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Beständeübersicht

Bestand

11632 Schulze und Schultz, Dresden

Datierung1914 - 1948
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)1,60

Geschichte des Registraturbildners


Eine im Bestand überlieferte Jubiläumsschrift zum 25-jährigen Bestehen datiert die Gründung der Firma durch die beiden Ingenieure Richard Josef Schulze aus Grimma und Hugo Schutz aus Vorwinkel bei Elberfeld auf den 15. Mai 1914. Im Handelregister des Amtsgerichts Dresden findet sich die Eintragung am 18. Mai 1914 auf Blatt 13756.

Das Fabrikationsprogramm erstreckt sich auf großangelegte luft- und wärmetechnische Anlagen aller Art, deren Einsatz in vielen Industriezweigen erforderlich war. Vor allem die Textilindustrie war Hauptabnehmer für Luftbefeuchtungsanlagen des Typs "Universalsystem".

Der erste provisorische Firmansitz wurde auf einem alten Bauernhof in Dresden-Niedersedlitz mit einer Belegschaft von fünf Arbeitern und einer Angestellten eingerichtet.

Dort konnte der Betrieb auch über den ersten Weltkrieg hinaus aufrechterhalten werden; er erweiterte nach 1918 seine Produktionspalette um zahlreiche neue Anlagen.

Aufgrund der beengten Arbeitsverhältnisse wurde 1921 der Fabrikationsbetrieb in die Biedermannstraße 4-6 verlegt und konnte so den gesteigerten Anforderungen gerecht werden.

Nach schweren Einbrüchen in der Inflationszeit erfolgte 1924 bis 1928 ein rasanter wirtschaftlicher Aufstieg. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs auf 180. Das Exportgeschäft wurde zu einem Hauptstandbein der Firma und erstreckte sich vornehmlich auf die Balkanländer und die Türkei, erfasste aber auch Länder wie Spanien, Portugal und Afghanistan. Um die technischen Einfuhrzölle zu umgehen, wurde 1928 in Usti nad Labem (Aussig) ein Zweigwerk mit einer 25-köpfigen Belegschaft gebaut, das zunächst nur als Montagewerkstatt für die in Dresden vorgefertigten Maschinenteile, später jedoch als vollwertige Produktionsstätte fungierte. Um der expandierenden Auftragslage weiterhin gerecht zu werden, erwarb die Firma 1928 ein eigenes Fabrikgrundstück in der Tharandter Straße 8 und richtete es mit einem modernen Maschinenpark und zeitgemäßen Fabrikationsanlagen aus.

Die große Depression der Weltwirtschaftskrise riss auch die Firma Schulze & Schultz in ihren Strudel. Bis 1932 ging die Belegschaft auf sechs Mann zurück und das Firmenkapital verloren. Am 4. November schied der Teilhaber Hugo Schultz aus. An der Erholung der allgemeinen Wirtschaftslage und an den nationalsozialistischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen partizipierte auch die Firma, die bald wieder über bis zu 200 Mitarbeiter verfügte und ihre Exportgeschäfte auf 80% der Gesamtaufträge steigerte. Um diesen erhöhten Anforderungen nachzukommen, wurde ein zweites Fabrikgrundstück (Werk II) zwecks Fabrikation und umfangreicher Lagerung erworben.

In den dreißiger Jahren ließ die Firma zahlreiche Patentrecherchen durch ihren Anwalt Friedrich Lehmann anstellen. Bei dem Bemühen, eigene Patente anzumelden, kam es immer wieder zu jahrelangen Rechtsstreitigkeiten mit anderen Firmen und dem Patentamt, da die beanspruchten Innovationen oftmals nicht anerkannt wurden. Vor allem der Prozess gegen die Ingenieure Theodor Sickan und Ewald Greb beanspruchte die Firma viele Jahre hindurch.

