Hauptinhalt

Beständeübersicht

Bestand

30944 VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt

Datierung1920 - 1995
Benutzung im Staatsarchiv Chemnitz
Umfang (nur lfm)47,34

Bestand enthält auch 86 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

1. Geschichte des VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt und seiner Vorgängerbetriebe
Übersicht über die Entwicklung:
1891: Eisengießerei G. Krautheim Chemnitz[01]
1945: Metallurgische Aktiengesellschaft vorm. G. Krautheim
1947: Abteilung der Sowjetischen Staatlichen Aktiengesellschaft "Marten" in Deutschland, Werk: Stahl- und Eisengießerei vorm. G. Krautheim
1954: VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt
1963: VEB Gießerei "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt
1969: VEB Kombinat Stahlguss Karl-Marx-Stadt
1979: VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt
1990: Eisen- und Stahlgießerei Chemnitz GmbH

Gustav Krautheim gründete 1888 eine kleine Tempergießerei mit fünf Arbeitern in einem gemieteten Raum in der Zwickauer Straße in Chemnitz. Nach dem Umzug in eine eigene Gießerei nach Altendorf begann 1891 die Geschichte der Firma Eisengießerei G. Krautheim, die zunächst nur Temperguss herstellte. Im Jahr 1896 wurde als erste in Deutschland eine Kleinbessemerei errichtet und von nun an Stahlguss hergestellt. Im Oktober 1915 begann in Borna der Bau einer neuen Stahlgießerei, die in drei Bauabschnitten bis 1918 fertig gestellt wurde. 1916 wurde dort die von Altendorf verlegte Bessemerei in Betrieb genommen. Nachdem im Werk Altendorf die Herstellung von Grauguss aufgenommen wurde, stellte die Firma ab 1919 sowohl Temperguss und Grauguss (Werk Altendorf) wie auch Stahlguss (Werk Borna) her. Im Jahr 1920 waren im Werk Altendorf rund 350 Arbeiter und Angestellte beschäftigt. Die Produktionsmenge betrug monatlich etwa 150 t Grauguss und 80 t Temperguss. Im Bornaer Werk gab es rund 1.100 Beschäftigte und man stellte monatlich ca. 950 t Stahlguss her. Nach dem Tod von Gustav Krautheim im Jahr 1926 wurde das Werk Altendorf von Willy Wagner und das Bornaer Werk von Albrecht Richter geleitet. 1929 übernahm Willy Wagner die Leitung der Firma allein und die Tempergießerei siedelte nach Borna um. In der Stahlgießerei wurden bis zu Kriegsbeginn hauptsächlich folgende Erzeugnisse hergestellt: Dynamoteile, Zahnräder, Kammwalzen, Walzenringe, Radkörper, Waggonteile, Kolben, landwirtschaftliche Teile, Scherenkörper, Ventilgehäuse und als Spezialfabrikation Achsbüchsen, welche erstmalig in Zusammenarbeit mit der Deutschen Reichsbahn aus Stahlguss, anstatt wie bisher aus Grauguss gefertigt wurden. Die Erzeugnisse in der Tempergießerei bestanden aus Teilen für Maschinenbau, Landwirtschaft und Textilindustrie, Isolatorenkappen, Schraubenschlüssel und Armaturen. Außerdem zählten Mangan-Hartstahlguss und komplette Steinbrecher-Maschinen zu Lieferprogramm. Im Kundenauftrag wurden in der mechanischen Werkstatt Teil- und Komplettbearbeitungen der Gussstücke durchgeführt. Während des 2. Weltkrieges wurden Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter[02] zu Hilfsarbeiten in beiden Werksteilen herangezogen, die Rüstungsfabrikation zu ermöglichen.

Das Aktienkapital von 2.000.000 Reichsmark der Firma Krautheim verteilte sich 1945 wie folgt:
* Frau Klein, Olberdorf/Allgäu: 778.200 RM
* Zangger-Weber, Uster (Schweiz): 400.000 RM
* Frau E. Vieweg, Chemnitz: 261.000 RM
* Paul Vieweg Erben, Chemnitz: 100.000 RM
* K. Schnicke, Chemnitz: 71.000 RM
* W. Wagner, Chemnitz: 46.000 RM
* M. Beutlers Erben, Chemnitz: 42.000 RM
* Tittmann, Chemnitz: 9.000 RM
* übrige unbekannte Besitzer: 292.800 RM

