Hauptinhalt

Beständeübersicht

Bestand

22420 Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer im Bezirk Leipzig

Datierung1944 - 1990
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)3,30

Bestand enthält auch 2 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer im Bezirk Leipzig

Das Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR (KdaW) wurde im Februar 1953 gegründet. Es war Nachfolger der im Februar 1953 durch einen Beschluss des Politbüros des Zentralkomitees der SED aufgelösten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Vorsitzender der VVN war Ottomar Georg Alexander Geschke, später Mitglied im Präsidium des KdaW[01] . Das KdaW bestand zunächst aus 32 Mitgliedern. Im August 1953 wurden ein Präsidium gewählt und Kommissionen, u. a. für Geschichte des Widerstands-kampfes, für Sozialpolitik und für westdeutsche Fragen, gebildet. Das KdAW war Mitglied der Fédération Internationale des Résistants (FIR).
In der Geschichtspropaganda der SED erlangte der antifaschistische Widerstandskampf zu Beginn der 1970er Jahre zunehmende Bedeutung.[02] Das Sekretariat des SED-Zentralkomitees beschloss am 30. Januar 1974 die Erweiterung des Tätigkeitsbereiches und die Veränderung der Struktur des Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR. Das KdaW bestand nun aus einer Zentralleitung sowie Arbeitsgemeinschaften und Sektionen.[03] Vorsitzender war Otto Funke, der ab 1972 Vizepräsident der FIR gewesen war. Außerdem wurden Bezirks-, Kreis- und Stadtkomitees sowie Stadtbezirksaktivs gebildet.
Hauptaufgaben aller Struktureinheiten waren die Pflege der Tradition des antifaschistischen Widerstandskampfes, die Vermittlung der Gefährlichkeit des deutschen Faschismus, die Durchführung der Beschlüsse der SED-Parteitage sowie die Erforschung des örtlichen antifaschistischen Widerstandskampfes.[04] Den Komitees waren Kommissionen (u. a. Kommission für die politische Massenarbeit, Kommission für die Erforschung des örtlichen Widerstandskampfes sowie Kommission für die Pflege der Gedenk- und Erinnerungsstätten des antifaschistischen Widerstandskampfes), Arbeitsgemeinschaften und Sektionen untergeordnet.[05]
Grundlage der politisch-ideologischen Arbeit der Komitees waren Beschlüsse des Politbüros des SED-Zentralkomitees und Beschlüsse der Zentralleitung. Ein Schwerpunkt der Arbeit der Kommissionen war die sozialistische Erziehung der Jugend. Im Mittelpunkt stand dabei die Vermittlung der Rolle der Sowjetunion bei der Befreiung vom Faschismus.[06] Arbeitsschwerpunkte der Komitees waren u. a. die Durchführung von Veranstaltungen zu Gedenktagen, z. B. zum Tag der Befreiung am 8. Mai 1945, zum Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg am 8. September sowie zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar.[07]
Am 28. Juni 1974 fand die Konstituierung des Bezirkskomitees Leipzig der antifaschistischen Widerstandskämpfer statt.[08] Alle Komitees tagten mindestens einmal im Jahr. Auf diesen Tagungen wurden Rechenschaft über die bisherige Tätigkeit abgelegt und Leitlinien für die weitere Arbeit festgelegt sowie über die Aufnahme neuer Mitglieder entschieden.[09] Neben den Mitgliedern der Komitees gab es weitere Teilnehmer, so z. B. ein Vertreter der Zentralleitung, die Vorsitzenden der Kreiskomitees des Bezirkes Leipzig, Vertreter der Massenorganisationen FDJ, FDGB und GST sowie der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung. Die Zahl der Teilnehmer an einer solchen Tagung belief sich beispielsweise 1977 auf ca. 100.[10]
Die Leitungssitzungen der einzelnen Komitees fanden in der Regel einmal im Monat statt. Die Leitungen setzten sich zusammen aus einem Vorsitzenden (Vorsitzender des Bezirkskomitees Leipzig war Erich Grützner), einem stellvertretenden Vorsitzenden, einem Sekretär sowie Vorsitzenden der Kommissionen und Leitungsmitgliedern ohne spezielle Funktion.[11]
