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Beständeübersicht

Bestand

32888 Bergbaustaatsanwalt Karl-Marx-Stadt

Datierung1950 - 1977
Benutzung im Staatsarchiv Chemnitz
Umfang (nur lfm)14,05

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1. Geschichte des Bergbaustaatsanwalts in Karl-Marx-Stadt
Am 26. Februar 1949 ordnete das sächsische Justizministerium an, dass mit sofortiger Wirkung in Siegmar-Schönau eine neue Abteilung des Amtsgerichts Chemnitz zu errichten sei. Dieser wurde "die Erledigung aller Strafsachen aus den Bezirken der Amtsgerichte Annaberg, Aue, Brand-Erbisdorf, Chemnitz, Marienberg, Schneeberg und Schwarzenberg übertragen ..., die zur Zuständigkeit des Amtsrichters und des Schöffengerichtes gehören und Straftaten deutscher Angestellter und Arbeiter der sowjetischen Wismut A.G. betreffen, sowie alle Straftaten ohne Rücksicht auf die Person des Täters, [bei denen] die Wismut A.G. die Verletzte ist"[01]. Durch Anordnungen vom 4. Juni 1949 und 25. März 1950 wurde diese – wohl abweichend von der ursprünglichen Planung in Chemnitz – neu gebildete "Strafabteilung 47/48" auf die Amtsgerichtsbezirke Auerbach und Freital bzw. Augustusburg, Limbach, Stollberg und Zwickau einschließlich der Jugendgerichtsbarkeit ausgeweitet[02]. Obwohl dies in den bisher bekannten Unterlagen nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist in dem sich institutionell in dieser Zeit ausbildenden "Bergbaustaatsanwalt" die für diese Gerichtsbarkeit zuständige Anklagebehörde zu sehen. Über das Ende dieser bislang kaum erforschten Stelle liegt bislang nur eine Notiz vom 21. November 1962 vor: Darin wurde zur "Begründung für die Auflösung der Bergbaustaatsanwaltschaft und der für die SDAG Wismut zuständigen Gerichte" die mangelnde Notwendigkeit zur Geheimhaltung sowie der Rückgang des Arbeitsaufkommens angeführt; unwirtschaftlich sei auch die Konzentration der Verfahren am Gerichtsort Karl-Marx-Stadt, zumal für den Staatsanwalt der Außenstelle Gera. Stattdessen sollten bisherige Mitarbeiter der Bergbaustaatsanwaltschaft an die regulären Anklagebehörden versetzt werden, um die Wismutangelegenheiten dort zu bearbeiten und vor den örtlich zuständigen Gerichten zu vertreten[03].


2. Bestandsgeschichte
Die Akten gelangten am 1. Juni 1994 als Teil einer größeren Abgabe "Staatsanwalt des Bezirkes Karl-Marx-Stadt" vom Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden in die Außenstelle Chemnitz (Zugang 50/94). Nach einem Bearbeitungsvermerk des Staatsarchivs Dresden waren die Akten nach Auflösung des Bergbaustaatsanwalts an die Bezirksstaatsanwaltschaft in Karl-Marx-Stadt gelangt und wurden von dort 1971 zur Übernahme angeboten[04]. Als Findhilfsmittel war bislang eine unvollständige Kartei vorhanden; die Erschließung reichte allenfalls bis auf die Ebene der nummerierten Kartons, nicht aber der einzelnen Akten. Die Verzeichnung des (Teil-)Bestandes "Bergbau" (so auf den Kartons gekennzeichnet) wurde vorbereitet und anfangs betreut von Dr. Andrea Wettmann, bedingt durch Personalwechsel seit Mai 2000 durch den jetzt abschließenden Bearbeiter Dr. Nicolas Rügge. Von April bis Dezember 2000 wurden die Akten Nr. 1 bis 427 im Rahmen eines Honorarprojektes durch Nina Krüger verzeichnet. Der Planung entsprechend fiel die Verzeichnung sehr detailliert aus und umfasste auch die Erhebung von Angaben zur Behördengeschichte (Personal, Instanzenzug, Dienststellen usw.). Frau Krüger konnte das Projekt aus beruflichen Gründen nicht abschließen. Die weitere Bearbeitung erfolgte durch Janet Loos vom Sächsischen Staatsarchiv Chemnitz im Zeitraum vom 15. Oktober bis 11. Dezember 2001. Im Interesse eines zügigen Abschlusses wurden diese Akten (Nr. 428 bis 929) vereinfacht verzeichnet; der Forschung dürfte mit der besonders eingehenden Erschließung fast der Hälfte des Bestandes hinreichend gedient sein. Wenige restliche Akten (Nr. 930 bis 938) wurden schließlich im Januar und Februar 2002 durch den Bearb. hinzugefügt; sie sind bei der Verzeichnung anderer Akten des Sammelbestandes Staatsanwaltschaft(en) des Bezirkes Karl-Marx-Stadt durch Herrn Bohmann und Frau Loos aufgefallen[05]. Umgekehrt stellte sich heraus, dass ein erheblicher Teil der Akten in den mit "Bergbau" gekennzeichneten Kartons in Wirklichkeit Verfahren der regulären Kreis- und Bezirksstaatsanwaltschaften enthielt; diese wurden durch den Bearb. und vor allem durch Frau Loos dem entsprechenden Bestand hinzugefügt. Die endgültige technische Bearbeitung steht noch aus. Die Endkorrektur des Findbuchs erfolgte durch den Bearb. zwischen dem 30. Januar und dem 4. April 2002. Die Akten sind nach derzeitiger Rechtslage bis 2050 aufzubewahren[06] ; anschließend sind Nachkassationen denkbar.


