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Beständeübersicht

Bestand

21057 Bruckner-Verlag GmbH, Leipzig

Datierung1930 - 1953
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)1,54
Geschichte des Verlags

1929 fand in Wien die offizielle Gründungsversammlung der Internationalen Brucknergesellschaft (IBG) statt. Die ersten Werke der Bruckner-Gesamtausgabe erschienen 1930 im Verlag Filser in Augsburg. Da dieser Verlag 1933 bereits nicht mehr bestand, rief die IBG für die Herausgabe der Bruckner-Gesamtausgabe den Musikwissenschaftlichen Verlag Wien (MWV) ins Leben, wissenschaftlicher Editionsleiter wurde Robert Haas. [01] Parallel dazu wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 10. September 1934 die Musikwissenschaftlicher Verlag GmbH in Leipzig gegründet und unter HRB 450 in das Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens waren "Verlag und Vertrieb von musikwissenschaftlichen, musikalischen und literarischen Werken mit besonderer Berücksichtigung des Gesamtwerkes Anton Bruckner's". [02] Den Gesellschaftsvertrag unterzeichneten Justus Brandstetter in seiner Eigenschaft als "alleinvertretungsberechtigter Mitgesellschafter der offenen Handelsgesellschaft unter der Firma Oscar Brandstetter" sowie Carl Krameyer als "Bevollmächtigter der Firma Musikwissenschaftlicher Verlag reg. Gen.m.b.H. in Wien I, Teinfaltstrasse Nr. 7". Die Einlage auf das Stammkapital von 20.000 Reichsmark wurde von den beiden Gesellschaftern jeweils zur Hälfte geleistet. Buchdruckereibesitzer Justus Brandstetter, Leipzig, und Ingenieur Norbert Furreg, Wien, wurden zu Geschäftsführern bestellt [03] , Carl Krameyer zum Prokuristen. Das Geschäftslokal befand sich in den Geschäftsräumen der Firma Oscar Brandstetter.

1939 übertrug die Bruckner-Gesellschaft e. V. in Wien dem Verlag die Verlagsrechte an den bisher erschienenen Bänden der Gesamtausgabe und mit Zustimmung der Nationalbibliothek Wien auch die Nutzungsrechte zum Zwecke der Weiterführung der Bruckner-Gesamtausgabe. Die deutsche Bruckner-Gesellschaft überließ dem Verlag zur weiteren Publikation von Bruckners Werken vorhandenes Material und Handschriften Bruckners.

Im Oktober 1940 wurde notariell beglaubigt, dass "durch Beschluss des Stillhaltskommissars für Vereine und Organisationen vom 1. Februar 1939 bzw. 3. April 1939 der [Wiener] Musikwissenschaftliche Verlag reg.Gen.m.b.H. aufgelöst und unter Aussetzung der Liquidation in die Deutsche Bruckner-Gesellschaft eingewiesen worden" sei. Der Geschäftsanteil von 10.000 Reichsmark wurde vom Geschäftsführer der Deutschen Bruckner-Gesellschaft, Dr. Friedrich Werner, Wien, an die Firma Oscar Brandstetter in Leipzig abgetreten. Die Firma Oscar Brandstetter blieb bis in das Jahr 1947 Alleingesellschafter, ungeachtet der Veränderung des Namens zu "Bruckner-Verlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung" im Juni 1944. Im selben Jahr 1944 errichtete der Bruckner-Verlag eine Zweigniederlassung in Braunau am Inn, S-A-Straße Nr. 8, "um damit noch engere Verbindung mit Bruckners Heimatland zu knüpfen."

Der Verlag stand in enger Verbindung zum musikwissenschaftlichen Institut der Universität Leipzig; Fritz Oeser, als außerordentlicher Professor Leiter der Musikwissenschaft in Leipzig von 1933 bis 1945, war Mitarbeiter des Verlags. [04]

Am 16. Juli 1945 erklärte der Buchdruckereibesitzer und Verlagsbuchhändler Dr. Raymund Schmidt als "alleinvertretungsberechtigter Mitgesellschafter der offenen Handelsgesellschaft unter der Firma Oscar Brandstetter", dass der bisherige Geschäftsführer Justus Brandstetter abberufen und an seiner Statt er selbst zum Geschäftsführer bestellt sei. Schmidt starb 1946, zum Geschäftsführer wurde nun der Disponent Ralf Brandstetter bestellt.