Im März 1945 wurde das Werk Borna durch einen Fliegerangriff zu 60% zerstört und nach Kriegsende und dem Zusammenbruch Deutschlands wurden die Werke Borna und Altendorf teilweise demontiert. Im Jahr 1946 erfolgte die allmähliche Inbetriebnahme der beiden Werke und durch eine Direktive der sowjetischen Militäradministration am 1. Dezember die Enteignung und der weitere Ausbau. Der Betrieb wurde auf Befehl Nr. 50 1946 zur Reparationsleistungen von 4.100 t Grau-, Stahl- und Manganguss an den Generalunternehmer Polysius, von 400 t Stahlguss an den Generalunternehmer Krupp-Gruson und zur Lieferung von Ausrüstungen für Zementfabriken auf das Reparationskonto verpflichtet.[03] In Borna konnte im Jahr 1946 der erste Siemens-Martin-Ofen überhaupt in der SBZ wieder in Betrieb genommen werden. Die Bezeichnung der Eisengießerei G. Krautheim AG nach Kriegsende ist unklar. Einerseits firmierte sie als Metallurgische Aktiengesellschaft G. Krautheim aber auch (ab 1946) als Stahl- und Eisengießerei vorm. G. Krautheim der Abteilung der Staatlichen Sowjetischen Aktiengesellschaft (SAG) "Marten". Die offizielle Zuordnung zur SAG "Marten"[04] erfolgte jedoch erst nach der Enteignung mit der Übernahme-/Übergabeverhandlung am 27. März 1947[05] . Der Wert wurde dabei mit 5.829.695,90 Reichsmark angegeben.[06] . 1952 waren der Bornaer Schmelzbetrieb, die Stahlgießerei und Nebenbetriebe in der Lage monatlich bis zu 600 t Blöcke und 2.000 t unlegierten und mit Silizium, Mangan, Chrom, Molybdän oder Vanadin legierten Stahlguss hauptsächlich als Rohguss und teilweise als einbaufertiger Waggonguss herzustellen. Die Tempergießerei lieferte monatlich bis zu 130 t Rohguss. In Altendorf stellte die Graugießerei monatlich rund 750 t Grauguss her und erzeugte hauptsächlich Gussstücke für Werkzeugmaschinen, Zementfabriken, Krananlagen, Getriebe, Pumpen sowie die elektrische Industrie und die Landwirtschaft. In der mechanischen Abteilung wurden überwiegend Achsbüchsen, Lagerschalen sowie Teile für die Elektroindustrie fertig bearbeitet und die Metallgießerei erzeugte monatlich rund 25 t Bronze, Rotguss und Aluminiumbronze für Zahnräder, Schneckenräder, Radkränze und Teile für die Textilindustrie. Zu Anfang des Jahres 1952 waren in Borna rund 2.400 und in Altendorf rund 500 Arbeiter und Angestellte beschäftigt.
Mit Auflösung der SAG in Deutschland wurde das Werk zum 1. Januar 1954 in den Besitz der DDR übereignet und firmierte als VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt. Auf Anweisung[07] des Generaldirektors des übergeordneten Verwaltungsorgans, der VVB Gießereien Leipzig, wurde der VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt zum 30. Juni 1963 aufgelöst und zum 1. Juli 1963 in den neugegründeten Gießereigroßbetrieb VEB Gießerei "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt eingliedert. Zu diesem volkseigenen Großbetrieb fasste man 1963 die Werke von folgenden Standorten zusammen:

Werke des VEB "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt (1963-1969)
* Werk I, Sandstraße 16
* Werk II, Bernhardstraße 96
* Werk III, Zwickauer Straße 119 – 125
* Werk IV, Scheffelstraße 133
* Werk V[08], Frankenberg
* Werk VI, Schiersandstraße 3 – 15
* Werk VII, Annaberger Straße 351 (Schließung 1968)
* Werk VIII, Annaberger Straße 114 (Lehrwerk)
* Werk IX, Hainichen (Schließung 1965)

