Beständeübersicht
Bestand
Zur Geschichte der Strafvollzugseinrichtung Torgau
Der Strafvollzug oblag in der Nachkriegszeit bis 1952 den Justizverwaltungen, danach wurde er der Deutschen Volkspolizei unterstellt.
Die Strafvollzugseinrichtung (StVE) Torgau entstand aus dem früheren Wehrmachtgefängnis und sowjetischen Speziallager Fort Zinna und existierte zwischen 1950 und 1990. Sie fungierte anfangs als Ort der Inhaftierung von Gefangenen der aufgelösten sowjetischen Speziallager. Auch Gegner der SED-Politik zählten bis in die 1960er Jahre hinein zu den Insassen, später vor allem Kriminelle, aber auch politische Gefangene, denen z. B. "ungesetzlicher Grenzübertritt" und "Verbrechen gegen die DDR" zur Last gelegt wurden.[01]
Die StVE Torgau wurde gebildet als eine Strafvollzugseinrichtung der Kategorie III in der strengen Vollzugsart gem. §§ 15 und 17 SVWG. Die allgemeine bzw. die erleichterte Vollzugsart gem. §§ 16 und 18 SVWG liefen 1969 bzw. 1971 aus. Es wurden Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren in der StVE vollstreckt. Ziele des Strafvollzuges waren die Wiedereingliederung sowie die staatsbürgerliche Erziehung und Qualifizierung der Inhaftierten und die Verdrängung der Rückfallkriminalität aus dem gesamtgesellschaftlichen Leben. Es bestanden vertragliche Bindungen der StVE zu mehreren volkseigenen Betrieben, darunter zum VEB Carl Zeiss Jena.[02] Die Erziehung durch Arbeit stand im Mittelpunkt und ersetzte die herkömmliche Bestrafung.[03] Der Haftalltag war geprägt durch Schikanen, Bevormundung und Kontrolle. Insassen und Strafvollzugsangehörige bespitzelten sich untereinander. Gesundheitliche Missstände und Hygienemängel setzten den Häftlingen zu.[04]
Integriert in die StVE war bis 1975 eine "Jugendhaus" genannte Jugendstrafanstalt (JStA), auch eine Einrichtung der strengen Vollzugsart. Diese diente zur Unterbringung straffällig gewordener Jugendlicher mit Haftdauern bis einschließlich lebenslänglich. Durch "produktive Arbeit" sollten diesen die Pflichten gegenüber dem Arbeiter- und Bauernstaat ins Bewusstsein gerufen werden. Die Möglichkeit zum Besuch einer Berufsschule bestand. Vertragsbeziehungen wurden u. a. zum VEB Drehmaschinenwerk Leipzig unterhalten.[05]
Anfangs lag die Personalstärke der StVE bei rund 200 (Offiziere und Wachtmeister) sowie rund 30 Zivilmitarbeitern des MdI (Lehrende und Erziehende), bei der JStA bei 34[06] , 1972 dann bei 134 bzw. 28.[07] Die politisch-ideologische Arbeit mit den SV-Angehörigen galt als Kernstück der Führungs- und Leitungstätigkeit. Die Soll-Zahl der Inhaftierten lag anfangs bei rund 620 Erwachsenen und 220 Jugendlichen.[08]
Mit der Unterstellung unter das Sächsische Ministerium für Justiz im Jahr 1990 erfolgte die Umbildung der StVE in eine Justizvollzugsanstalt.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Die Unterlagen des Bestandes gelangten etappenweise von 1997 bis 2015 in das Staatsarchiv Leipzig. Einige Akten aus dem Bestand 20250 BDVP Leipzig wurden provenienzgerecht dem Bestand 22222 StVE Torgau zugeordnet. 2017 erfolgte die Verzeichnung des größten Teils der Unterlagen, 2021 der Import eines Ablieferungsverzeichnisses (Personalakten), 2022 die Verzeichnung einiger bis dato noch unverzeichneter mikroverfilmter Gefangenenakten. In den nächsten Jahren ist mit einem Zugang weiterer Akten zu rechnen, die derzeit noch in der JVA Torgau aufbewahrt werden.