Nach der Flucht der Eigentümer der Fa. Oscar Brandstetter in den Westen im Dezember 1947 erfolgte die Umwandlung der Firma 1948 in Volkseigentum. [05] Durch Verfügung der Landesregierung Sachsen – Ministerium für Wirtschaft und Wirtschaftsplanung, Außenstelle Leipzig – vom 5. Januar 1948 wurde der Kaufmann Alfred Ullrich als Treuhänder und vorläufiger Geschäftsführer bestellt. Nach seiner Abberufung im Juni 1948 erfolgte die Bestellung von Wilhelm Schäfer zum Betriebsleiter, der zu diesem Zeitpunkt bereits als Bevollmächtiger für die Firma Oscar Brandstetter eingesetzt worden war. 1949 wurde der Bruckner-Verlag auf Grund des Befehls Nr. 64 SMAD als volkseigener Betrieb geführt und dem Zweigbetrieb Deutsche Graphische Werkstätten VEB (vormals Firma Oscar Brandstetter) als Abteilung angeschlossen. [06] Damit verband sich seine Löschung im Handelsregister am 14. Dezember 1949. Der Verlag konnte unter Lizenz von C. F. Peters aber weiter veröffentlichen. [07] Zu Beginn des Jahres 1952 wurde der Bruckner-Verlag eine Abteilung des VVV (Verwaltung volkseigener Verlage) Volk und Buch Verlages und seit 31. Dezember 1952 dem Musikverlag VEB Breitkopf & Härtel zugeordnet. [08]

Mit der Flucht der Eigentümer in den Westen teilte sich auch der Verlag – mit der Neugründung als Bruckner-Verlag Wiesbaden wurde 1948 der Firmensitz zunächst dorthin verlegt, bis der Geschäftsführer Fritz Oeser 1955 Kassel als endgültige Niederlassung wählte. Der Verlag gehört seitdem unter dem Namen Alkor-Edition Kassel GmbH zur Bärenreiter-Verlagsgruppe. [09]

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Die Übernahme des Archivgutes erfolgte 1971 in einer Abgabegemeinschaft mit mehreren anderen Verlagen aus dem Verwaltungsarchiv des VEB Deutscher Verlag für Musik. Bei der Bestandstrennung konnten 16 Akteneinheiten der Geschäftsleitung und 120 Bände Drucksachen, insbesondere Noten, ermittelt und zu einem Bestand zusammengeführt werden. Weitere Dokumente über die Geschäftstätigkeit des Bruckner-Verlages sind nicht überliefert - der Bestand ist damit sehr lückenhaft.

Die Unterlagen waren 1982 bereits einfach verzeichnet worden; diese Verzeichnung wurde in Verbindung mit einer im Jahr 2009 erfolgten Retrokonversion des alten Findbuchs korrigiert und hinsichtlich der Geschäftsunterlagen erheblich erweitert. Gleiches gilt für die Findbucheinleitung, die ebenfalls wesentlich ergänzt wurde.

Überlieferungsschwerpunkte

Der Bestand umfasst überwiegend gedruckte Musikalien, in wenigen Fällen auch Manuskripte und Druckvorstufen. Die wenigen (16) überlieferten Verzeichnungseinheiten aus dem Bereich der Geschäftsführung umfassen immerhin wichtige Vertragsunterlagen, Schriftwechsel der Prokuristin Hilde Wendler mit Kunden, Geschäftspartnern und Musikalienhandlungen, Schriftwechsel mit der Berliner Geschäftsstelle bis zu ihrer Auflösung sowie Schriftwechsel mit der Stagma und der GEMA, in dem es u. a. um Auseinandersetzungen zwischen dem Bruckner-Verlag in der DDR und dem westdeutschen Bruckner-Verlag um Verlagsrechte und daraus resultierende finanzielle Probleme geht.