Die Werke I und II (Metall- und Stahlgießerei) wurden zum 1. Januar 1969 aus dem VEB Gießerei "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt ausgegliedert.[09] Diese bildeten im neugegründeten VEB Kombinat Stahlguß Karl-Marx-Stadt, der als Rechtsnachfolger der beiden Werke galt, den Stammbetrieb. In das Kombinat wurden die Betriebe VEB Stahlgießerei Elstertal Silbitz, VEB Stahlwerk "Georg Schwarz" Olbersdorf,VEB Stahlwerk Frankleben und VEB Gießerei Copitz aufgenommen. Die Kombinatsbetriebe waren juristisch unselbständig. Der Direktor des Stammbetriebes fungierte gleichzeitig als Kombinatsdirektor. Unterstellt war der Betrieb der VVB Gießereien Leipzig. Der VEB Kombinat Stahlguss war im Kombinat gleichzeitig der Leitbetrieb der Erzeugnisgruppe Stahlguss und der Kombinatsbetrieb VEB Gießerei Copitz war Leitbetrieb der Erzeugnisgruppe Elektroschaltgeräte-, Elektromotoren- und Büromaschinenguss. Seit dem 1. Januar 1975 besaßen die Kombinatsbetriebe Rechtsfähigkeit und der VEB Gießereimodelle Karl-Marx-Stadt stieß als Kombinatsbetrieb hinzu, wurde jedoch am 1. Januar 1976 in den Stammbetrieb eingegliedert.

Betriebe des VEB Kombinat Stahlguss Karl-Marx-Stadt 1969-1978
* VEB Kombinat Stahlguss Karl-Marx-Stadt (Stammbetrieb)
* VEB Stahlgießerei Elstertal Silbitz
* VEB Stahlwerk Frankleben
* VEB Gießerei Copitz
* VEB Stahlwerk "Georg Schwarz" Olbersdorf

Zum 31. Dezember 1978 erfolgte die Auflösung des VEB Kombinat Stahlguß Karl-Marx-Stadt. Er ging zum 1. Januar 1979 in den Rechtsnachfolger VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt über und wurde als Kombinatsbetrieb dem VEB Kombinat Gießerei- und Gußerzeugnisse (GISAG) Leipzig zugeordnet. Am 1. Oktober 1987 erfolgte die Ausgliederung aus dem VEB Kombinat GISAG und die Eingliederung in den VEB Kombinat Schienenfahrzeugbau Berlin. Am 11. Juli 1990 wurde der VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt vom Amts wegen aus dem Handelsregister gelöscht. Als Rechtsnachfolger fungierte die Eisen- und Stahlgießerei Chemnitz GmbH.

Betriebsleitung:
1945- min. 1947: Ernst August Driesen (Chefdirektor, Werk Borna)
1946-1955: Carl Arthur Sicker (Werkdirektor, Werk Altendorf)
1948-1949: Bulgakow (Generaldirektor)
1950-1953: A.I. Prochorow (Generaldirektor)
1956-(1964?): Metzler (Werkdirektor)
1964: Heinz Böcker (Werkdirektor)
1965-1969: Günter Siegel (Werkdirektor)
1969: Henry Sonntag (Werkdirektor)
1969-1978: Günter Tröger (Kombinatsdirektor)
1979-1990: Günter Tröger (Betriebsdirektor)