Überlieferungsschwerpunkte
Überliefert sind vor allem Personalakten, Gefangenenakten (mikroverfilmt; die Originale sind nicht mehr vorhanden), Krankenakten, eine Gefangenenkartei der von durch Sowjetische Militärtribunale verurteilten Personen (mit mehr als eintausend Fotos) sowie Kontenkarten der Strafgefangenen. Für den Bereich JStA überliefert sind vor allem Berufsschulnachweise sowie Kontroll- und Lernaktivbücher, die Aufschluss über die Berufsgruppenvielfalt geben.
Hinweise für die Benutzung
Bei der Bestellung von Archivgut müssen die Bestandssignatur 22222 und die Aktenbestellnummer sowie, falls vorhanden, die Filmnummer angegeben werden.
Für die Einsichtnahme sind die Regelungen zum Datenschutz zu beachten. Dabei gelten die im § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SächsArchivG[09] festgelegten Schutzfristen. Aktentitel mit personenbezogenen Daten und laufenden Schutzfristen nach § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SächsArchivG sind in der Online-Version des Findbuchs nicht einsehbar.
Verweise auf korrespondierende Bestände
20250 Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Leipzig
22221 Strafvollzugseinrichtung Waldheim
22248 Strafvollzugseinrichtung Regis mit Strafvollzugsanstalt Altenburg
22200 Strafvollzugseinrichtung Leipzig
Bundesarchiv
DP 1 Ministerium der Justiz, Hauptabteilung
Quellen und Literatur
Das Torgau Tabu: Wehrmachtstrafsystem, NKWD-Speziallager, DDR-Strafvollzug, hrsg. v. Norbert Haase und Oleschinski, Brigitte, 2. Aufl., Leipzig 1998.
Szkibik, Heinz, Sozialistischer Strafvollzug: Erziehung durch Arbeit, Berlin (Ost) 1969.
https://www.stsg.de/cms/torgau/geschichte/der_strafvollzug_der_ddr
(02. November 2022)
Marc Zschunke
August 2017
Andreas Nebelung
November 2022
Abkürzungsverzeichnis
[01] https://www.stsg.de/cms/torgau/geschichte/der_strafvollzug_der_ddr (02. November 2022)
[02] Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 22222 Strafvollzugseinrichtung Torgau, Nr. 053, Bl. 157, 173.
[03] Szkibik, Heinz: Sozialistischer Strafvollzug, Berlin, 1969, S. 25.
[04] https://www.stsg.de/cms/torgau/geschichte/der_strafvollzug_der_ddr (02. November 2022)
[05] Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 22222 Strafvollzugseinrichtung Torgau, Nr. 052, Bl. 44; Nr. 053, Bl. 173.
[06] Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 22222 Strafvollzugseinrichtung Torgau, Nr. 053, Bl. 192, 205.
[07] Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20250 BDVP Leipzig, Nr. 3988.
[08] Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 22222 Strafvollzugseinrichtung Torgau, Nr. 053, Bl. 27, 205.
[09] SächsArchivG vom 17. Mai 1993 (SächsGVBl. S. 449).
22222 Strafvollzugseinrichtung Torgau
Datierung | 1945 - 1990 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 8,92 |
Bestand enthält auch 85 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular
Zur Geschichte der Strafvollzugseinrichtung Torgau
Der Strafvollzug oblag in der Nachkriegszeit bis 1952 den Justizverwaltungen, danach wurde er der Deutschen Volkspolizei unterstellt.