Aufgrund des Beschlusses des Politbüros des SED-Zentralkomitee vom 18. Januar 1983 und den bestehenden Kaderschwierigkeiten (70% anerkannte Verfolgte des Naziregimes waren über 70 Jahre alt), folgte sukzessive die Auflösung aller Kreis- und Bezirkskomitees, deren Aufgabenwahrnehmung aufgrund der problematischen Personalsituation nicht mehr gewährleistet war.[12] Nachfolger waren gemäß dem Beschluss des SED-Politbüros die Kommissionen zur Wahrung und Weiterführung der revolutionären Traditionen der Arbeiterbewegung und des antifaschistischen Widerstandes (Kommissionen Traditionsarbeit).[13] Nicht aufgelöst wurden die Zentralleitung sowie Komitees, welche die Aufgaben noch wahrnehmen konnten. Im Bezirk Leipzig blieb das Bezirkskomitee unter Führung Erich Grützners auch noch nach dem Beschluss vom 18. Januar 1983 bestehen.
Grundlage für die Tätigkeit der Traditionskommissionen waren die Richtlinien des Sekretariats des SED-Zentralkomitees vom 7. Februar 1983. Die bis dahin bestehenden Aufgabengebiete wie die massenpolitische Arbeit oder sozialistische Erziehung der Jugend blieben im Kern weiter bestehen. Ergänzend kam die Aufgabe der Dokumentation des antifaschistischen Kampfes hinzu, um zeitaufwändige Recherchen für Forschungsarbeiten zu reduzieren. Außerdem ergaben sich Änderungen hinsichtlich der Weisungsgebundenheit. Im Gegensatz zu den Bezirks, Kreis-, Stadt- und Stadtbezirkskomitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer, die nach den Richtlinien der Zentralleitung, ihres Präsidiums und des Sekretariats arbeiteten, stand die Tätigkeit der Kommissionen Traditionsarbeit unter Anleitung des jeweiligen 2. Sekretärs der SED-Bezirks- bzw. Kreisleitungen. Die Kommissionen Traditionsarbeit arbeiteten eng mit den Kommissionen zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung sowie den Kommissionen zur Betreuung alter verdienter Parteimitglieder zusammen (Betreuungskommission). Die Kommissionen Traditionsarbeit setzte sich aus u. a. Widerstandskämpfern und Vertretern aus Massenorganisationen zusammen. Sie wurden von einem Vorsitzenden, einem stellvertretenden Vorsitzenden und einem Sekretär geleitet, die ehrenamtlich tätig waren.[14]
Die Zentralleitung des KdAW der DDR stellte ihre Arbeit auf ihrer Tagung am 25. Januar 1990 ein. Das Komitee organisierte sich neu, es wurde ein Arbeitsausschuss gebildet. Es gründete sich der "Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener e. V" als selbständige, politisch unabhängige Mitgliederorganisation.[15]
Ein bedeutender Vertreter des antifaschistischen Widerstandskampfes war Erich Martin Grützner (geb. am 30.07.1910, gest. am 21.11.2001). Er entstammte einer Arbeiterfamilie aus Pirna.[16] E. M. Grützner war der Sohn des Stahlschmelzers Richard Grützner und seiner Ehefrau Ida Grützner. Erich Martin Grützner war nach dem Besuch einer Volksschule in Pirna 1917 – 1925 in vielen verschiedenen Berufszweigen tätig. Er hatte den Abschluss zum Chemiefacharbeiter (1939 – 1943) erworben. Politisch war E. Grützner sehr aktiv. Von 1925 – 1932 war er Mitglied in der KJVD (Kommunistischer Jugendverband Deutschlands). Anschließend beteiligte er sich ab 1933 an illegalen Aktionen der KPD, woraufhin ihm "Vorbereitung zum Hochverrat" vorgeworfen wurde. Er wurde vom Oberlandesgericht Dresden verurteilt und 16 Monate lang im Zuchthaus Zwickau inhaftiert. Nach Kriegsende 1945 beteiligte E. M. Grützner beim Aufbau der Jugendarbeit in Pirna. Er arbeitete als Leiter des Jugendausschusses und wurde anschließend als Funktionär in den FDGB-Kreisvorstand gewählt. In den darauffolgenden Jahren übernahm er mehrere Führungspositionen in der SED und im staatlichen Bereich. Er war u. a. Mitglied in der SED-Bezirksleitung Leipzig, Vorsitzender des Rates des Bezirkes Leipzig und Abgeordneter der SED der Volkskammer der DDR. Von 1956 bis 1963 absolvierte er ein Studium an der Parteihochschule "Karl Marx", welches er als Diplom-Gesellschaftswissenschaftler abschloss. Sein letztes Amt hatte Erich Martin Grützner 1974 als Leiter des Leipziger Bezirkskomitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer inne.[17]