2. Bestandsgeschichte
Der vorliegende Bestand ist ein zusammengefasster Bestand von drei verschiedenen Abgabeprovenienzen. Der bereits im Staatsarchiv Chemnitz vorhandene Bestand 30944 VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt einschl. Vorg. u. Nachf. (2,40 lfm. Kartei) wurde neu verzeichnet. Der ebenfalls im Staatsarchiv vorhandene Bestand 30945 VEB Kombinat Stahlguss, Stammbetrieb, Karl-Marx-Stadt (1,90 lfm. Abgabeverzeichnisse) wurde aufgelöst und in den Bestand 30944 integriert. Der dritte Teilbestand von ca. 70 lfm, ca. 100 technischen Zeichnungen, ca. 1.000 Fotos, ca. 50 Glasplatten, ca. 50 Drucksachen, ca. 50 Büchern und Zeitschriften wurde am 18.05.2005 aus dem ehemaligen Betriebsarchiv des VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt (Zug. Nr. 69/05.- VMB 188/05) ohne Findmittel übernommen. Es wurde dabei nur ein Bruchteil der vorgefunden Überlieferung aus dem Betriebsarchiv übernommen. Die Selektion erfolgte auf Grund augenscheinlichen vermuteten Bedeutungsgehaltes. Die im übernommenen Bestand enthaltenen Unterlagen der Firma G. Krautheim Chemnitz (VBM 189/05) und G. Anderegg Frankenberg (VMB 190/05) wurden aussortiert und den Beständen 30942 und 30946 zugeordnet,[10] die Bücher und Zeitschriften der Bibliothek des StAC übergeben. Die beiden schon im Staatsarchiv befindlichen Bestände wurden nach Bär'schen Prinzip neu verzeichnet und eine Konkordanz angelegt. Bei inhaltlicher Übereinstimmung einiger Akten erfolgte eine Zusammenfassung. Titel mussten vereinzelt neu gebildet werden. Erkennbare Registratursignaturen wurden bei der Erschließung und Verzeichnung mit aufgenommen.
Die vereinfachte Verzeichnung fand vom Juli bis November 2005 durch Herrn Tommy Schmucker im Rahmen eines Projektes statt. Die Erschließung erfolgte mit Hilfe des Archiv-Programms Augias 7.4. Für das Findbuch wurde der Bestand nach zwei Gesichtspunkten klassifiziert: Die erste Klassifikationsgruppe entspricht der Provenienz. Die zweite Klassifikationsgruppe entspricht einer sachlichen Gruppierung, die nach dem Ordnungsmodell für Betriebe festgelegt und durch weitere nötige Untergliederungen differenziert wurde. Die Akteneinheiten erhielten eine fortlaufende Nummerierung nach Bär'schem Prinzip. Die innere Ordnung wurde, soweit erkennbar, beibehalten. Kassiert wurden ca. 2,45 lfm Doppelstücke und ca. 0,90 lfm EDV-Ausdrucke von Abrechnungsunterlagen. Die Akteneinheiten wurden in Pallien verpackt, mit Signaturen beschriftet und in säurefreie Kartons verpackt. Einige Akten des Bestandes sind der Schadensklasse 2 und 3 zugeordnet, da sie teilweise lagerungsbedingte mechanische Schäden, Wasserschäden und vereinzelt leichten Schimmelbefall aufweisen. Die verzeichnete Überlieferung der Sachakten (ohne Sammlungsgut und Bilder) umfasst nach der Bearbeitung 3.805 Akteneinheiten mit einem Umfang von ca. 38,60 lfm aus dem Zeitraum von 1943 bis 1993. Einige Akten enthalten personenbezogene Daten und Unterlagen aus der Zeit nach dem 3. Oktober 1990, so dass entsprechende Schutzfristen nach § 10 SächsArchivG beachtet werden müssen.


3. Bestandsanalyse
Im Bestand finden sich hauptsächlich Unterlagen zu folgenden Themen und Teilaspekten:
* Leitungsplanung und Organisation des VEB und Kombinat
* Innerbetrieblicher Schriftverkehr und Korrespondenzen
* Analysen
* Monats-, Quartals- und Jahresberichte
* SMAD-Befehle
* Gesetze und Mitteilungen des weisungsgebenden Ministeriums
* Betriebsabrechnungen
* Beratungsvorlagen und -protokolle
* Prozessunterlagen und Klagesachen
* Funktionspläne
* Strukturpläne
* Sozialistischer Wettbewerb
* Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz
* Betriebssicherheit
* Auszeichnungen
* Arbeitskräfte
* Brigadeunterlagen
* Betriebskollektivverträge
* Betriebsarztunterlagen, Kuren und Krankenstand
* Lohnsachen
* Jugendausbildung und -förderung
* Planungsunterlagen
* Erzeugnisgruppe Stahlguss
* Bilanzen
* Kennziffern
* Gesellschaftliche Arbeit von FDJ, DSF, BPO, SED, NVA und BGL
* Forschungs- und Entwicklungsarbeit
* Patentsachen
* Reiseberichte
* Produktionsmengen
* Materiallieferungen und Verbrauch
* Preise
* Projektierungsunterlagen
* Investitionen und Rekonstruktionen
* Demontage und Reparation
* Verträge
* Rentenanwärter
* Rezepturenkartei der Betriebsküche
* Unterlagen zur Umwandlung in eine GmbH

