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Beständeübersicht

Bestand

30131 Amtsgericht Plauen

Datierung1791 - 1952 ( - 2007)
Benutzung im Staatsarchiv Chemnitz
Umfang (nur lfm)96,97

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1. Geschichte des Amtsgerichts Plauen
Die Bildung des Deutschen Nationalstaates 1871 führte zur Vereinheitlichung vieler Bereiche des öffentlichen Lebens, so auch des Justizwesens. Die Grundlage dafür bildete das am 27. Januar 1877 verkündete und am 1. Oktober 1879 in Kraft getretene Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)[01], das in § 12 die Bildung von Reichsgericht, Oberlandesgerichten, Land- und Amtsgerichten vorsah. Die Gründung des Amtsgerichts Plauen erfolgte auf Grundlage einer sächsischen Verordnung[02]. Danach gehörte das Amtsgericht Plauen zum Bezirk des Landgerichts Plauen und war zuständig für folgende Gemeinden:
Altensalz, Berglas, Brand, Crieschwitz, Dehles, Gansgrün, Geilsdorf, Grobau, Großfriesen, Großzöbern, Gutenfürst, Haselbrunn, Helmsgrün, Jößnitz, Kauschwitz, Kemnitz, Kleinfriesen, Kleinzöbern, Kloschwitz, Kobitzschwalde, Krebes, Kröstau, Kürbitz, Leubnitz, Mechelgrün, Messbach, Mißlareuth, Möschwitz, Neudörfel, Neuensalz, Oberlosa, Oberneundorf, Oberweischlitz, Pirk, Plauen, Pöhl, Reinhardtswalde, Reinsdorf, Reißig, Reusa, Reuth, Rodau, Rodersdorf, Rodlera, Rößnitz, Röttis, Rosenberg, Ruderitz, Schneckengrün, Schönlind, Schwand, Schwarzenreuth, Sorga, Steins, Stelzen, Stöckigt, Strassberg, Syrau, Tauschwitz, Theuma, Thiergarten, Thossen, Thoßfell, Tobertitz, Türbel, Unterlosa, Unterneundorf, Unterweischlitz, Voigtsgrün, Zobes, Zschokau und Zwoschwitz. Zunächst im sogenannten Schloss untergebracht, konnte das Amtsgericht Plauen 1906 in den Neubau am Schlossberg einziehen[03].

Zu den Aufgabenbereichen der Amtsgerichte gehörten die freiwillige Gerichtsbarkeit, die Zivilgerichtsbarkeit und Teile der Strafgerichtsbarkeit. Zur Vereinfachung des Verfahrens und Entlastung der übergeordneten Gerichte erging 1924 die "Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege"[04], die die Zuständigkeit der Amtsgerichte im Bereich des Strafrechts erweiterte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten kamen neue Aufgaben hinzu. So wurde 1933 im Verfolg des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses"[05] das Erbgesundheitsgericht beim Amtsgericht Plauen mit Zuständigkeit für den gesamten Landgerichtsbezirk Plauen installiert[06] . Es folgte 1935 die Einrichtung des Entschuldungsamtes beim Amtsgericht Plauen, ebenfalls zuständig für den gesamten Landgerichtsbezirks[07]. Des weiteren entstand nach Erlass der "Reichserbhofgesetzes" das Anerbengericht beim Amtsgericht Plauen[08]. Die sich im Zweiten Weltkrieg verschärfende Material- und Personalsituation führte auch in Sachsen zur Einschränkung der Gerichtstätigkeit. So übernahm das Amtsgericht Plauen im Juni 1943 die Geschäftstätigkeit der benachbarten Amtsgerichte Elsterberg (dieses wurde stillgelegt) und Pausa (Beschränkung der Tätigkeit auf einen wöchentlichen Gerichtstag).[09] Im Oktober 1944 wies der Präsident des Oberlandesgerichts Dresden an, "das Landgericht und das Amtsgericht Plauen vom 1. November 1944 an hinsichtlich der Verwaltung und der Dienstaufsicht als ein Gericht zu behandeln." Nachdem der Landgerichtspräsident am 14. April 1945 noch die Verlegung des Amtsgerichtes aus dem schwer beschädigten Plauener Gerichtsgebäude nach Oelsnitz/V. angewiesen hatte[10], marschierten zwei Tage später amerikanische Truppen ein, die die Gerichtstätigkeit zunächst untersagten. Bereits am 14. Mai kam es zur Wiedereröffnung des Amtsgerichts Plauen[11], das seinen Geschäftsbetrieb auch über den Besatzungswechsel Anfang Juli hinaus aufrecht erhielt. Am 10. April 1946 erfolgte die endgültige Aufhebung des Amtsgerichtes Elsterberg[12] . Nach dem Auszug der Sowjetischen Militäradministration konnten die Justizbeamten des Land- und des Amtsgerichts Plauen das notdürftig wiederhergestellte Amtsgerichtsgebäude im August 1947 wieder in Besitz nehmen[13] .