Die Strafvollzugseinrichtung (StVE) Torgau entstand aus dem früheren Wehrmachtgefängnis und sowjetischen Speziallager Fort Zinna und existierte zwischen 1950 und 1990. Sie fungierte anfangs als Ort der Inhaftierung von Gefangenen der aufgelösten sowjetischen Speziallager. Auch Gegner der SED-Politik zählten bis in die 1960er Jahre hinein zu den Insassen, später vor allem Kriminelle, aber auch politische Gefangene, denen z. B. "ungesetzlicher Grenzübertritt" und "Verbrechen gegen die DDR" zur Last gelegt wurden.[01]
Die StVE Torgau wurde gebildet als eine Strafvollzugseinrichtung der Kategorie III in der strengen Vollzugsart gem. §§ 15 und 17 SVWG. Die allgemeine bzw. die erleichterte Vollzugsart gem. §§ 16 und 18 SVWG liefen 1969 bzw. 1971 aus. Es wurden Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren in der StVE vollstreckt. Ziele des Strafvollzuges waren die Wiedereingliederung sowie die staatsbürgerliche Erziehung und Qualifizierung der Inhaftierten und die Verdrängung der Rückfallkriminalität aus dem gesamtgesellschaftlichen Leben. Es bestanden vertragliche Bindungen der StVE zu mehreren volkseigenen Betrieben, darunter zum VEB Carl Zeiss Jena.[02] Die Erziehung durch Arbeit stand im Mittelpunkt und ersetzte die herkömmliche Bestrafung.[03] Der Haftalltag war geprägt durch Schikanen, Bevormundung und Kontrolle. Insassen und Strafvollzugsangehörige bespitzelten sich untereinander. Gesundheitliche Missstände und Hygienemängel setzten den Häftlingen zu.[04]
Integriert in die StVE war bis 1975 eine "Jugendhaus" genannte Jugendstrafanstalt (JStA), auch eine Einrichtung der strengen Vollzugsart. Diese diente zur Unterbringung straffällig gewordener Jugendlicher mit Haftdauern bis einschließlich lebenslänglich. Durch "produktive Arbeit" sollten diesen die Pflichten gegenüber dem Arbeiter- und Bauernstaat ins Bewusstsein gerufen werden. Die Möglichkeit zum Besuch einer Berufsschule bestand. Vertragsbeziehungen wurden u. a. zum VEB Drehmaschinenwerk Leipzig unterhalten.[05]
Anfangs lag die Personalstärke der StVE bei rund 200 (Offiziere und Wachtmeister) sowie rund 30 Zivilmitarbeitern des MdI (Lehrende und Erziehende), bei der JStA bei 34[06] , 1972 dann bei 134 bzw. 28.[07] Die politisch-ideologische Arbeit mit den SV-Angehörigen galt als Kernstück der Führungs- und Leitungstätigkeit. Die Soll-Zahl der Inhaftierten lag anfangs bei rund 620 Erwachsenen und 220 Jugendlichen.[08]
Mit der Unterstellung unter das Sächsische Ministerium für Justiz im Jahr 1990 erfolgte die Umbildung der StVE in eine Justizvollzugsanstalt.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Die Unterlagen des Bestandes gelangten etappenweise von 1997 bis 2015 in das Staatsarchiv Leipzig. Einige Akten aus dem Bestand 20250 BDVP Leipzig wurden provenienzgerecht dem Bestand 22222 StVE Torgau zugeordnet. 2017 erfolgte die Verzeichnung des größten Teils der Unterlagen, 2021 der Import eines Ablieferungsverzeichnisses (Personalakten), 2022 die Verzeichnung einiger bis dato noch unverzeichneter mikroverfilmter Gefangenenakten. In den nächsten Jahren ist mit einem Zugang weiterer Akten zu rechnen, die derzeit noch in der JVA Torgau aufbewahrt werden.
Überlieferungsschwerpunkte
Überliefert sind vor allem Personalakten, Gefangenenakten (mikroverfilmt; die Originale sind nicht mehr vorhanden), Krankenakten, eine Gefangenenkartei der von durch Sowjetische Militärtribunale verurteilten Personen (mit mehr als eintausend Fotos) sowie Kontenkarten der Strafgefangenen. Für den Bereich JStA überliefert sind vor allem Berufsschulnachweise sowie Kontroll- und Lernaktivbücher, die Aufschluss über die Berufsgruppenvielfalt geben.