Durch den Zeitraum der Überlieferung des Betriebes und des Vorgängers[11] (gut 100 Jahre Entwicklungszeitraum seit Gründung der Eisengießerei bis zum Zusammenbruch der DDR und der Umwandlung in eine GmbH) können mögliche Entwicklungslinien und -tendenzen nachgezeichnet werden. Besonders die im Bestand überlieferten Unterlagen aus der Zeit nach dem Krieg geben Einblick in die Demontage des Betriebes und die Schwierigkeiten und Probleme bei dessen allmählichen Wiederaufbaus und Inbetriebnahme im Verbund einer Staatlichen Sowjetischen Aktiengesellschaft. Sowohl in Fragen der politischen Arbeit (Aktivisten- und Selbstnormbewegung, Jugendbrigaden, DSF-Betriebsgruppen) als auch bei Sozialeinrichtungen (Betriebskindergarten, Erholungsheime) scheint der Betrieb eine Vorreiterrolle in der jungen DDR gespielt zu haben. Die Betriebszeitung "Der Kupolofen" erschien ab 1948. Eine spezielle Sicht auf die Geschichte des VEB Stahlgießerei oder auf die weitere Entwicklung der ehemaligen Eisengießerei G. Krautheim wird allerdings durch Produktionsverlagerungen, Werksteilübernahmen und -schließungen erschwert. Vor allem innerhalb des Großbetriebes VEB Gießerei "Rudolf Harlaß" und des VEB Kombinat Stahlguss kamen Produktionsverlagerung, Werksteilschließungen und -übernahmen vor. Die Überlieferungen dieser beiden Provenienzen haben thematisch oft großbetriebs- oder kombinatsweiten Charakter.


3.1. Der Bildbestand
Bei der Bergung des ehemaligen Betriebsarchivs des VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt im Jahr 2005 konnte eine große Anzahl historischer Aufnahmen, in der Hauptsache Schwarzweiß-Abzüge, zu unterschiedlichen Teilabschnitten der Firmengeschichte gerettet werden. Findmittel oder Systematik zählten auch hier leider nicht dazu. Zum weit überwiegenden Teil wurden die Fotos völlig unsortiert übernommen. Um den Bestand zu vervollständigen, wurde das Bildmaterial von Herrn Dirk Schmerschneider von Juli bis August 2006 gesichtet, nach Zeitabschnitten und Motiven geordnet, nach Bedarf gereinigt, einzeln verpackt oder aussortiert und entsprechend verzeichnet. Insgesamt befinden sich damit 2.540 Schwarzweiß-Positive, 330 Negative und 5 Farb-Positive im Bestand. Es wurden über 80 neue Signaturen vergeben und der Gesamtbestand erhöhte sich um 1,1 lfm. Bereits eingearbeitetes Bildmaterial musste im Zuge gewonnener Erkenntnisse teilweise neu zugeordnet werden, wodurch sich auch Änderungen im Bestand 30942 "Eisengießerei G. Krautheim AG, Chemnitz" ergaben. Das Bildmaterial wurde innerhalb der jeweiligen Zeitabschnitte, entsprechend Klassifikationsgruppe 1, geordnet nach folgenden Motiven:
Personen, Innen- bzw. Außenaufnahmen, technische Anlagen, Produkte (Gusserzeugnisse), Fotoserien und Sonstige.
Naturgemäß kommt es hier zu Überschneidungen, so dass der Nutzer bei der Suche nach bestimmten Motiven keine Kategorie von vornherein ausschließen sollte. Gelegentlich schien eine weitere Unterteilung dieser Motivgruppen sinnvoll. Innerhalb der Klassifikationsgruppe "Fotos" stellen die Abbildungen von Gusserzeugnissen die mit Abstand umfangreichste Kategorie dar, gefolgt von Aufnahmen von Personen und Gruppen.
Bei einer Anzahl von Fotografien war es unmöglich, diese genau zu datieren und sie mit letzter Sicherheit den korrekten Abschnitten in Klassifikationsgruppe 1 zuzuordnen. Der weitaus größte Teil des Bildmaterials war un- und teilweise falsch beschriftet. Betriebs- oder Fotografenstempel gaben Hinweise, wobei es wiederum nicht auszuschließen ist, dass es sich um Abzüge älterer Aufnahmen handelt. Als Anhaltpunkte zur Einordnung wurden Firmenveröffentlichungen wie Kataloge, Werbeschriften, Betriebszeitungen oder geschichtliche Abrisse[12] herangezogen, wobei sich zeigte, dass darin bestimmte Motive mehrfach[13] und/oder fälschlich[14] verwendet worden waren. Mitunter war der Abgleich mit im Bestand befindlichen technischen Zeichnungen und komplett erhaltenen Fotoalben sowie die Befragung von Zeitzeugen hilfreich. Der Nutzer sollte stets kritisch prüfen, wie wahrscheinlich die Korrektheit der Datierung des Bildmaterials ist.
Der Betrieb verfügte über ein eigenes Fotolabor und Personal, um regelmäßig Aufnahmen anfertigen zu lassen, was die große Anzahl von Fotos und Negativen erklärt. Allgemein erfährt der Bestand durch das eingearbeitete Bildmaterial eine erhebliche Aufwertung, da ein visueller Einblick in beispielsweise die Betriebsentwicklung, Produktionsmethoden und Produkte oder auch in das soziale Umfeld der Beschäftigten in Momentaufnahmen möglich wird. Der Vergleich von retuschiertem Abbild und Original demonstriert die Wichtigkeit der quellenkritischen Betrachtung veröffentlichten Bildmaterials. Punktuell kann die Entstehung derartiger Firmenveröffentlichungen nachvollzogen werden, da in einigen Fällen die Originalaufnahme, retuschierte Versionen, Druckvorlage und fertige Publikation vorliegen.


