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Beständeübersicht

Bestand

30612 Grundherrschaft Börnichen

Datierung1696 - 1858
Benutzung im Staatsarchiv Chemnitz
Umfang (nur lfm)2,17
1. Die Familie von Schönberg und das Rittergut Börnichen
Die Familie von Schönberg gehört zum hessisch-thüringischen Uradel und ist seit dem 12. Jahrhundert in Diensten der Wettiner bezeugt. Man findet Schönberger in weltlichen, militärischen und geistlichen Spitzenpositionen, die Familie zählte zu den begütertsten Adelsfamilien im sächsischen Raum. Bedeutende Besitzungen besaßen sie in der Umgebung[01] von Freiberg (Bieberstein, Reinsberg), Brand-Erbisdorf (Frauenstein, Purschenstein, Sayda), Kamenz (Glauschnitz, Oberlichtenau), Hainichen (Stadt Hainichen, Neusorge, Kriebstein, Sachsenburg), Chemnitz (Limbach), Pirna (Maxen), Meißen (Rothschönberg), Stollberg (Stadt Stollberg) und Freital (Wilsdruff).
Das nordwestlich von Oederan (Kreis Flöha) gelegene Rittergut Börnichen mit den Dörfern Memmendorf, Hartha, Schönerstadt und Hohelinde gehörte ebenfalls zu den weitläufigen Besitzungen der Schönberger. Da hier der Sitz einer relativ unbedeutenden Nebenlinie war, spielte das Rittergut neben den anderen Schönbergischen Besitzungen nur eine untergeordnete Rolle.
Der erste Schönberger auf Börnichen ist 1462 belegt. Es handelt sich dabei um den kurfürstlichen Rat, Hofmeister und Hofrichter Caspar von Schönberg (gestorben 1491). Dieser hatte Barbara von Maltitz geheiratet und damit das Rittergut, welches sich im Besitz derer von Maltitz befunden hatte, erhalten.[02] Sein Sohn Hans von Schönberg (gestorben um 1523) ist, wie sein zweiter Sohn Moritz von Schönberg (1522-1595) und dessen Urenkel Adam Friedrich von Schönberg (1654-1707), als Herr auf Börnichen bezeugt.[03]
Das Rittergut Börnichen gehörte als sogenannte Grundherrschaft zum Besitz eines Grundherrn. Die Landbevölkerung, die das Land bewirtschaftete, hatte Grund und Boden in der Regel vom Grundherrn erhalten, wofür sie ihm Abgaben und Dienstleistungen (Frondienste) schuldete. Die Verfügungsgewalt des Grundherrn über das Land war stark eingeschränkt. So lang der Grundholde seinen Verpflichtungen nachkam, konnte der Grundherr ihn nicht von Haus und Hof vertreiben.[04] Der Grundherr erwartete Treue und Gehorsam, während der Grundholde auf Schutz und Schirm[05] hoffte. Ein wichtiger Aspekt der grundherrlichen Gewalt war die Ausübung von Obrigkeitsrechten. Das beinhaltete Polizeigewalt und Gerichtsherrschaft. Vor dem Patrimonialgericht wurden Rechtsfälle zwischen den Grundholden, aber auch zwischen Grundherr und Grundholden entschieden. Eine Ausnahme bildeten Kapitalverbrechen. Diese Kriminalfälle mussten vor ein landesherrliches Gericht gebracht werden.
Nach dem Tod Carl Friedrich Maximilians von Schönberg auf Börnichen im Jahr 1847 begann die Ablösung der beim Rittergut liegenden Gerichtsherrschaft. Ab 1856 war das Königliche Gericht Oederan zuständig.
Der Wandel der gesellschaftlichen Strukturen und das zunehmende Selbstbewusstsein der Menschen führte Anfang des 19. Jahrhunderts auch zu Veränderungen innerhalb der Grundherrschaften. Mit dem Gesetz über die Ablösung von Feudallasten aus dem Jahr 1832 wurde die Möglichkeit geschaffen die Grundherrschaft in ökonomischer Hinsicht aufzulösen. Die Landgemeindeordnung von 1839[06] versuchte, die Befugnisse der Grundherren auf außerökonomischem Gebiet zu beschneiden. Als Ortsobrigkeit oblag ihm die Bestätigung des neuzuwählenden Gemeindevorstands[07] , weiterhin verfügte er über die Polizeigewalt. In den Ortschaften, die zum Rittergut Börnichen gehörten, ist die Ablösung von Frondiensten seit 1832 bezeugt (Nr. 82), die Entlassung der Gutsuntertanen ab 1840 (Nr. 25 und Nr. 26). Die Auflösung der Grundherrschaft als politische Einheit geschah ab 1835 mit der Bildung von Heimatbezirken und der Einführung von Gemeindeordnungen ab 1838 (Nr. 94 und Nr. 93).
Das Rittergut und das gleichnamige Dorf wurden im Zuge der Gemeindegebietsreform im 20. Jahrhundert an die Stadt Oederan angegliedert. Das Schloss, welches 1745 vollendet wurde, war mit dem weitläufigen Park, mit seinen Alleen und Anlagen ein beliebtes Ausflugsziel der Oederaner. Es wurde 1945 abgerissen.[08]


