeschehen), der Deutschen Reichsbahn und der Leipziger Verkehrsbetriebe überliefert. Vereinzelt sind Beiträge über die Produktion von Leipziger Betrieben, die Situation im Einzelhandel, die Versorgung der Bevölkerung oder über die Arbeit der Gesellschaftlichen Gerichte der DDR enthalten.
Da die Analyse der inhaltlichen Struktur der Beiträge sich nur auf die vorhandenen Tonbänder beziehen kann und die fehlenden Nummern bzw. Bänder entsprechend der fortlaufenden Nummerierungen über 50 Prozent betragen, relativiert sich der Anspruch auf ein repräsentatives Ergebnis
Hinweise für die Benutzung
Bei der Bestellung der Archivalien ist die lfd. Nummer des Titels in Verbindung mit den Kennbuchstaben und der Bestandssignatur anzugeben (Beispiel: AV 22044-075). Die Bereitstellung der Ton-Archivalien erfolgt nur in digitalisierter Form und in einem gesonderten Benutzerraum.
Verweise auf korrespondierende Bestände
Im Stadtarchiv Leipzig befinden sich in dem zusammengefassten Bestand Stadtverordnetenversammlung und Rat der Stadt Leipzig 1945-1990 zahlreiche Akten des Stadtfunks (hauptsächlich Sende- bzw. Programmunterlagen aus dem Zeitraum 1953 bis 1990) sowie Sachakten des Rates der Stadt zum Stadtfunk Leipzig
Quellen und Literatur
[1] Rohr, Sylvia, 2012, Der Stadtfunk, URL: http://www.stadtfunk-leipzig.de/sfle.html , aufgerufen am 22.07.2016
[2] Wikipedia, Die freie Enzyklopädie: https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtfunk_Leipzig, aufgerufen am 25.08.2016
[3] Kell, Udo, Stadtfunk Leipzig Auf Sendung 1945 – 31.12.1998, URL: http://www.ddr-rechentechnik.de/html/stadtfunk.html, aufgerufen am 25.08.2016
[4] Stadt Leipzig, Montagsdemonstrationen Leipzig 1989: "Wir sind das Volk", URL: http://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/unsere-stadt/herbst-89/der-9-oktober-89/, aufgerufen am 25.08.2016
Cornelia Thörmer
August 2016
Abkürzungsverzeichnis
22044 Stadtfunk Leipzig, AV-Unterlagen der Stadt Leipzig
Datierung | 1953 - 1973 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 0,00 |
Zur Geschichte des Stadtfunks Leipzig
Am 9. Juni 1945 übernahm die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) entsprechend der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz die Regierungsgewalt in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in Deutschland.
Am 27. September 1945 erteilte die SMAD den Befehl Nummer 78 für den Bau von Radioleitungen und die Verteilung von Lautsprechern in den Städten und Provinzen der SBZ, um die Bevölkerung zu informieren.
Dementsprechend wurde auch in Leipzig und in umliegenden Orten eine solche Anlage mit etwa 200 Lautsprechern installiert und in Betrieb genommen. Die ausgewählten Standorte waren öffentliche Gebäude, Haltestellen und verkehrsreiche Plätze. Übertragen wurden amtliche Mitteilungen und Beiträge aus den Rundfunkprogrammen aus Berlin und Moskau.
Die Sächsische Landesregierung beauftragte im Juni 1949 die Stadt Leipzig, den Stadtfunk in eigener Verantwortung zu übernehmen. 1950 plante die Stadt Leipzig den Umbau eines Raumes im Neuen Rathaus als Tonstudio mit der entsprechenden technischen Ausstattung, dessen Inbetriebnahme nicht genau belegt ist.
Im Studio wurden vorwiegend aktuelle Nachrichten aus den Stadtbezirken und über die Infrastruktur, Beiträge aus der Regionalpolitik, über die Leipziger Messe, Sportereignisse, das Kulturleben sowie Verbrauchertipps produziert, die täglich außer sonntags über die Stadtfunkanlage gesendet wurden.
