Archivale im Fokus
Authentischen Orgel-Klang auf elektronischem Wege entstehen zu lassen, das war das Ziel des VEB Werk für Fernmeldewesen in Berlin-Oberschöneweide.
Verwirklicht wurde es zwischen 1954 und 1958 in Zusammenarbeit von Musikern und Ingenieuren. Das Ergebnis war die Toccata-Orgel EKI 1, deren Klang an demjenigen von Silbermann-Orgeln orientiert war.
Die Toccata-Orgel sollte mithilfe elektronischer Baugruppen eine moderne und beweglichere Alternative zur klassischen Orgel darstellen und in Konzertsälen, Rundfunk- und Fernsehstudios eingesetzt werden können. So entstand eine ca. 1,20 m hohe Orgel, hinter deren hölzernem Gehäuse sich 250 Elektronenröhren und über 1100 Germaniumdioden verbargen. Durch diese Elektronenröhren wurden in Frequenzteilerketten Töne erzeugt, die der klassischen Pfeifenorgel nicht nachstanden. Besonders hervorzuheben ist, dass es gelungen war, selbst das zeitlich unterschiedliche Einschwingen der einzelnen Teilkomponenten des Klanges in den verschiedenen Registern zu inkorporieren.
Um den Vertrieb der Orgel voranzutreiben, wurde dem VEB Leipziger Pianofortefabrik in Böhlitz-Ehrenberg das Angebot unterbreitet, die Produktion zu übernehmen. Die elektronischen Bauteile sollten vom VEB Werk für Fernmeldewesen geliefert werden. Neben dem inländischen Vertrieb schien das Instrument vor allem für den Export geeignet zu sein. Daher wurden über den DIA Deutscher Innen- und Außenhandel Kulturwaren und den VEB Leipziger Pianofortefabrik Informationen im Ausland eingeholt, unter anderem in Brasilien und Australien. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Toccata-Orgel nicht zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten werden konnte. Somit endete das Projekt nach nur vier erbauten Instrumenten Ende der 1950er Jahre. Eines der vier Instrumente war von 1961 bis 1989 in der Komischen Oper Berlin im Einsatz und befindet sich heute - als einziges erhalten gebliebenes Exemplar der ersten Röhrenorgel der Welt - im Industriesalon Schöneweide.
Dokumente zur Toccata-Orgel EKI 1 wurden während der Ordnung und Verzeichnung von Archivgut des 1948 gegründeten VEB Leipziger Pianofortefabrik ermittelt. Sie dokumentieren u. a. die Planung des Absatzes von elektronischen Orgeln in Australien, Brasilien, Mexiko und Südafrika, Überlegungen zur Zusammenarbeit mit dem VEB Werk für Fernmeldewesen, Kontakte mit dem Zentralen Konstruktions- und Entwicklungsbüro für Musikinstrumente bei den Vereinigten Mundharmonikawerken Klingenthal (ZKEB) und die Beschäftigung mit Konkurrenzfabrikaten.
Der Bestand 22337 VEB Leipziger Pianofortefabrik umfasst bei einer Laufzeit von 1948 bis 1967 Archivgut im Umfang von 3,9 laufenden Metern. In den Verzeichnungsinformationen kann online recherchiert werden.