Hinweise für die Benutzung
Bei der Bestellung von Archivgut müssen die Bestandssignatur 22222 und die Aktenbestellnummer sowie, falls vorhanden, die Filmnummer angegeben werden.
Für die Einsichtnahme sind die Regelungen zum Datenschutz zu beachten. Dabei gelten die im § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SächsArchivG[09] festgelegten Schutzfristen. Aktentitel mit personenbezogenen Daten und laufenden Schutzfristen nach § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SächsArchivG sind in der Online-Version des Findbuchs nicht einsehbar.
Verweise auf korrespondierende Bestände
20250 Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Leipzig
22221 Strafvollzugseinrichtung Waldheim
22248 Strafvollzugseinrichtung Regis mit Strafvollzugsanstalt Altenburg
22200 Strafvollzugseinrichtung Leipzig
Bundesarchiv
DP 1 Ministerium der Justiz, Hauptabteilung
Quellen und Literatur
Das Torgau Tabu: Wehrmachtstrafsystem, NKWD-Speziallager, DDR-Strafvollzug, hrsg. v. Norbert Haase und Oleschinski, Brigitte, 2. Aufl., Leipzig 1998.
Szkibik, Heinz, Sozialistischer Strafvollzug: Erziehung durch Arbeit, Berlin (Ost) 1969.
https://www.stsg.de/cms/torgau/geschichte/der_strafvollzug_der_ddr
(02. November 2022)
Marc Zschunke
August 2017
Andreas Nebelung
November 2022
Abkürzungsverzeichnis
[01] https://www.stsg.de/cms/torgau/geschichte/der_strafvollzug_der_ddr (02. November 2022)
[02] Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 22222 Strafvollzugseinrichtung Torgau, Nr. 053, Bl. 157, 173.
[03] Szkibik, Heinz: Sozialistischer Strafvollzug, Berlin, 1969, S. 25.
[04] https://www.stsg.de/cms/torgau/geschichte/der_strafvollzug_der_ddr (02. November 2022)
[05] Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 22222 Strafvollzugseinrichtung Torgau, Nr. 052, Bl. 44; Nr. 053, Bl. 173.
[06] Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 22222 Strafvollzugseinrichtung Torgau, Nr. 053, Bl. 192, 205.
[07] Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20250 BDVP Leipzig, Nr. 3988.
[08] Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 22222 Strafvollzugseinrichtung Torgau, Nr. 053, Bl. 27, 205.
[09] SächsArchivG vom 17. Mai 1993 (SächsGVBl. S. 449).
Leitung und Organisation.- Personal.- Strafvollzug.- Jugendstrafanstalt.
Die Strafvollzugseinrichtung (StVE) Torgau entstand aus dem früheren Wehrmachtgefängnis und sowjetischen Speziallager Fort Zinna und existierte zwischen 1950 und 1990. Sie fungierte anfangs als Ort der Inhaftierung von Gefangenen der aufgelösten sowjetischen Speziallager. Auch Gegner der SED-Politik zählten bis in die 1960er Jahre hinein zu den Insassen, später vor allem Kriminelle, aber auch politische Gefangene.
Integriert in die StVE war bis 1975 eine "Jugendhaus" genannte Jugendstrafanstalt (JStA). Diese diente zur Unterbringung straffällig gewordener Jugendlicher mit Haftdauern bis einschließlich lebenslänglich. Die Möglichkeit zum Besuch einer Berufsschule bestand.
Mit der Unterstellung unter das Sächsische Ministerium für Justiz im Jahr 1990 erfolgte die Umbildung der StVE in eine Justizvollzugsanstalt.
Integriert in die StVE war bis 1975 eine "Jugendhaus" genannte Jugendstrafanstalt (JStA). Diese diente zur Unterbringung straffällig gewordener Jugendlicher mit Haftdauern bis einschließlich lebenslänglich. Die Möglichkeit zum Besuch einer Berufsschule bestand.
Mit der Unterstellung unter das Sächsische Ministerium für Justiz im Jahr 1990 erfolgte die Umbildung der StVE in eine Justizvollzugsanstalt.
- 2022 | Findbuch / Datenbank
- 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5