Hinweise für die Benutzung

Die Titelaufnahme der Musikalien orientiert sich an den bibliographischen Angaben auf den Drucken, vereinzelte Ergänzungen wurden durch eckige Klammern kenntlich gemacht. Die Schreibweise wurde vereinheitlicht (durchgängig z. B. "6. Sinfonie" statt "VI. Symphonie"); zu einem Werk gehörende Verzeichnungseinheiten werden unabhängig von ihrer Entstehungszeit zusammen aufgeführt.

Es war aus Zeitgründen nicht möglich, exakte Datierungen der Druckjahre zu rekonstruieren; die Datierung orientiert sich in vielen Fällen an der aufgedruckten Verlagsbezeichnung. So wurden z. B. Drucke mit dem Impressum Bruckner-Verlag GmbH, Leipzig als "nach 1944", dem Jahr der Umbenennung, gekennzeichnet.

Quellen und Literatur



Quellen

- StA-L, 20124 Amtsgericht Leipzig, HRB 450 (Handelsregisterakte des Bruckner-Verlags)

- StA-L, 20031 Polizeipräsidium Leipzig, Nr. PP-V 2130, PP-V 4568 und PP-V 1605 (Leipziger Bruckner-Gemeinschaft und Bruckner-Gesellschaft, Leipzig

- StA-L, 21109 VEB Edition Peters, Musikverlag, Leipzig, Nr. 4005 (Bruckner-Verlag, Leipzig)


Literatur

- Christa Brüstle: Anton Bruckner und die Nachwelt: zur Rezeptionsgeschichte des Komponisten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 1998.

- Bettina Hinterthür: Noten nach Plan. Die Musikverlage in der SBZ/DDR – Zensursystem, zentrale Planwirtschaft und deutsch-deutsche Beziehungen bis Anfang der 1960er Jahre, Stuttgart 2006.

Thekla Kluttig, August 2010

[01] URL: http://www.mwv.at (letzter Aufruf 30.07.2010).
[02] So lautete der Eintrag auf dem Handelsregisterblatt, HRB 450. Siehe auch die Handelsregisterakte im Bestand 20124 Amtsgericht Leipzig.
[03] Furreg schied 1936 aus diesem Amt aus.
[04] Bettina Hinterthür: Noten nach Plan. Die Musikverlage in der SBZ/DDR – Zensursystem, zentrale Planwirtschaft und deutsch-deutsche Beziehungen bis Anfang der 1960er Jahre, Stuttgart 2006, S. 302f.
[05] Hinterthür, ebd.
[06] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRB 450 (Handelsregisterakte).
[07] Hinterthür, ebd.
[08] 21057 Bruckner-Verlag GmbH, Leipzig, Nr. 138.
[09] URL: http://www.alkor-edition.com/, (letzter Aufruf 30.07.2010).

Musikalien (Drucke).- Geschäftsunterlagen der Prokuristin.- Berliner Geschäftsstelle.- Verträge mit Komponisten und Herausgebern.- Verträge über Verkauf und Verleih von Notenmaterial.
1934 wurde in Leipzig der Musikwissenschaftliche Verlag als GmbH gegründet, ab 1944 nannte er sich Bruckner-Verlag GmbH. Das Unternehmen befasste sich mit Verlag und Vertrieb von musikalischen und literarischen Werken unter besonderer Berücksichtigung des Gesamtwerks von Anton Bruckner. 1948 wurde der Verlag als Abteilung der Firma Oscar Brandstetter, Graphischer Großbetrieb, in Volkseigentum überführt. Im Jahr 1949 erfolgte die Löschung der Firma im Handelsregister. Als Zweigbetrieb wurde der Verlag 1950 mit den Deutschen Graphischen Werkstätten der VVB Druck und Verlage zugeordnet. Seit 1953 gehörte er zum Musikverlag VEB Breitkopf & Härtel.
  • 2010 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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