Besondere Bedeutung gewann der Stadtfunk am 9. Oktober 1989 mit der Übertragung des Aufrufes von Kurt Masur zum Gewaltverzicht bei den Demonstrationen in Leipzig.
1994 veranlasste die Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien eine Ausschreibung, um eine den Anforderungen entsprechende Lizenz vergeben zu können.
Die Sendelizenz erhielt der private Sender Radio Leipzig, die bis 1998 genutzt wurde.
Zu dieser Zeit gab es etwa 47 Lautsprecher, von denen nur noch 20 funktionierten.
Für die Kosten für die Unterhaltung, Wartung oder Reparaturen der Anlage konnten weder der Sender Radio Leipzig noch die Stadt Leipzig aufkommen. Deshalb wurde der Sendebetrieb des Stadtfunks Leipzig eingestellt. Am 18. Oktober 1998 wurde die letzte Sendung von Radio Leipzig über die Lautsprecher vom Stadtfunk Leipzig übertragen
Bestandsgeschichte und –bearbeitung
Am 8.August 2001 wurden die historischen Tonbänder des Stadtfunks Leipzig und ungeprüfte Listen Inhaltsangaben auf Veranlassung des Stadtarchivs Leipzig vom Hauptamt der Stadtverwaltung Leipzig, SG Veranstaltungsdienst an das Staatsarchiv Leipzig, SG Audiovisuelle Medien, übergeben und dem Depositum AV-Unterlagen des Stadtarchiv Leipzig hinzugefügt. Laut Übergabeprotokoll handelte es sich um 117 Stück große Magnettonbänder und 240 Stück kleine Magnettonbänder mit Aufnahmen des Stadtfunks Leipzig. Die Übernahme und Lagerung der Tonbänder wurde als Ergänzung zum Deposital-Vertrag mit dem Stadtarchiv Leipzig vom 27. Juli 2000 vereinbart.
Im Jahr 2001 erfolgte eine einfache Erst-Erfassung auf der Grundlage der mitgelieferten Listen vom Stadtarchiv in der AV-Erschließungsdatenbank. Übernommen wurden die Magnettonband-Nummern, der Titel, die Mitwirkenden und die Laufzeit. Angaben für den Enthält-Vermerk bzw. nähere Beschreibungen des Inhalts der Bänder waren nicht vorhanden.
Im Weiteren wurden nur bei Bedarf vereinzelte Sicherungs- und Benutzerkopien erstellt und auf der Stückebene verzeichnet. Im Jahr 2012 wurden auch die Stadtfunk-Daten mit der AV- Erschließungsdatenbank in die AUGIAS-Datenbank migriert.
2016 wurden die Stadtfunk-Tonbänder im Rahmen einer Ausschreibung von der DREFA Media Service GmbH digitalisiert, erschlossen und neu verzeichnet. Grundlage dafür waren die Erschließungsrichtlinie des Staatsarchives, Teil AV-Medien und ein mit dem Staatsarchiv Leipzig abgestimmter Bearbeitungsplan.
Die ursprünglichen Magnettonband-Nummern waren für die großen Bänder von 001 – 226.
Die kleinen Magnettonbänder wurden fortlaufend von R001 – R283 nummeriert.
Innerhalb der Nummerierungen fehlen insgesamt 151 Nummern bzw. Bänder. Über den Verbleib dieser Bänder ließ sich nichts ermitteln. Außerdem ist zu vermuten, dass bei Mangel an Bandmaterial vom Stadtfunk-Studio mitunter ältere Bänder überspielt wurden.
Um den Erschließungsrichtlinien zu entsprechen und die Lücken zu schließen, wurde entschieden, den Bestand vollständig mit neuen fortlaufenden Archivaliensignaturen zu verzeichnen und die ursprünglichen Signaturen nur auf der Stückebene zu erfassen.
Für die Erschließung wurden die Bänder 1:1 abgehört und deren wesentlicher Inhalt im Enthält-Vermerke erfasst. Mit Hilfe von Internet-Recherchen und einem Abgleich mit den Presse-Archiven der Zeitungen "Neues Deutschland", "Berliner Zeitung" und "Neue Zeit" wurden korrekte Schreibweisen ermittelt, inhaltliche Fehler korrigiert und weiterführende Informationen wie taggenaue Datierungen, Angaben zu Persönlichkeiten usw. ergänzt. Für die Verzeichnung wurden die vorgefundenen Angaben überprüft, korrigiert bzw. ergänzt (Titel, Produzent, Mitwirkende, Wiedergabedauer).