Nach 1933 unterhielt die Firma einen Umfangreichen Schriftwechsel mit der sächsischen Gauwirtschaftskammer und Industrie- und Handelskammer. Mit ihnen wurden Probleme der Einberufung und UK-Stellung einzelner Firmenmitarbeiter, Möglichkeiten ausländischer Geschäftskorrespondenz und –reisen und betriebliche Angaben für die Wehrwirtschaft erörtert. Geschäftliche Kontakte unterhielt die Firma u. a. mit den I. G. Farben Landsberg und der Waffen-SS Ravensbrück. 1943 reiste Schulz nach Berlin, um u. a. bei der Organisation Todt bzw. Albert Speer wegen kriegswichtiger Aufträge vorstellig zu werden. Darüber hinaus bemühte sich der Firmeninhaber um den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte. Schulze war am 15.05.1932 in die NSDAP eingetreten und unterhielt einen regen Schriftwechsel mit der Ortsgruppe Löbtau. In einem persönlichen Brief an Goebbels von 1935 unterbreitete er seine außenpolitischen Vorstellungen, in denen er für ein Militärbündnis mit Frankreich plädierte.

Das Firmengelände blieb von Kriegseinwirkungen weitgehend verschont, nur das Werk II wurde durch Bomben beschädigt. Waren während des Krieges noch durchschnittlich 80 bis 100 Personen beschäftigt, so im Mai 1945 nur 32. Kurz vor seinem Tod im August desselben Jahres machte Schulze den Ingenieur Carl Heinrich zum 50%igen Teilhaber der Firma, um eine Enteignung zu verhindern. Dennoch erfolgte die Sequestrierung am 1. Oktober. Die Firma wurde unter die treuhänderische Verwaltung des Ingenieurs Georg Wolfram gestellt und zunächst unter dem früheren Namen weitergeführt. Die Staatsanwaltschaft leitete später Ermittlungen gegen Wolfram wegen des Verdachtes der Veruntreuung ein. Am 30. Juni 1946 wurde der Betrieb für volkseigen erklärt und Anfang 1947 der Industrie-Verwaltung Maschinenbau Sachsen unterstellt. Als VEB Luft- und Wärmetechnik Dresden (später VEB Lufttechnische Anlagen Dresden) gehörte die Firma seit 1948 zur VVB NAGEMA.

Trotz Auftragseinbrüche und Demontagen beschäftigte die Firma bis 1948 wieder über 200 Mitarbeiter, machte aber nur geringe Gewinne. Weitere Zweigwerke wurden errichtet. Wegen der Enteignung der Firma und weiterer Vermögenswerte klagten die Erben Schulze gegen den Firmentreuhänder; die Nähe des Firmeninhabers zum Nationalsozialismus und zur NS-Kriegswirtschaft machten diesen Versuch aber zu einem vergeblichen Unterfangen. Vielmehr erhob der Treuhänder Vorwürfe gegen den ehemaligen Teilhaber Carl Heinrich wegen "Wirtschaftssabotage". Außerdem ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen die Erbengemeinschaft und ihren Vertreter Hans Schulze, Sohn des Firmengründers, wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, Buchfälschung, Unterschlagung von Rohstoffen und des Diebstahls von Betriebseigentum. Der Ausgang dieser Anklagen geht aus den Akten bis 1948 nicht mehr hervor.



Bestandsbearbeitung


Die Übernahme des Bestandes von dem "VEB Lufttechnische Anlagen Dresden" erfolgte am 18. April 1980 durch das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden. Das Schriftgut befand sich in dreißig Schubkisten und drei Leitzordnern und umfasste ca. 2,00 lfm. Zusammen mit der Verzeichnung erfolgte auch die technische Bearbeitung. Die Akten wurden aus den Kisten bzw. den Leitzordnern entnommen und nach der Entfernung sämtlicher Metallteile mit Ausnahme zweier großformatiger Lohnbücher in Jurismappen eingelegt. Durch die Trennung zu umfangreicher Akteneinheiten und die Formierung neuer Akten erhöhten sich die Akteneinheiten von ca. 40 auf jetzt 70. Aufgrund der Kassation von Duplikaten verringerte sich der ursprüngliche Bestandsumfang auf 1,25 lfm. Eine dem Schriftgut beiliegende Findkarte konnte ebenfalls kassiert werden, da sie bis auf wenige Ausnahmen dem Inhalt der Kartons nicht entsprach.