4. Quellen und Literatur
100 Jahr Gießereitradition. Chemnitz, Von der Kappler Drehe zur Flender Guss GmbH Wittgensdorf, 1998 Wittgensdorf.

Der Kampf um die Macht. Beiträge zur Geschichte des VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt. Eigenverlag, 1979.

Staatsarchiv Chemnitz, 30944 VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt und Vorgänger, Nr. 677
Staatsarchiv Chemnitz, 30944 VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt und Vorgänger, Nr. 577


5. Abkürzungen
Die Aufstellung beinhaltet die am häufigsten in den Akten vorkommende Abkürzungen unterschiedlichsten Zusammenhangs, sowohl offizieller, als auch informeller Art.

ABI|-----||-----|Arbeiter- und Bauerninspektion
AGL|-----||-----|Arbeitsgruppenleiter
APO|-----||-----|Abteilungsparteiorganisation
AS|-----||-----|Arbeitsschutz
AWG|-----||-----|Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft
BAB|-----||-----|Betriebsabrechnungsbogen
BfN|-----||-----|Büro für Neuererwesen
BGL|-----||-----|Betriebsgewerkschaftsleitung
BKV|-----||-----|Betriebskollektivvertrag
BPO|-----||-----|Betriebsparteiorganisation
DRK|-----||-----|Deutsches Rotes Kreuz
DRV|-----||-----|Demokratische Volksrepublik Vietnam
EKG|-----||-----|Elektrokardiogramm
EZ(G)|-----||-----|Erzeugnis-(gruppe)
FDGB|-----||-----|Freier Deutscher Gewerkschaftsbund
FDJ|-----||-----|Freie Deutsche Jugend
FUG|-----||-----|Fachuntergruppe
F/E|-----||-----|Forschung/Entwicklung
FW|-----||-----|Fotowerkstatt
GAB|-----||-----|Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz
GD|-----||-----|Generaldirektor
GISAG|-----|Gießereianlagenbau und Gusserzeugnisse
GST|-----||-----|Gesellschaft für Sport und Technik
HM|-----||-----|Hauptmechaniker
IVE|-----||-----|Investorenentscheidung
IZ|-----||-----|Interne Zusammenarbeit
KD|-----||-----|Kombinatsdirektor
KdT|-----||-----|Kammer der Technik
KK|-----||-----|Konfliktkommission
KoKo|-----||-----|Konfliktkommission
KOKO|-----||-----|Kontokorrentrechnung
K/A|-----||-----|Kader/Auszeichnungen
KZ|-----||-----|Kaltzähler
LKR|-----||-----|Lochkartenrechner
MAK|-----||-----|Material-, Ausrüstungs- und Konsumgüterbilanz
MAWI|-----||-----|Materialwirtschaft
MMM|-----||-----|Messe der Meister von Morgen
MVN|-----||-----|Materialverbrauchsnormung
NfD|-----||-----|Nur für den Dienstgebrauch
NVA|-----||-----|Nationale Volksarmee
OdF|-----||-----|Opfer des Faschismus
ORZ|-----||-----|Organisations- und Rechenzentrum
ÖA|-----||-----|Öffentlichkeitsarbeit
PE|-----||-----|Planentwurf
PLUS|-----||-----|Planung und Steuerung der Produktion
PML|-----||-----|Pentaendmutterlauge
PWTI|-----||-----|Plan Wissenschaft, Technik und Invest(itionen)
RKV|-----||-----|Rahmenkollektivvertrag
SAG|-----||-----|Sowjetische staatliche Aktiengesellschaft
SGK|-----||-----|Schutzgütekommission
Sinafo|-----||-----|Silbitzer-Nassguss-Formverfahren
SMAD|-----||-----|Sowjetische Militäradministration in Deutschland
SM-Ofen|-----|Siemens-Martin-Ofen
SOPS|-----||-----|Sachgebietsorientiertes Programmiersystem
STAL|-----||-----|Staatliche Planauflagen
TIK|-----||-----|Territoriale Interessengemeinschaft
TOM|-----||-----|Technisch-organisatorische Maßnahmen
TÖZ|-----||-----|Technisch-ökonomische Zielstellung
USIG|-----||-----|Verwaltung für sowjetisches Vermögen in Deutschland
VEB|-----||-----|Volkseigener Betrieb
VVB|-----||-----|Vereinigung Volkseigener Betriebe
VWP|-----||-----|Volkswirtschaftsplan
WB|-----||-----|Weiterbildung
WAO|-----||-----|Wissenschaftliche Arbeitsorganisation
WP|-----||-----|Warenproduktion
WP|-----||-----|Wirtschaftspatent
WP|-----||-----|Wirtschaftsplan
WTZ|-----||-----|Wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit
ZPL|-----||-----|Zentrale Parteileitung