Die Titel wurden entsprechend der Erschließungsrichtlinie mit dem vorgefundenen Titel und dem Büchsentitel verglichen und bei Bedarf ein aussagekräftigerer Archivtitel angelegt.
Inhaltlich zusammengehörige Tonbänder wurden zusammengeführt (z. B. Beitrag über die Gerichtsverhandlung gegen Gerda Schiffel, Band 1 und 2), mit Ausnahme von Bändern, deren Fülle an Informationen den Überblick erschweren würden (z. B. Live-Übertragungen der Friedensfahrten mit mehrfach und kurz wechselnden Sprechstellen der Reporter).
Auf der Stückebene wurden neue Stück-Nummern für die Bänder vergeben und die Digitalisate neu hinzugefügt. Die Wiedergabedauer und die technischen Parameter wurden entsprechend den Angaben der DREFA korrigiert bzw. ergänzt.
Die neuen Stück-Nummern der Magnettonbänder wurden auf den Büchsen angebracht
Überlieferungsschwerpunkte
Der Bestand der Tonbänder des Stadtfunks Leipzig umfasst insgesamt 358 Magnettonbänder. Ausgehend von fortlaufenden Nummerierungen fehlen bei den großen Bändern 108 Stück, das sind 48 Prozent. Bei den kleinen Bändern fehlen 43 Stück, das sind 15 Prozent.
Die Aufnahmen des gesamten Bestandes stammen aus den Jahren 1953 bis 1973.
72 Prozent der Beiträge entstanden zwischen 1959 und 1963 (1959 – 47 Bänder (13 Prozent), 1960 – 78 Bänder (22 Prozent), 1961 – 52 Bänder (14 Prozent), 1962 – 43 Bänder (12 Prozent), 1963 – 40 Bänder (11 Prozent).
Aus dem Zeitraum 1953 bis 1958 sind 35 Bänder (10 Prozent) vorhanden.
45 Aufnahmen (13 Prozent) sind aus den Jahren 1964 und 1965.
18 Bänder (5 Prozent) stammen aus dem Zeitraum 1966 bis 1973.
Die inhaltlichen Schwerpunkte der vorhandenen Tonbänder sind in der Rangfolge: Politik (19 Prozent), die Leipziger Messe (17 Prozent), das Baugeschehen in Leipzig (13 Prozent), Sport (11 Prozent) und Kultur (10 Prozent) und Sonstiges (30 Prozent).
Die politischen Beiträge informieren über internationale und nationale Ereignisse (33 Prozent) und regionalpolitische Höhepunkte (67 Prozent) und spiegeln ein Stück DDR-Zeitgeschichte wider.
Es ist davon auszugehen, dass einige Beiträge, die landesweit vom DDR-Hörfunk ausgestrahlt wurden, durch den Stadtfunk übernommen wurden (z. B. die Neujahrsansprache von Wilhelm Pieck 1956, die Verlesung der Note von Chruschtschow vom 27. November 1958 oder die Ansprache von Walter Ulbricht zum Mauerbau vom 18. August 1961).
Mehrere Beiträge dokumentieren die politisch-ideologischen Verhältnisse in der DDR von Anfang der 1950er Jahre bis in die 1960er Jahre nach dem Mauerbau.
Einige Beispiele machen dies deutlich:
1. Der Schauprozess "Beitrag über die Gerichtsverhandlung am 2. Juli 1953 vor dem Bezirksgericht Leipzig gegen Gerda Schiffel, angeklagt als eine der "Haupträdelsführerinnen" bei den Ereignissen am 17. Juni 1953 in Leipzig und Urteilsverkündung."
2. "Auszug aus der kriminalpolizeilichen Vernehmung des Brandstifters Strömer" (um 1963).