2. Bestandsgeschichte
Mit der Auflösung der Patrimonialgerichtsbarkeit im Jahr 1856 wurden die Akten des Patrimonialgerichts Börnichen an die verschiedenen, je nach territorialer Zuordnung zuständigen Amtsgerichte und Behörden übergeben. Diese Amtsgerichte und Behörden lieferten ihr archivwürdiges Schriftgut in das Hauptstaatsarchiv Dresden ab, wo Bestände nach den Ablieferungsprovenienzen gebildet wurden (sogenannte "Lagerungsgemeinschaften"). Dort fanden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Erschließungsarbeiten statt, wobei die auf unterschiedliche Lagerungsgemeinschaften verteilten Bestände "virtuell" zusammengeführt und auf Karteikarten verzeichnet wurden. Unterlagen des Patrimonalgerichts Börnichen fanden sich in den Lagerungsgemeinschaften Amtsgericht Oederan, Vorakten Amtshauptmannschaft Flöha und Vorakten Amtshauptmannschaft Zwickau.
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurden viele Gutsarchive, deren Eigentümer in der Regel in den Westen geflohen waren, von Archivpflegern gesichert und in die Bestände des Hauptstaatsarchivs Dresden aufgenommen. Diese Gutsarchivsbestände wurden mit den gleichnamigen Beständen der Patrimonialgerichte zusammengeführt. Zu den "virtuellen" Beständen der Patrimonialgerichte kamen so "reale Bestandsteile hinzu. Auch der Bestand der Grundherrschaft Börnichen war zweifach vorhanden: einmal "virtuell" als Patrimonialgerichtsbestand und zum anderen "real" als Gutsarchivsbestand.
Im Jahr 2002 wurde im Rahmen der neuen Beständezuordnung der Bestand Grundherrschaft Börnichen vom Hauptstaatsarchiv Dresden an das Staatsarchiv Chemnitz abgegeben und unter der Bestandssignatur 30612 in die Tektonik des Staatsarchivs Chemnitz eingegliedert. Der reale Teil (ca. 0,7 lfm) war mit 27 Akteneinheiten teilweise in einem Findbuch erschlossen. 13 Akteneinheiten waren unerschlossen. Der virtuelle Teil war durch Karteikarten erschlossen und befand sich in den Lagerungsgemeinschaften 39030 Amtsgericht Oederan, 39054 Vorakten Amtshauptmannschaft Flöha und 39070 Vorakten Amtshauptmannschaft Zwickau. Diese Bestände wurden ebenfalls im Jahr 2002 an das Staatsarchiv Chemnitz übergeben. Beide Teile des Bestandes wurden im Staatsarchiv Chemnitz zu einem einheitlichen realen Bestand zusammengeführt und einheitlich erschlossen.
Die endgültige Verzeichnung fand Anfang 2003 durch Franziska Roth im Rahmen eines Praktikums statt. Die Erschließung erfolgte nach den Richtlinien für die archivische Erschließung in Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden. Die Eingabe erfolgte in das Archiv-Programm Augias 7.2. Für das Findbuch wurde der Bestand klassifiziert. Die Akteneinheiten erhielten eine fortlaufende Nummerierung, die auf den eingeschlagenen Akteneinheiten festgehalten wurde. Eine Neuordnung wurde, abgesehen von der Herauslösung der entsprechenden Akteneinheiten aus den Lagerungsgemeinschaften, nicht vorgenommen. Die innere Ordnung der Akteneinheiten wurde beibehalten. Die Überlieferung umfasst 95 Akteneinheiten mit einem Umfang von ca. 2,10 lfm und einer Laufzeit von 1688 bis 1858.