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Die Unterlagen der Komitees gelangten in den 1980er Jahren über die Altregistraturen der SED-Kreisleitungen und der SED-Bezirksleitung in das Bezirksparteiarchiv Leipzig. Für einen Teil der Unterlagen wurde dort eine Findkartei erstellt. Im Jahr 1993 wurden die Unterlagen und die Findkartei mit den übrigen Beständen des Bezirksparteiarchivs vom PDS-Landesvorstand Sachsen dem Staatsarchiv Leipzig übergeben. Im Jahr 2018 erfolgten die Retrokonversion der Findkartei unter Anwendung der Archivsoftware Augias 9.1 sowie die Erschließung von noch nicht verzeichneten Unterlagen.

Überlieferungsschwerpunkte

Die Überlieferung beginnt mit der Konstituierung des Bezirkskomitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer am 28. Juni 1974. Überliefert sind mehrheitlich Protokolle von Komitee- und Leitungssitzungen, Arbeitspläne sowie Quartals- und Jahresberichte der Komitees. Ebenfalls von Bedeutung sind die überlieferten Erfassungsscheine (A) und (B), die durch die Komitees gemäß der "Richtlinie für die zentrale Erfassung der in der DDR befindlichen schriftlichen Materialien zu Personen und Sachverhalten des antifaschistischen Widerstandskampfes aus der Zeit von 1933 bis 1945" vom 17. November 1983 des Zentralen Parteiarchivs der SED beim Institut für Marxismus und Leninismus erstellt wurden.
Bei den Erfassungsscheinen des Typs A wurden die Personendaten von Teilnehmern am antifaschistischen Widerstandskampf 1933 - 1945 aufgenommen, während beim Typ B sachbezogene schriftliche Dokumente festgehalten wurden.[18] Für die Durchführung der Erfassung war der Sektor Auswertung des Zentralen Parteiarchivs der SED verantwortlich.[19]
Im Bestand enthalten sind auch besondere Archivaliengattungen, wie Tonbänder, Druckklischees, ein Ehrenwimpel und Fotoalben.

Hinweise für die Benutzung

Ein geringer Teil der Unterlagen unterliegt personenbezogenen Schutzfristen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 SächsArchivG. Vorlage dieser Archivalien ist nur nach Verkürzung der Schutzfristen möglich.

Hinweise auf korrespondierende Bestände

21123 SED-Bezirksleitung Leipzig
21690 SED, Sammlung, Biografien
21699 SED, Sammlung, Kaderakten>/b>

Marc Zschunke

August 2018


[01] http://www.ddr-geschichte.de/PERSONEN/Geschke/geschke.html.
[02] http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/Bestaendeuebersicht/index.htm.
[03] http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/tony13/index.htm; https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/wer-war-wer-in-der-ddr-%2363%3B-1424.html?ID=924.
[04] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (im Folgenden: StA-L), 22420 Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer, Nr. 03, 75.
[05] StAL, 22420 Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer, Nr. 20.
[06] StAL, 22420 Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer, Nr. 01.
[07] StAL, 22420 Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer, Nr. 1 und Nr. 11.
[08] StAL, 22420 Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer, Nr. 08.
[09] StAL, 22420 Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer, Nr. 11.
[10] StAL, 22420 Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer, Nr. 03.
[11] StAL, 22420 Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer, Nr. 23.
[12] StAL, 21123, SED-Bezirksleitung, Nr. 0093.
[13] StAL, 21123, SED-Bezirksleitung, Nr. 0093.
[14] StAL, 21123, SED-Bezirksleitung, Nr. 0522.
[15] http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/Bestaendeuebersicht/index.htm.
[16] StAL, 21690 SED, Sammlung Biografien, Nr. 264.
[17] StAL, 21699 SED, Sammlung, Kaderakten, Nr. 779.
[18] StAL, 22420 Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer, Nr. 111.
[19] StAL, 21123, SED-Bezirksleitung, Nr. 0034.
Protokolle von Komiteesitzungen und Leitungssitzungen.- Erfassungsscheine für die Erfassung von Unterlagen zu Personen und Sachverhalten des antifaschistischen Widerstandskampfes.- Projekte zur Geschichte des antifaschistischen Widerstandskampfes.
Die Komitees der antifaschistischen Widerstandkämpfer im Bezirk Leipzig wurden auf der Grundlage des Beschlusses des SED-Zentralkomitees vom 30. Januar 1974 gebildet. Hauptaufgabe des Bezirkskomitees und der Kreis-, Stadt- und Stadtbezirkskomitees waren die Pflege und Erforschung der Traditionen des antifaschistischen Widerstandskampfes. Nach einem Beschluss des SED-Zentralkomitees vom 18. Januar 1983 erfolgte die Auflösung von Komitees, die aufgrund ihrer Personalsituation und des Lebensalters der Mitglieder ihre Aufgaben nicht mehr wahrnahmen. Das Bezirkskomitee Leipzig bestand bis 1989. Die Aufgaben der aufgelösten Komitees gingen auf die Kommissionen Traditionsarbeit bei der SED-Bezirksleitung und den SED-Kreisleitungen über.
  • 2018 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
Sitemap-XML zurück zum Seitenanfang