3. "Sergio Günter und Karl-Eduard von Schnitzler "Schlager und Politik" (Deutschlandsender 30. Oktober 1960)" (Ausschnitt der Sendung).
4. "Beiträge über Zuwanderer aus Westdeutschland (1960)".
Die regionalpolitischen Beiträge sind teilweise Live-Mitschnitte von Kundgebungen in Leipzig, öffentliche Stadtverordnetenversammlungen und Besuche von Delegationen aus Partnerstädten oder Partnerländern. Umfangreich wird auch von den Veranstaltungen zum 10. Jahrestag der DDR (1959), zur 800-Jahr-Feier Leipzigs (1965), und über die Volkskammer-wahlen 1954 und 1958 berichtet.
In dem Bestand sind 61 Beiträge zur Leipziger Messe überliefert. Etwa die Hälfte der Beiträge sind im Studio produzierte Werbesendungen "Die klingende DEWAG-Werbung" (1955 bis 1969, mit Lücken). Durchschnittlich wurden im Jahr zwei bis drei Sendungen für die Frühjahrs- und Herbstmesse produziert. Beworben wurden Messestände und Aussteller, Warenhäuser, Fachgeschäfte, Hotels, Gaststätten und Kulturveranstaltungen in Leipzig sowie DDR-Erzeugnisse. Die zweite Hälfte der Beiträge sind meistens Reportagen auf dem Messe-Gelände und in den Messehäusern und Interviews mit Ausstellern.
46 Beiträge informieren über das Baugeschehen in der Stadt Leipzig, vorwiegend in dem Zeitraum von 1958 bis 1965. Hauptthemen sind der Bau der Oper, der Hauptpost, der Messehäuser, die Bauarbeiten am Hauptbahnhof, der Bau von Hotels sowie der Wohnungs- und Straßenbau. Auch hier sind es vorwiegend Reportagen vor Ort und Interviews mit den verantwortlichen Bauleitern.
38 Beiträge widmen sich dem Thema Sport. Ein großer Teil dieser Bänder sind Live-Mitschnitte von Zieleinläufen im Radsport (42 Prozent), vor allem der Internationalen Friedensfahrten (1953 bis 1955, 1960 und 1961) und der Rad-Weltmeisterschaften 1960.
Weitere sportliche Höhepunkte der Berichterstattung sind die 14. Schacholympiade 1960 in Leipzig, das 3. und 4. Turn- und Sportfest (1959, 1963) und die Europa-Schwimm-Meisterschaften 1962.
35 Beiträge dokumentieren das kulturelle Leben in der Stadt. Davon sind 12 Bänder Live-Mitschnitte von Faschings- und Musikprogrammen sowie kabarettistischen Veranstaltungen. Weitere Themen über kulturelle Ereignisse sind: Die Dokumentar- und Kurzfilm-Wochen (1961, 1962 und 1964), Ausstellungen, Gastspiele, Jugendarbeit oder der Wechsel des Thomaskantors (1961), Welttheatertag (1963), Woche des Buches (1964) oder Jubiläen, wie 50 Jahre Stadtgeschichtliches Museum (1961), 80 Jahre Stadtarchiv (1961), 15 Jahre Sender Leipzig (1961) oder 10 Jahre Fachbuchverlag (1959).
Außerdem sind wiederholt Berichte über den Leipziger Zoo und über Städtepartnerschaften sowie Beiträge zur Gesundheitsvorsorge, Bildung und Erziehung, Berichte über VEB Zahlenlotto, Informationen der Volkspolizei (Unfallgeschehen), der Deutschen Reichsbahn und der Leipziger Verkehrsbetriebe überliefert. Vereinzelt sind Beiträge über die Produktion von Leipziger Betrieben, die Situation im Einzelhandel, die Versorgung der Bevölkerung oder über die Arbeit der Gesellschaftlichen Gerichte der DDR enthalten.