Während der Verzeichnungsarbeit wurde schnell ersichtlich, dass der vorliegende Bestand seine ursprüngliche Ordnung teilweise verloren hatte. Dennoch ist die innere, weitgehend chronologische Folge der einzelnen Akten zumeist beibehalten worden. Die Grenze zu dem Nachfolgebestand "VEB Lufttechnische Anlagen Dresden" wurde auf das Jahr 1948 datiert, da sich einige Vorgänge, die noch die Firma Schulze & Schultz betreffen (Streit mit den Erben um die Enteignungen, Unterschlagungsklagen etc.), noch über die Gründung des VEB hinausziehen. Aus diesem Grund musste eine Akte aus dem verzeichneten Bestand, die sich bis Anfang der fünfziger Jahre erstreckte, in den Nachfolgebestand eingeordnet werden, aus dem wiederum einige Vorgänge dem Vorgängerbestand zugeordnet wurden. Die Klassifikation lehnt sich an das im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden erstellte Ordnungmodell der Wirtschaftsbestände/Bereiche Industrie bis 1945/48 an. Die Verzeichnung erfolgte nach dem Bärschen Prinzip.

Eine umfassende Firmengeschichte kann anhand des vorliegenden Bestandes nicht geschrieben werden. Gut dokumentiert sind die Bereiche Patentangelegenheiten, Geschäftsbuchhaltung, die Beziehungen zu berufsständischen und staatlichen Institutionen und Personalangelegenheiten. Beziehungen zur NSDAP und Verstrickungen in die NS-Kriegswirtschaft finden sich hingegen nur fragmentarisch belegt, wie überhaupt die Firmengeschichte von 1939 bis 1945 deutlich unterrepräsentiert ist. So bietet der Bestand letztlich einen Baustein für die Geschichte der klimatechnischen Industrie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.



Verweise auf weitere Quellen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv zur Firma Schulze & Schultz
Altbanken Dresden

Archivsignatur 184

Altbanken Dresden

Archivsignatur 679

Altbanken Dresden

Archivsignatur 840

Altbanken Dresden

Archivsignatur 4694

Amtsgericht Dresden

Archivsignatur 171

LRS Ministerium für Wirtschaft

Archivsignatur 3082

Amtsgericht Dresden

Nr. 1329, Blatt 13756



Ernst Wolfgang Becker bearbeitete den Bestand im Juni/Juli 1997 während seines Archivreferendariats im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden.
Geschäftsleitungsakten.- Korrespondenzen mit berufsständischen und staatlichen Institutionen.- Personalakten.- Lohnunterlagen und Gehaltsunterlagen.- Bilanzen und Inventuren.- Patentangelegenheiten.
Die Firma wurde 1914 von den Ingenieuren Richard Josef Schulze und Hugo Schultz gegründet. Ihr Fabrikationsprogramm erstreckte sich auf luft- und wärmetechnische Anlagen aller Art für industrielle Zwecke, wie zum Beispiel Luftbefeuchtungsanlagen für die Textilindustrie. 1932 schied Hugo Schultz aus der Firma aus. Auf der Grundlage des Volksentscheids in Sachsen vom 30.06.1946 wurde die Firma enteignet und in Volkseigentum überführt. Der Betrieb wurde 1948 als VEB Luft- und Wärmetechnik in die VVB NAGEMA, Dresden, eingegliedert.
  • 1997 | Findbuch / Datenbank
  • 2025-02-25 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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