3. Bestandsanalyse
Der Bestand beinhaltet die für eine Grundherrschaft zu erwartenden Teilaspekte Gutsbetrieb, Gerichtsherrschaft und Gemeindeverwaltung. Der Bereich Gutsbetrieb beschäftigt sich mit Erbschaftsangelegenheiten der Familie von Schönberg und in besonderem Maße mit der Gutswirtschaft. In großem Umfang handelt es sich hierbei um Rechnungsbücher und Rechnungsbelege. Es finden sich aber auch Pacht- und Kaufverträge, Anstellungsverträge sowie Verordnungen zum Brandschutz. Die Gerichtsherrschaft gliedert sich in freiwillige Gerichtsbarkeit (Pacht-, Kauf- und Testamentsprotokolle, Pacht- und Kaufverträge), zivile Gerichtsbarkeit (Rechtsstreitigkeiten die Familie von Schönberg mit ihren Gutsuntertanen) sowie Abgaben und Dienstpflichten (Ablösungsrezesse von Fronen der Gutsuntertanen). Der Bereich Gemeindeverwaltung spiegelt die gesellschaftlichen Veränderungen des 19. Jahrhunderts wider. Dies wird durch die Einführung von Landgemeindeverordnungen und der damit verbundenen Gemeindevorstandswahlen seit dem Jahr 1838 deutlich.
Der Großteil der Akteneinheiten weist eine Fadenheftung auf. Einige Akteneinheiten bestehen aus losen, zusammengelegten Blättern.
Ein Registratursystem des Patrimonialgerichts Börnichen ist in Ansätzen aus den vorhandenen Registraturvermerken zu rekonstruieren. Kaufprotokolle werden dem Cap. VII, Kaufverträge und Dismembrationen dem Cap. VI zugeordnet. Zur genaueren Differenzierung wird Lit. H (Hartha), Lit. M (Memmendorf), Lit. T (Testamente) oder der Anfangsbuchstabe des Namen des Verkäufers (im Fall von Kaufverträgen und Dismembrationen) angegeben. Im Bereich der Gutsverwaltung handelt es sich überwiegend um Rechnungsbücher und Rechnungsbelegsammlungen. Abgesehen von einer chronologischen Reihung ist kein Ordnungsschema erkennbar. Die Akten, die aus der Registratur des Amtsgerichts Oederan stammen, verfügen über eine durchgehende Registratursignatur (Reg.IV; V). Registraturhilfsmittel sind nicht vorhanden.
Der Erhaltungszustand entspricht der Schadensklasse 2. Bei einigen Akteneinheiten findet man Tintenfraß. Einige Akteneinheiten weisen manuelle Schäden und starke Gebrauchsspuren auf.
Eine Kassation wurde nicht vorgenommen. Die Akteneinheiten wurden in säurefreien, beschrifteten Kartons verpackt. Die Lagerung der Akteneinheiten erfolgt nach fortlaufenden Nummern, während das Findbuch über Springnummern verfügt.
Zum Zeitpunkt der Erschließung befand sich die Akte Nr. 1251 der Lagerungsgemeinschaft 39070 Vorakten Amtshauptmannschaft Zwickau noch im Hauptstaatsarchiv Dresden und konnte nicht mit in den Bestand aufgenommen werden.