Da die Analyse der inhaltlichen Struktur der Beiträge sich nur auf die vorhandenen Tonbänder beziehen kann und die fehlenden Nummern bzw. Bänder entsprechend der fortlaufenden Nummerierungen über 50 Prozent betragen, relativiert sich der Anspruch auf ein repräsentatives Ergebnis
Hinweise für die Benutzung
Bei der Bestellung der Archivalien ist die lfd. Nummer des Titels in Verbindung mit den Kennbuchstaben und der Bestandssignatur anzugeben (Beispiel: AV 22044-075). Die Bereitstellung der Ton-Archivalien erfolgt nur in digitalisierter Form und in einem gesonderten Benutzerraum.
Verweise auf korrespondierende Bestände
Im Stadtarchiv Leipzig befinden sich in dem zusammengefassten Bestand Stadtverordnetenversammlung und Rat der Stadt Leipzig 1945-1990 zahlreiche Akten des Stadtfunks (hauptsächlich Sende- bzw. Programmunterlagen aus dem Zeitraum 1953 bis 1990) sowie Sachakten des Rates der Stadt zum Stadtfunk Leipzig
Quellen und Literatur
[1] Rohr, Sylvia, 2012, Der Stadtfunk, URL: http://www.stadtfunk-leipzig.de/sfle.html , aufgerufen am 22.07.2016
[2] Wikipedia, Die freie Enzyklopädie: https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtfunk_Leipzig, aufgerufen am 25.08.2016
[3] Kell, Udo, Stadtfunk Leipzig Auf Sendung 1945 – 31.12.1998, URL: http://www.ddr-rechentechnik.de/html/stadtfunk.html, aufgerufen am 25.08.2016
[4] Stadt Leipzig, Montagsdemonstrationen Leipzig 1989: "Wir sind das Volk", URL: http://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/unsere-stadt/herbst-89/der-9-oktober-89/, aufgerufen am 25.08.2016
Cornelia Thörmer
August 2016
Abkürzungsverzeichnis
Wortbeiträge zu Kultur- und Sportveranstaltungen, zum Baugeschehen in Leipzig, Versorgung und Konsumgüterproduktion, zu Jubiläen, Staatsbesuchen und Städtepartnerschaften, zum Unfallgeschehen, Brand- und Gesundheitsschutz.- Werbung und Musikbeiträge.
Der Stadtfunk Leipzig wurde im Juli 1945 auf Befehl der SMAD als Informationsmedium und lokaler Leitungsrundfunk zur Beschallung des öffentlichen Raums installiert. Zu regelmäßigen Sendezeiten zwischen 8 und 21 Uhr übertrugen rund 200 Lautsprecheranlagen an belebten Plätzen, Bus- und Straßenbahnhaltestellen sowie öffentlichen Gebäuden im Zentrum der Stadt, aber auch in Umlandgemeinden wie Taucha und Markkleeberg, Wort- und Musikprogramme, darunter wichtige amtliche Mitteilungen von Ostberliner und Moskauer Sendern. Um 1950 übernahm die Stadt Leipzig mit einem eigenen Tonstudio im Neuen Rathaus die Regie des Stadtfunks und konzentrierte sich auf lokale und regionale Nachrichten sowie Informationen zum politischen, wirtschaftlichen und kulturellem Leben. Die Leipziger Frühjahrs- und Herbstmessen oder besondere Höhepunkte wie die Turn- und Sportfeste, andere internationale Sportwettkämpfe wie die Friedensfahrt, lokale Jubiläen und das Baugeschehen waren Schwerpunkte der Berichterstattung. Im Herbst 1989 gewann der Stadtfunk eine besondere Bedeutung durch die Übertragung des Aufrufs der "Leipziger Sechs" zum Gewaltverzicht. Der Stadtfunk Leipzig bestand bei rückläufiger Übertragungstechnik bis Oktober 1998 und wurde zuletzt vom privaten Sender Radio Leipzig mit nur noch 20 funktionsfähigen Lautsprechern betrieben.
Der Bestand Stadtfunk Leipzig ist vom Stadtarchiv Leipzig als Depositum an das Staatsarchiv Leipzig abgegeben worden.
Der Bestand Stadtfunk Leipzig ist vom Stadtarchiv Leipzig als Depositum an das Staatsarchiv Leipzig abgegeben worden.
- 2017 | Findbuch / Datenbank
- 2024-10-04 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5