[01] Dieser Bestand befindet sich ebenfalls im Staatsarchiv Chemnitz: Bestand 30942.
[02] Im Jahr 1945 betrug die Gesamtzahl die Zwangsarbeiter 330 Personen, die in drei Gefangenenlagern festgehalten wurden (im Gasthof "Blankenburg" in Borna waren Polen, Franzosen, Belgier, Italiener und Holländer, in der "Alten Mühle" sowjetische Frauen und im alten Garagengebäude sowjetische Männer untergebracht).
[03] 30944, Nr. 577.
[04] Die Übergabe erfolgte aufgrund des Befehls Nr. 310 vom 30.10.1946 der sowjetischen Militäradministration für das Bundesland Sachsen. Siehe 30944, Nr. 677.
[05] StAC 30944:677, Notarielle Beglaubigung der Übergabe-/Übernahmeverhandlungen. In dem Jubiläumsheft der Flenderguss GmbH Wittgensdorf: 100 Jahr Gießereitradition. Chemnitz, Von der Kappler Drehe zur Flender Guss GmbH Wittgensdorf, 1998 Wittgensdorf, wird die offizielle Zuordnung zur SAG auf den 5. August 1947 datiert.
[06] 30944, Nr. 677.
[07] 4. Juni 1963.
[08] Bei Werk V handelte es sich um den ehemaligen VEB Eisengießerei Frankenberg, ehemals Fa. Gottfried Anderegg Eisengießerei, dessen Bestand sich unter 30946 ebenfalls im Sächsisches Staatsarchiv Chemnitz befindet.
[09] Das ehemalige G.-Krautheim-Werk in Altendorf (und somit auch VEB Stahlgießerei-Werksteil) verbleibt als Werk VI weiterhin beim VEB "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt. Der VEB "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt geht zum 1. Juli 1970 als Zulieferbetrieb in den VEB Werkzeugmaschinenbaukombinat "7. Oktober" Berlin ein und verliert die juristische Selbständigkeit.
[10] Eisengießerei G. Krautheim AG, Chemnitz: StAC, Bestand 30942; Gottfried Anderegg, Stahl- und Eisengießerei, Frankenberg: StAC, Bestand 30946.
[11] Siehe StAC, Bestand 30942 der Eisengießerei G. Krautheim A.G.
[12] Siehe Akten Nr. 3695 und 2018.
[13] Besonders für den Zeitabschnitt bis 1953 (SAG Marten) wurde auf Vorkriegsmaterial der Firma G. Krautheim AG (Bestand 30942) zurückgegriffen.
[14] so beispielsweise eine Abbildung in der Publikation "Der Kampf um die Macht. Beiträge zur Geschichte des VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt", S. 22, wo die Bildunterschrift von der Beschriftung des vorhandenen Originals irreführend abweicht.
Bohmann, Heiko: Keine „ganz normale“ Aktenübernahme, in: Sächs. Archivblatt, Heft 1/2006.

Viola Dörffeldt: 100 Jahre Chemnitzer Gießereigeschichte, in: Sächs. Archivblatt, Heft 1/2007.

Heinz Dieter Uhlig: Die SAG MARTEN in Chemnitz - eine Form von Reparationsleistungen, in: Museumskurier 12/2013.