Nach der Gründung der DDR 1949 verstärkten sich die Tendenzen zur Neustrukturierung und Zentralisierung des Justizwesens. Einen Teil dieser Bestrebungen bildete die Verordnung vom Mai 1951[14], wodurch die Grenzen der Amtsgerichtsbezirke an die der Stadt- und Landkreise anzupassen waren. Die bis zu diesem Zeitpunkt existierenden Amtsgerichte Pausa und Reichenbach wurde dadurch aufgehoben, ihre Gerichtsbezirke fielen an das Amtsgericht Plauen[15]. Es folgte die Verordnung über die Neugliederung der Gerichte vom 28. August 1952[16], die zur Ablösung der Amtsgerichte durch neueinzurichtende Kreisgerichte führte. Durch das Gerichtsverfassungsgesetz vom 2. Oktober 1952 erhielt diese Verordnung endgültigen Charakter. Damit endete auch die Tätigkeit des Amtsgerichts Plauen.


2. Bestandsanalyse
In der Überlieferung des Bestandes spiegelt sich die vielfältige Tätigkeit der Behörde über einen Zeitraum von ca. 70 Jahren wider. Gerade die hier in ungewöhnlich großem Umfang überlieferten Geschäftsakten geben einen detaillierten Einblick in Aufgaben, Strukturen und personelle Besetzung eines sächsischen Amtsgerichts. Dabei ist der Umbruch von der Zeit der Weimarer Republik zum totalitären "Dritten Reich" besonders gut dokumentiert. So enthalten die Sign. 2351, 2369 und 2370 Angaben über die Tätigkeit der in den 1920er Jahren als Fürsprecher der Häftlinge eingerichteten Gefangenenbeiräte, die Sign. 3382 über die Arbeit des Betriebsrates, und deren beider Abschaffung im Jahre 1933. Die in mehreren Einheiten (u.a. Sign. 2280, 2281, 2410, 2493, 3981) überlieferten Anweisungen und Verfügungen des Reichsjustizministers und des Präsidenten des Oberlandesgerichts Dresden geben Zeugnis über die Deformierung des Rechts und die Gleichschaltung der sächsischen Justizbehörden. Die Sign. 3984 enthält einen Bericht des Amtsgerichtsdirektors über die Besetzung des Amtsgerichtsgebäudes durch die SA und Hissung der Hakenkreuzfahne durch ein Aufgebot des freiwilligen Arbeitsdienstes am 8. März 1933.

Die mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verbundenen neuen Aufgaben sind auch in den Verfahrensakten belegt. Das betrifft die landwirtschaftlichen Entschuldungsverfahren, die in der Umsetzung der "Blut- und- Boden-" Ideologie die wirtschaftliche Gesundung überschuldeter bäuerlicher Betriebe forcierten und damit den Autarkiebestrebungen des Reiches dienten. Eng damit verbunden sind die Zivilgerichtsverfahren vor dem Anerbengericht, das außerdem für jeden sogenannten Erbhof eine den Grundakten vergleichbare Erbhofakte und für jede Gemeinde eine alle Erbhöfe enthaltene Erbhofrolle anzulegen hatte. Die menschenverachtende Haltung des Naziregimes zeigt sich im Bestand des Amtsgerichts Plauen explizit in den Verfahren zur Unfruchtbarmachung vor dem Erbgesundheitsgericht, das in über 85% der ca. 660 überlieferten Fälle die Sterilisierung wegen angeblicher Erbkrankheiten veranlasste. Die Signaturen 3387, 3388, 3389, 5239, 5242 und 5243 enthalten Privatklagen nationalsozialistischer Funktionäre wegen Beleidigung gegen Redakteure sozialdemokratischer Tageszeitungen, die aus der Endphase der Weimarer Republik stammen. Das bemerkenswerteste Verfahren ist wohl die Privatklage Adolf Hitlers gegen einen linksorientierten Plauener Stadtverordneten wegen Beleidigung von 1924 (Sign. 5242). Das persönliche Auftreten Hitlers vor dem Gericht ist im Verhandlungsprotokoll dokumentiert. Außerdem ist das Verfahren des späteren sächsischen Gauleiters Martin Mutschmann (Sign. 3389) zu erwähnen, dessen Klage gegen den Schriftleiter der "Volkszeitung für das Vogtland", Ludwig Hacke, vom Amtsgericht Plauen 1931 wegen Verjährung kostenpflichtig zurückgewiesen wurde.

Mehrere Akten schildern die Verhältnisse im Amtsgericht Plauen während des Zweiten Weltkrieges, z. B. über die Zerstörungen und Aktenverluste durch Alliierte Luftangriffe (Sign. 2258, 2259, 2340, 2513, 3113, 3148) oder den zunehmenden Personalmangel und die damit einhergehende Übernahme der Aufgaben der Amtsgerichte Pausa und Elsterberg (Sign. 2309, 2390, 3139). Besonders hingewiesen sei auf die Sign. 3113, die Angaben über die geplante Auslagerung von Registraturteilen der Reichskanzlei oder einer anderen Reichsbehörde in das Amtsgerichtsgebäude Elsterberg enthält. Über das Kriegsende, die Besetzung der Stadt Plauen durch amerikanische bzw. sowjetische Truppen, die Entnazifizierung und Wiedereröffnung des Amtsgerichtes Plauen geben die Sign. 2300, 2339, 2340, 2368, 2635, 2664, 3148 und 5336 Auskunft. Schließlich sind Angaben über die Tätigkeit des Amtsgerichtes Plauen bis zu seiner Aufhebung 1952 u.a. in den Signaturen 2310, 2337, 2340, 2371, 3369, 3371, 3372, 3373, 3374, 3376, 3378, 4035, 4055, 4057 und 5335 zu finden.

