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Amtsgerichte

Im Zusammenhang mit der Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871 wurden am 27. Januar 1877 das Gerichtsverfassungsgesetz verabschiedet sowie weitere damit verbundene Gesetze und Verordnungen für eine einheitliche Justizorganisation geschaffen. Das Gerichtsverfassungsgesetz legte in den Ländern die drei Instanzen Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgericht sowie auf Reichsebene das Reichsgericht verbindlich fest. In Sachsen traten ab 1. Oktober 1879 an die Stelle der bis dahin existierenden Gerichtsämter auf der unteren Instanz 105 Amtsgerichte. Die Amtsgerichte waren einem der sieben sächsischen Landgerichte Bautzen, Chemnitz, Freiberg, Dresden, Leipzig, Plauen und Zwickau unterstellt. Die Amtsgerichtsbezirke waren noch bis 1951 nicht mit den Bezirken der Amtshauptmannschaften bzw. Landkreise identisch.

Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfasste allgemeine bürgerliche Rechtsstreitigkeiten mit einem Wert bis zu 300 Mark/Reichsmark sowie für Strafsachen, die mit bis zu drei Monaten Gefängnis oder 600 Mark/Reichsmark bestraft werden konnten. Hinzu trat die freiwillige Gerichtsbarkeit, d. h. Nachlass- und Vormundschaftssachen, Grund- und Hypothekensachen, Registersachen. Aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896 resultierten Veränderungen in der sachlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte. Weiterhin hatten sie die Führung der Grundbücher sowie der Vereins-, Handels-, Genossenschafts-, Muster-, Zeichen- und Schiffsregister inne. Für Verhandlungen in Strafsachen aus Übertretungen und Vergehen, die höchstens mit Gefängnis bis zu drei Monaten zu bestrafen waren, wurden spezielle Schöffengerichte aus einem Amtsrichter und zwei gewählten ehrenamtlichen Schöffen gebildet.

Mit dem Gesetz vom 11. März 1921 zur Entlastung der Gerichte kam es zu einer Erweiterung des Strafbefehlverfahrens und der schöffengerichtlichen Zuständigkeit. Der Erlass des Jugendgerichtsgesetzes vom 16. Februar 1923 bewirkte weitere Veränderungen in der Gerichtsorganisation. Dieses begründete bei den Amtsgerichten besondere Schöffengerichte für Jugendsachen. 1924 folgten weitere Reformmaßnahmen. Die mit zwölf Geschworenen besetzten Schwurgerichte bei den Landgerichten entfielen. An ihre Stelle traten nach dem Schöffenprinzip organisierte Gerichte mit drei Berufs- und sechs Laienrichtern (Geschworene). Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfasste nun neben Übertretungen und Vergehen zum Teil auch Verbrechen, die der Amtsrichter mit Haft bis zu sechs Monaten bestrafen konnte.

Auf Grund der 1931 eingeleiteten Sparmaßnahmen in Verwaltung und Justiz kam es auch in Sachsen zur Auflösung oder Zusammenlegung von Behörden. Auf der Grundlage der Verordnung über die Aufhebung von Amtsgerichten vom 11. Dezember 1931 wurden zum 1. Januar 1932 die Amtsgerichte Altenberg, Bernstadt, Hartenstein, Jöhstadt, Lößnitz und Wildenfels aufgehoben. Das Justizministerium erhielt außerdem durch die zuvor erlassene Verordnung zur Sicherung des Staatshaushaltes und der Haushalte der Gemeinden vom 21. September 1931 die Ermächtigung, weitere Amtsgerichte zu schließen und die Grenzen von Landgerichtsbezirken zu ändern.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 ergaben sich weitgreifende Konsequenzen für das Rechtssystem. So wurde u. a. durch das Reichserbhofgesetz vom 29. September 1933 bei jedem Amtsgericht ein Anerbengericht gebildet. Dieses Gericht sollte die Eintragung der sogenannten Erbhofbauern in die Erbhofrollen vornehmen und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchführen. Ähnlich war es mit den Erbgesundheitsgerichten, die mit dem Gesetz vom 14. Juli 1933 eingerichtet worden sind. Sie waren jeweils dem Amtsgericht angegliedert, das am Sitz eines Landgerichts bestand. Der Zuständigkeitsbereich umfasste das Territorium des jeweiligen Landgerichts. Ebenfalls an Amtsgerichte angegliedert waren die Entschuldungsämter. Mit der 7. Verordnung zur Durchführungsbestimmung der landwirtschaftlichen Schuldenregelung vom 30. April 1935 gingen die Aufgaben der Entschuldungsgerichte und Entschuldungsstellen auf die Entschuldungsämter über. Das Entschuldungsamt hatte seinen Sitz bei einem der Amtsgerichte und erledigte meist die Aufgaben für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte.

Gleichzeitig wurde die ordentliche Gerichtsbarkeit durch zahlreiche Sondergerichtsbarkeiten eingeschränkt und unterlaufen. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges kam es zu personellen Einschränkungen in den Gerichten. Der Erlass über die Vereinfachung der Rechtspflege vom 21. März 1942, die Kriegsmaßnahmenverordnung vom 12. Mai 1943 und weitere Verordnungen aus den Jahren 1943 und 1944 vereinfachten und beschränkten die Rechtspflege auf ein Mindestmaß. Am 1. Januar 1944 waren in Sachsen 48 der 105 Amtsgerichte stillgelegt bzw. ihr Geschäftsbetrieb stark eingeschränkt. Daneben gab es ab 1943 so genannte Gerichtstage (G-Gerichte) und Zweiggerichte (Z-Gerichte).

Nach dem Zusammenbruch des "Dritten Reiches" ergab sich die Notwendigkeit zu einem umfassenden Neubeginn des Gerichtswesens. Im Jahre 1947 gab es 57 sächsische Amtsgerichte mit zahlreichen Zweig- und Nebenstellen. Mit der Verordnung über die Übertragung familienrechtlicher Streitigkeiten vom 21. Dezember 1948 wurden Ehestreitigkeiten von den Land- auf die Amtsgerichte übertragen. Nach dem Erlass der Verordnung vom 5. Mai 1951 und den entsprechenden Durchführungsbestimmungen zur Vereinfachung der Gerichtsorganisation im Land Sachsen vom 28. Mai 1951 bestanden nach Zusammenlegungen noch 30 Amtsgerichte. Nach der Verwaltungsreform wurden die Aufgaben der Amtsgerichte zwischen August und Oktober 1952 unter der Bezeichnung "Kreisgericht" weitergeführt. Die gänzliche Auflösung erfolgte dann durch das Gesetz über die Verfassung der Gerichte der DDR (Gerichtsverfassungsgesetz) vom 2. März 1952. Die neugeschaffenen Kreisgerichte übernahmen die Aufgaben der streitigen Gerichtsbarkeit. Die freiwillige Gerichtsbarkeit ging auf verschiedene andere Behörden über. So hatten sich nun die Räte der Kreise, Städte und Stadtkreise mit Vormundschafts- und Pachtschutzsachen sowie mit der Führung der Grundbücher und Handels- und Genossenschaftsregister zu befassen. Das Vereinsregister (nicht fortgesetzt) übernahmen die Volkspolizeikreisämter, die Testaments- und Nachlasssachen die jeweiligen Staatlichen Notariate.

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