4. Quellen und Literatur
Czok, Karl (Hg.), Geschichte Sachsens, Weimar 1989.

von Feilitzsch, Heinrich Erwin Ferdinand, Zur Familiengeschichte des Deutschen insbesondere des Meissnischen Adels von 1570 bis ca. 1820, Großenhain/ Leipzig 1896.

Groß, Reiner, Geschichte Sachsens, Berlin 2001.

Herschel, Klaus-Peter, Genealogisch-historische Streifzüge durch deutsche Fürsten- und Adelshäuser, Annaberg-Buchholz 2002.

Jeserich,K.G.A.; Pohl, H; von Unruh, G.C. (Hgg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, Vom Reichsdeputationshauptschluss bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, Stuttgart 1983.

Keller, Kathrin; Matzerath, Josef (Hgg.), Geschichte des sächsischen Adels, Köln 1997.

Rösler, Das Geschlecht von Schönberg, in: Mitteilungen des Roland, 1939, Heft 2, S. 33 – 39.

Schiffner, Albert, Handbuch der Geographie, Statistik und Topographie des Königreichs Sachsen, Bd.1, Leipzig 1839.

Schlesinger, Walter (Hg.), Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Sachsen, Bd.8, Stuttgart 1990.

Schulze, Hans K., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 1, Stuttgart/Berlin/Köln 1990.

Schumann, August, Vollständiges Staatspost- und Zeitungslexikon von Sachsen, Bd.1, Zwickau 1814, S. 438.

Wieck, Friedrich Georg, Sachsen in Bildern, Chemnitz 1990, S. 76.



[01] Die Einteilung bezieht sich auf Schlesinger, Karte im Einband
[02] Herschel, S. 138
[03] Herschel, S. 139
[04] Schulze, S. 97
[05] Schutz und Schirm: u.a. Erlass bzw. Verringerung der Abgaben bei wirtschaftlichen Notlage; Überlassung von Saatgut, Zuchtvieh, Baumaterial; Wahrung der Rechte vor Gericht; Schutz vor ungerechtfertigter Pfändung, Brandschatzung und Gewalt, aus: Schulze, S. 97
[06] am 7.11.1838 beschlossen; ab dem 1.5.1839 gültig, aus: Deutsche Verwaltungsgeschichte, S. 623
[07] ab 1864 wurden Gemeindewahlen zwar unter Aufsicht des Grundherrn durchgeführt, eine Bestätigung durch diesen war nicht mehr nötig, aus: Deutsche Verwaltungsgeschichte, S. 624
[08] Schiffner, S. 78
Groß, Reiner: Herrschaftliche Güter bis zur bürgerlichen Agrarreform: Beiheft zur Karte B II 1. Dresden/Leipzig, 2004, S. 25.
Gutsbetrieb.- Pacht und Verkauf.- Grundstücksangelegenheiten.- Rechnungen.- Gerichtsprotokolle.- Kaufprotokolle.- Handelsprotokolle.- Testamentsprotokolle.- Zivilgerichtsbarkeit.- Abgaben und Dienste.- Gemeindeverwaltung.
Die Grundherrschaft Börnichen befand sich nordwestlich von Oederan. Das Rittergut wurde 1551 erstmals erwähnt und gehörte mit 14.747,41 Steuereinheiten zu den Gütern mittlerer Größe in Sachsen. Es war ein schriftsässiges Rittergut. Der Grundherr besaß die Ober- und Erbgerichtsbarkeit über seine Untertanen. Das Rittergut besaß die Gerichtsbarkeit über Güter in Börnichen (bei Oeder-an), Hartha (bei Oederan), Memmendorf und Schönerstadt. Mit der Verstaatlichung der Justiz in Sachsen ging die Gerichtsbarkeit des Ritterguts im Jahr 1855 an das Königliche Gericht Oederan.
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  • 2009 | Findkartei für 0,07 lfm
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