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Beständeübersicht

Bestand

50189 Gutsherrschaft Ohorn

Datierung1604 - 1945
Benutzung im Staatsfilialarchiv Bautzen
Umfang (nur lfm)9,02
1. Geschichte des Registraturbildners

Ohorn östlich von Pulsnitz findet 1350 als "Ahorn" im Lehnbuch Friedrichs des Strengen seine Ersterwähnung. Das Rittergut Ohorn geht wohl aus einem für 1373 bezeugten Herrensitz hervor. Wie viele Orte in dieser Gegend hat Ohorn zwei Teile: den böhmischen oder oberlausitzer Anteil rechts der Pulsnitz und den meißnischen oder erbländischen Anteil links der Pulsnitz. Entsprechend hat auch das Rittergut eine meißnische und eine böhmische Hälfte. Unabhängig davon existieren in Ohorn die "Rustikalgemeinde" (Bewohner von Gemeindeland) und die "Dominialgemeinde" (Bewohner von gutsherrlichem Land), so dass bis zur Vereinigung 1857 vier ohorner Gemeinden unter der Patrimonialherrschaft des Rittergutes stehen.
Das Rittergut Ohorn scheint in älteren Zeiten eine Pertinenz des Rittergutes Pulsnitz gewesen zu sein. Bis 1712 waren die Rittergüter fast immer in einer Hand. Jedoch erhielt 1642 Hans Georg von Schönberg eine gesonderte Belehnung für Ohorn mit den Dörfern Ohorn und Obersteina, was eine lehnsrechtliche Trennung der Güter nahelegt. Zum Gut gehört spätestens seit dieser Zeit die Gerichtsherrschaft über die genannten Dörfer. Das bedeutet für die Dorfbewohner, sich bei Rechtsstreitigkeiten, aber bei auch Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, an das gutsherrliche Gericht zu wenden. Gleichzeitig bestehen Dienst- und Abgabepflichten gegenüber dem Rittergut.
1680 kauft Gottlob von Werther Ohorn, nach dessen Tod 1682 das Gut an seine Schwester Justina Eleonora verheiratete von Maxen fällt. 1712 teilen ihre Kinder die Güter der Familie auf, wobei der jüngste Bruder Karl Maximilian, nach seinem Tod sein Sohn Johann Nikolaus von Maxen Ohorn erhält. 1766 / 1774 kaufen die Eheleute Karl Wilhelm und Charlotte Erdmuthe von Carlowitz Ohorn. 1772 / 1774 erfolgt die Umwandlung von einem Lehn- in ein Erbgut. 1785 erwirbt Wilhelm von Bressler Ohorn, welcher es 1812 an seine Tochter Clementine Constantia Gottliebe Gräfin zu Solms - Sonnewalde weiterveräußert.
1828 schließlich erwirbt der Pulsnitzer Kaufmann und Bandmacher Friedrich August Hempel Ohorn. Wie seine adligen Vorgänger sucht auch er weiter gutsherrliche Rechte, insbesondere die Entrichtung von Lehn- und Stuhlgeld (einer Abgabe auf Webstühle) durchzusetzen. Gleichzeitig erfolgt im 19. Jahrhundert die sukzessive Ablösung dieser Rechte. 1914 sind die letzten Ablösungsraten durch die Untertanen bezahlt.
Die Hempels bleiben bis 1945 im Besitz von Ohorn. Nach dem Tod seines Vaters Friedrich August erwirbt Franz Guido Hempel 1851 das Rittergut aus dem Nachlass. 1890 gelangt es an den Geheimen Kommerzienrat und Kakteensammler Eduard Georg Hempel. Als 1904 kurz hintereinander seine Frau, sein Sohn und er selbst sterben, fällt Ohorn an die letzte verbleibende Tochter Maria, welche bereits 1908 ebenfalls verstirbt. Nun gelangt Gut Ohorn, jeweils zur Hälfte, an den Offizier Kurt Hempel und Doris Hempel. Nach dem Tod Kurt Hempels verbleibt das Gut Doris Hempel bis zu ihrem Ableben 1939 allein. Danach fällt Ohorn an Dr. Eberhard Hempel, Kunsthistoriker in Dresden, und Elisabeth Hempel.
Zum Gut gehören umfangreiche Waldungen, insbesondere nachdem Eduard Georg Hempel in den 1890ern die "Luchsenburg", ein Waldstück östlich von Ohorn ankauft. 1914 umfasst die Gutsherrschaft Ohorn etwa 530 ha, wovon die Masse mit 402 ha aus Wald, weitere 100 ha aus Feld bestehen. Neben einer Rinderzucht gehören Granit- und Grauwackensteinbrüche zum Rittergut. Zusätzlich betreibt die Familie Hempel die Bandweberei "Christoph Hempels Witwe & Sohn", welche Fabriken auf dem Polzenberg in Pulsnitz und im heutigen Grodzisk Mazowieckj, Polen unterhält.
Seit dem 1. Weltkrieg befinden sich Gutswirtschaft und Bandfabrik in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. 1939 ist der Umfang der GH Ohorn auf etwa 115 ha Nutzfläche geschrumpft, was v. a. auf den Verkauf des Rittergutswaldes 1931 zurückzuführen ist. Der Großteil der verbleibenden Gutswirtschaft ist an Karl Bohrisch verpachtet. Anfang der 1930er wird das Geschäft der Firma "Christoph Hempels Witwe & Sohn" durch die Familie aufgegeben, es wird seit 1933 an die Firma "Friedrich Philipp & Co. Hempels Band- und Gurtweberei" verpachtet. 1937 erfolgt schließlich ihre Auflösung, die Immobilienbestandteile werden in die Gesellschaft "Hempels Grundstücksgemeinschaft" überführt.
Im Zuge der Bodenreform 1945 wird das Rittergut Ohorn enteignet. Das Schloss dient ab 1949 als Parteischule der SED, in den späten 1950ern wird es in ein bis heute bestehendes Seniorenheim umgewandelt.