3. Bestandsanalyse
Im Bestand sind nur Verfahrensakten enthalten, häufig mit Handakten und Gnadenheften. Die Unterlagen stammen erwartungsgemäß fast ausschließlich aus den Jahren 1951 bis 1962. Entsprechend der umfassenden Zuständigkeit des Bergbaustaatsanwalts sind die vorkommenden Delikte sehr vielfältig: Neben dem (häufigen) Widerstand gegen die Staatsgewalt reicht das Spektrum von politischen Delikten wie Staatsverleumdung und staatsgefährdender Hetze über Vermögensdelikte (Unterschlagung, Hehlerei, Betrug usw.) sowie Devisenvergehen bis hin zu Körperverletzung, Notzucht und verschiedenen Unzuchtsdelikten.


4. Literatur
Kaden, Mario: Kriminalität, Polizei-, Justiz- und Sicherheitsapparat in der "Uranprovinz" 1946 bis 1958, in: Rainer Karlsch/Harm Schröter (Hg.), "Strahlende Vergangenheit". Studien zur Geschichte des Uranbergbaus der Wismut, St. Katharinen 1996, S. 134–170

Kaden, Mario: Soziale Aspekte in den Anfangsjahren des Uranbergbaus der SAG/SDAG Wismut im Erzgebirge, in: Klaus Beyer u.a., Wismut – "Erz für den Frieden"?, Marienberg 1995, bes. S. 70

Karlsch, Rainer, Die Anfangsjahre des Uranbergbaus in Sachsen, in: Der Anschnitt 47, 1995, bes. S. 184 f.

Roth, Heidi, Der 17. Juni 1953 in Sachsen, Köln 1999, bes. S. 521 ff


5. Aufstellung der Paragraphen im Strafgesetzbuch
113|-----|Widerstand gegen die Staatsgewalt
123|-----|Hausfriedensbruch
173|-----|Blutschande
174|-----|Unzucht unter Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses
175a|-----|schwere Unzucht zwischen Männern
176|-----|Unzucht mit Kindern
177|-----|Notzucht
185|-----|Beleidigung
196|-----|
222|-----|fahrlässige Tötung
223|-----|Körperverletzung
223a|-----|gefährliche Körperverletzung
223b|-----|Misshandlung Abhängiger
230|-----|fahrlässige Körperverletzung
242|-----|Diebstahl
246|-----|Unterschlagung
263|-----|Betrug
267|-----|Urkundenfälschung
274|-----|Urkundenvernichtung
303|-----|Sachbeschädigung
304|-----|schwerer Sachbeschädigung
330a|-----|Vollrausch



[01] aus: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Landesregierung Sachsen, Ministerium der Justiz, Nr. 227
[02] ebenda
[03] Staatsarchiv Chemnitz, 32301 SED-Gebietsleitung Wismut, W IV 2/13/16
[04] Bestandsakte Staatsanwalt des Bezirkes
[05] vgl. deren Bearbeitungsprotokolle sowie StAC - 7511.30/2.02
[06] vgl. VwV AufAus vom 2. Februar 1999, C.II.3.a, in: Sächsisches Justizministerialblatt 1999 S. 30
Kaden, Mario: Kriminalität, Polizei-, Justiz- und Sicherheitsapparat in der "Uranprovinz" 1946 bis 1958, in: Rainer Karlsch/Harm Schröter (Hg.), "Strahlende Vergangenheit". Studien zur Geschichte des Uranbergbaus der Wismut, St. Katharinen 1996, S. 134–170

Kaden, Mario: Soziale Aspekte in den Anfangsjahren des Uranbergbaus der SAG/SDAG Wismut im Erzgebirge, in: Klaus Beyer u.a., Wismut – "Erz für den Frieden"?, Marienberg 1995, bes. S. 70

Karlsch, Rainer, Die Anfangsjahre des Uranbergbaus in Sachsen, in: Der Anschnitt 47, 1995, bes. S. 184 f.

Köhler, Robert: NS-Verbrechen? Die Überlieferung der Justiz im Sprengel Chemnitz 1945-50 beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR - Außenstelle Chemnitz, Bachelorarbeit Fachhochschule Potsdam 2013/14.

Roth, Heidi, Der 17. Juni 1953 in Sachsen, Köln 1999, bes. S. 521 ff
Register zu Strafverfahren.- Strafverfahren.
Der Bergbaustaatsanwalt war etwa zwischen 1949 und 1962 eine besondere Anklagebehörde bei Straftaten deutscher Angestellter und Arbeiter der SAG/SDAG Wismut sowie bei allen Straftaten zum Nachteil der Wismut. Er wurde in den Fällen tätig, die in die Zuständigkeit des Amtsrichters sowie des Schöffen- und des Jugendgerichts fielen. Sein Zuständigkeitsbereich umfasste die Amts- bzw. Kreisgerichtsbezirke Annaberg, Aue, Auerbach/V., Augustusburg, Brand-Erbisdorf, Chemnitz, Freital, Limbach, Marienberg, Schneeberg, Schwarzenberg, Stollberg und Zwickau. Die Fälle wurden zentral vor einer besonderen Kammer des Amts- bzw. Kreisgerichts Chemnitz/Karl-Marx-Stadt verhandelt. Zeitweise bestanden Außenstellen des Bergbaustaatsanwalts in Aue, Gera und Ronneburg. Vorgänger waren die sowjetischen Justizorgane. Nachfolger wurden die regulären Staatsanwälte des Bezirkes und der Kreise.
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