Heinz Dieter Uhlig: Rekonstruktion des Stahlwerkes Borna 1969 - 1976, in: Museumskurier 40/2017

Autorenkollektiv: der Kampf um die Macht. Beiträge zur Geschichte des VEB Stahlgießerei Chemnitz/Karl-Marx-Stadt, 1916-1953, Teil 1, Karl-Marx-Stadt 1979, StA-C Bestand 31602, Nr. V 7/225/1-2.
Leitung, Planung und Organisation.- Innerbetrieblicher Schriftverkehr. - Analysen.- Monatsberichte.- Quartalsberichte.- Jahresberichte.- SMAD-Befehle.- Gesetze und Mitteilungen des weisungsgebenden Ministeriums.- Betriebsabrechnungen.- Beratungsvorlagen.- Beratungsprotokolle.- Prozessunterlagen und Klagesachen.- Funktionspläne.- Strukturpläne.- Sozialistischer Wettbewerb.- Gesundheitsschutz.- Arbeitsschutz.- Brandschutz.- Betriebssicherheit.- Auszeichnungen.- Arbeitskräfte.- Brigadeunterlagen.- Betriebskollektivverträge.- Betriebsarztunterlagen.- Kuren.- Krankenstand.- Lohnsachen.- Ausbildung.- Jugendförderung.- Planungsunterlagen.- Erzeugnisgruppe Stahlguss.- Bilanzen.- Kennziffern.- Gesellschaftliche Arbeit von FDJ, DSF, SED, NVA und BGL.- Betriebsparteiorganisation.- Forschungsarbeiten.- Entwicklungsarbeit.- Patentsachen.- Reiseberichte.- Produktionsmengen.- Materiallieferungen.- Verbrauch.- Preise.- Projektierungsunterlagen.- Investitionen.- Rekonstruktionen.- Demontage.- Reparationen.- Verträge.- Rentenanwärter.- Rezepturenkartei der Betriebsküche.- Umwandlung in eine GmbH.
Vorgängerbetrieb ist die Eisengießerei G. Krautheim AG, Chemnitz mit den Werken in Borna und Altendorf. Nach der Enteignung 1946 firmierte das Unternehmen zunächst noch als Metallurgische Aktiengesellschaft G. Krautheim, ab 1946 als Stahl- und Eisengießerei vorm. G. Krautheim der Abteilung der Staatlichen Sowjetischen Aktiengesellschaft (SAG) "Marten". Die offizielle Zuordnung zur SAG "Marten" erfolgte jedoch erst mit der Übernahme-/Übergabeverhandlung am 27. März 1947. Mit Auflösung der SAG in Deutschland ging das Werk zum 1. Januar 1954 in den Besitz der DDR über und firmierte als VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt. Zum 1. Juli 1963 wurde der VEB zum Stammbetrieb und Sitz der Werkleitung des neu gegründeten Gießereigroßbetriebs VEB Gießerei "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt. Ihm wurden die 5 Gießereien des VEB Vereinigte Gießereien Chemnitz und die Eisengießerei Frankenberg mit dem Zweigwerk in Hainichen zugeordnet.
Die Werke I und II (Metall- und Stahlgießerei) wurden zum 1. Januar 1969 aus dem VEB Gießerei "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt ausgegliedert. Diese bildeten im neugegründeten VEB Kombinat Stahlguss Karl-Marx-Stadt den Stammbetrieb. Zum 31. Dezember 1978 erfolgte die Auflösung des VEB Kombinat Stahlguss Karl-Marx-Stadt. Rechtsnachfolger wurde der VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt. Am 1. Oktober 1987 erfolgte die Ausgliederung aus dem VEB Kombinat GISAG und die Eingliederung in den VEB Kombinat Schienenfahrzeugbau Berlin. Am 11. Juli 1990 wurde der VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt aus dem Handelsregister gelöscht. Rechtsnachfolger war die Eisen- und Stahlgießerei Chemnitz GmbH.
Der Bestand enthält folgende Provenienzen: SAG "Marten" Gießerei Chemnitz (1945 - 1953), VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt (1954 - 1963), VEB Gießerei "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt (1963 - 1969) und VEB Kombinat Stahlguss Karl-Marx-Stadt (1969 - 1978).
Bis 2021 trug der Bestand den Namen: VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt und Vorgänger.
  • 2015 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
Sitemap-XML zurück zum Seitenanfang