2. Bestandsgeschichte

Die privaten Gutsarchive der Rittergüter verfielen durch die Bodenreform 1945 dem Staat und wurden sukzessive in die zuständigen staatlichen Archive verbracht (sogenannte Schlossbergung). Der größte Teil des Gutsarchivs Ohorn mit 334 Archivalien gelangte über den Pulsnitzer Archivpfleger Dr. Kurt Löschner 1956 an das Landesarchiv Bautzen. 1958 übergab außerdem der letzte Besitzer des Ritterguts, Dr. Eberhard Hempel dem Archiv die Belehnungsurkunden von Ohorn. Weitere Archivalien des Ritterguts sind möglicherweise zusammen mit dem Gutsarchiv Pulsnitz, welches 1956, 1958 und 1959 vom Landeshauptarchiv Dresden nach Bautzen abgegeben wird, nach Bautzen gelangt. 1960 übergab schließlich das Landeshauptarchiv Dresden weitere Ohorner Unterlagen im Umfang von 3 Locaten an Bautzen. Die 1856 an den Sächsischen Staat abzugebenden Unterlagen der Patrimonialgerichtsbarkeit kamen im Rahmen von Abgaben der Amtsgerichte Pulsnitz und Kamenz sowie der Amtshauptmannschaft Kamenz ins Landesarchiv Bautzen.
Schließlich sind noch die Gerichtsbücher von Ohorn und Obersteina zu erwähnen, welche auch von den Amtsgerichten an die Staatsarchive abgegeben wurden, jedoch bedingt durch ihre großen Formate zusammen mit den Gerichtsbüchern anderer Träger der Gerichtsbarkeit eine eigene Lagerungsgemeinschaft im Hauptstaatsarchiv Dresden bilden. Von diesen Gerichtsbüchern sind im Archivverbund Bautzen nur Benutzerfilme vorhanden und einsehbar.
Das Gutsarchiv wurde 1957 und 1960 auf Karteikarten verzeichnet. Gemäß Zentralem Bestandsnachweis umfasst es 3,5 lfm Archivgut an aktenmäßigem Archivgut und 6 Urkunden. Wegen der schlechten Unterbringungsbedingungen wurden in den 1980ern die Urkunden nach Dresden, 1996 der übrige Bestand nach Leipzig ausgelagert. Seit 2001 befindet sich der gesamte Bestand wieder in Bautzen.
Seit 2008 besteht eine gemeinsame Findkartei, welche sowohl das Gutsarchiv als auch die Unterlagen der Patrimonialgerichtsbarkeit umfasst. Mai - Juli 2013 wurde der gesamte Bestand (Gutsarchiv und Unterlagen der Patrimonialgerichtsbarkeit) gesichtet und neu verzeichnet. Dabei wurden in dem Findbuch auch die Signaturen der Benutzerfilme der Gerichtsbücher zu Ohorn und Obersteina beigefügt. Ihre Originale verbleiben weiter in Dresden.