Aufgrund der engen institutionellen Verbindungen besonders während des Zweiten Weltkrieges enthält der Bestand ebenso Angaben zur Tätigkeit des Landgerichts Plauen.Pillep, 15.09.2004



[01] Gerichtsverfassungsgesetz für das Deutsche Reich, RGBl. 1877, S. 41ff.
[02] Verordnung, die mit dem 1. October 1879 in Wirksamkeit tretenden Gerichte betreffend. Vom 28.07.1879, GVBl. für das Kgr. Sachsen 1879, S.235.
[03] STAC, Bestand 30131, Sign.3133.
[04] RGBl. 1924, S.15
[05] RGBl. 1933, S.529.
[06] Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 29.12.1933, Sächs. GBl. 1933, S.199.
[07] Siebente Verordnung zur Durchführung der landwirtschaftlichen Schuldenregelung. Vom 30.04.1935, RGBl. 1935, S.572; Verordnung über Entschuldungsämter und gemeinschaftliche Beschwerdegerichte im Entschuldungsverfahren. Vom 25.06.1935, RGBl. 1935, S.793.
[08] Reichserbhofgesetz. Vom 29.09.1933, RGBl. 1933, S.685; Ausführungsverordnung zum Reichserbhofgesetz. Vom 23.10.1933, Sächs. GBl. 1933, S.185.
[09] Erlass des Reichsministers der Justiz und des Oberlandesgerichtspräsidenten Dresden zur kriegsbedingten Vereinfachung der Gerichtsorganisation vom 20.05.1943; in: STAC, Bestand 30131, Sign. 2309, Bl.10ff.
[10] STAC, Bestand 30131, Sign. 2340, Bl.1.
[11] Ebenda, Bl.8.
[12] STAC, Bestand 30131, Sign. 2414.
[13] STAC, Bestand 30131, Sign.3129.
[14] VO zur Änderung von Gerichtsbezirken im Lande Sachsen. Vom 5. Mai 1951, GBl. d. DDR 1951, S.404; Durchführungsbestimmung zur Vereinfachung der Gerichtsorganisation in Sachsen. Vom 28.05.1951, GVBl. Land Sachsen 1951, S.256.
[15] STAC, Bestand 30131, Sign.2356 und 2471.
[16] GBl. der DDR, 1952, S. 613, 791.
Übersicht über die Bestände des Sächsischen Landeshauptarchivs und seiner Landesarchive, Leipzig 1955, S. 218 (K. Blaschke).

Archivalische Quellennachweise zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 5, Teil 3, ms. gedr. S. 739 f.

Schmidt, Anneliese; Winar, Sigrid: Erschließung der Bestandsgruppe Amtsgerichte im Staatsarchiv Dresden und deren Auswertungsmöglichkeiten, in: Archivmitteilungen 1/1988, S. 26 - 28.
Allgemeiner Dienstbetrieb.- Gerichtsorganisation.- Vermögensverwaltung.- Konkursverfahren.- Zwangsversteigerungen.- Zwangsvollstreckungen.- Nachlassangelegenheiten.- Vormundschaften.- Testamente.- Adoptionen.- Pflegschaften.- Hinterlegungen.- Unterhaltsregelungen.- Pachtschutz.- Grundbuchangelegenheiten.- Hausratssachen.- Wechselproteste.- Standesregisterberichtigungen.- Ehesachen.- Güterrechtsregister.- Register zu Urkundensammlungen.- Zivilverfahren.- Register zu Zivilsachen.- Strafverfahren.- Register zu Strafsachen.- Handelsregister, Abt. A.- Handelsregister, Abt. B.- Vereinsregister.- Genossenschaftsregister.- Erbgesundheitsgericht.- Entschuldungsverfahren.- Erbhofakten und Erbhofrollen.
1879 gebildet, gehörte das Amtsgericht Plauen zum Bezirk des Landgerichts Plauen. 1933 erfolgte die Einrichtung eines Erbgesundheitsgerichts und eines Anerbengerichts - zuständig für den Landgerichtsbezirk. 1935 folgte die Einrichtung eines Entschuldungsamtes, ebenfalls zuständig für den Landgerichtsbezirk. Im Juni 1943 übernahm das Amtsgericht die Geschäftstätigkeit für die benachbarten Amtsgerichte Elsterberg und Pausa.
Weitere Angaben siehe Einleitung zur Tektonikgruppe 02.03.04.02.07.
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