3. Hinweise für die Benutzung

Der Bestand mit einem Gesamtumfang von 6,82 lfm, 6 Urkunden und 9 Benutzerfilmen enthält Unterlagen von 1604 bis 1945. Für Recherchen kann sowohl das gegenwärtige Findbuch als auch die elektronische Archivdatenbank genutzt werden. Die Unterlagen unterliegen keinen allgemeinen Schutzfristen gemäß Sächsischem Archivgesetz § 10. Ob noch personenbezogene Schutzfristen zu beachten sind, ist im Einzelfall zu prüfen.
Teile des Bestandes sind schimmelgeschädigt oder aus sonstigen Gründen in ihrer Erhaltung derart beeinträchtigt, dass sie aktuell unbenutzbar sind. Liegt zu einem Archivale ein Benutzerfilm vor, wird nur die verfilmte Kopie, nicht das Original vorgelegt.
Der Bestand lässt sich in drei Abteilungen gliedern, was sich in der verwendeten Klassifikation abbildet. Als erstes die Aufgaben eines sächsischen Rittergutes als lokale Verwaltungsbehörde, das sogenannte Patrimonialgericht oder die Patrimonialherrschaft. Dort finden sich Unterlagen zur Gerichtsbarkeit, Grundstücksgeschäften der Untertanen, Nachlassangelegenheiten oder zur Verwaltung der Schulen seit dem beginnenden 17. Jh. bis zur Abgabe der Patrimonialgerichte an den Sächsischen Staat 1856. Ihre Aufgaben übernahmen fortan die staatlichen Gerichtsämter. Gleichzeitig bildete das Rittergut bis 1919 eine Gemeinde für sich, den Gutsbezirk. In diesem Bereich hatte es ähnliche Funktionen wie eine Landgemeinde, etwa die lokale Polizeihoheit. Mit der Auflösung der sächsischen Gutsbezirke 1919 gingen diese Funktionen auf die Gemeinde Ohorn über. Schließlich finden sich in der ersten Abteilung Rechte der Gutsherrschaft über die Untertanen in Form von Dienst- und Abgabeverpflichtungen sowie deren Ablösung im 19. Jh.
Weniger dicht ist die Überlieferung zur zweiten Funktion des Rittergutes, nämlich der als Wirtschaftsbetrieb seines Besitzers. Geschäftsbücher geben einen Einblick in die finanzielle Situation und Bewirtschaftung des Rittergutes, Forstwirtschaftspläne in den Zustand des Rittergutswaldes. Jedoch in beiden Fällen erst in der 2. Hälfte des 19. Jh. Über längere Abschnitte des 19. und 20 Jh. war das Gut verpachtet, was sich ebenfalls in der Überlieferung niederschlägt. Unterlagen zur Landwirtschaft im engeren Sinne sind selten. Dies mag daran liegen, dass ihr langfristiger Wert in früheren Zeiten als gering eingeschätzt wurde.
Die dritte Gruppe bilden die sogenannten Familienarchive. Private Unterlagen der Gutsbesitzer haben sich, abgesehen von einigen privaten Prozessakten der Gräfin von Solms-Sonnewalde bzw. - Tecklenburg, nur über die Familie Hempel erhalten. Da die Familie Hempel als Wirtschaftsunternehmer tätig war, findet sich in der dritten Abteilung umfangreiche Korrespondenz einzelner Familienmitglieder zur Firma "Christoph Hempels Witwe & Sohn" mit Hauptsitz in Pulsnitz und einer Niederlassung in Grodzisk (heute Grodzisk Mazowieckj, Polen). Ihr Schwerpunkt war die Herstellung von Bändern und verwandten Produkten.

Zusätzlich zu diesem Bestand können Informationen über die Gutsherrschaft Ohorn auch in folgenden Beständen vorhanden sein:

50061 Amtsgericht Pulsnitz
50014 Amtshauptmannschaft Kamenz
50044 Appellationsgericht Bautzen
50375 Gerichtsamt Pulsnitz
50194 Gutsherrschaft Pulsnitz
50010 Lehnhof Bautzen
50009 Oberamt/Oberamtsregierung


Datum: 07.05.2013
Stefan Fink
Archivinspektoranwärter Staatsarchiv Leipzig / Archivverbund Bautzen


4. Quellenverzeichnis

Aurisch, Fritz: Heimatbuch der Gemeinde Ohorn, Ohorn, 1952.
Boetticher, Walter von: Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635 - 1815, Bd. III, Oberlößnitz, 1919.
Dams, Erich: Georg Hempel +, in: Monatsschrift für Kakteenkunde 14, 1904, S. 163f.
Eichler, Ernst; Walther, Hans: Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, Bd. II, Berlin, 2001.
Enders, Lieselotte: Ordnungsprobleme bei Guts- und Familienarchiven im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam, in: Archivmitteilungen 3, 1960, S. 96 - 106.
Hofmann, H. L.; Burgmann, Alfred; Feldmann, Wilhelm: Die Rittergüter des Königreichs Sachsen. Ein Abriss ihrer Geschichte und rechtlichen Stellung nebst topographischen und statistischen Nachrichten über sämtliche Rittergüter, Dresden, 1914.
Poenicke, G. A.: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreich Sachsen, II. Section: Meissner Kreis, Leipzig, 1856.
Schmidt, Werner u. a.: Lausitzer Bergland um Pulsnitz und Bischofswerda, Berlin, 1983.
Thieme, Andre u. a.: Digitales Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen, o. O., o. J., im Internet unter: http://hov.isgv.de/ (4.7.2013).
Patrimonialgericht.- Gutswirtschaft.- Familienarchiv Hempel.
  • 2013 | Findbuch/Datenbank
  • 2024-03-07 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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