Beständeübersicht
Bestand
Zur Geschichte der Erla Maschinenfabrik GmbH
Die Erla Maschinenfabrik GmbH zählte in einer Reihe mit der Hasag und den Mitteldeutschen Motorenwerken zu den Konzernen im Leipziger Raum, die durch Rüstung unter dem Faschismus einen enormen Aufstieg nahmen. Hervorgegangen aus der zum Konzern Nestler & Breitfeld gehörenden Eisen- und Flugzeugwerke Erla GmbH in Erla - das nach Gründung der GmbH in Leipzig in Eisenwerke GmbH umbenannt wurde - ist sie am 18. Juli 1934 zum Zwecke der "Herstellung, Reparation und Vertrieb von Motorflugzeugen, Segelflugteilen, Flugzeugteilen und sonstigen Gegenständen, die mit der Flugzeugfabrikation und dem Flugzeugvertrieb zusammenhängen", gegründet worden (Nr. 29).
Der Erla-Maschinenwerk GmbH gehörten folgende Betriebe an (Stand 1944):
Dezentralisierte Produktionsstätten, Verkaufs- und Materiallager waren u. a. in Taucha, Thekla, Leisnig, Riesa und Waldheim. Die Erla-Werke verfügten z. B. auch in Belgien über eine große Reparaturabteilung, und es ist anzunehmen, daß noch mehrere Betriebsteile bzw. Werkstätten sich in anderen durch die Faschisten besetzten europäischen Ländern befanden.
Darüber hinaus existierten folgende als Tarnfirmen ausgewiesene Werkstätten bzw. Lager:
Fliegerhorste des Erla-Konzerns waren in Canitz, Chemnitz, Delitzsch, Plauen, Löbnitz und Mörtitz stationiert. Das Stammpersonal aller Werke betrug bis zum Krieg ständig um die 3000 Beschäftigte. Während des Krieges stieg die Zahl der ständig Beschäftigten auf 5800, hinzu kamen noch sogen. "vorübergehende Beschäftigte" - also Häftlinge und Zwangsarbeiter - mit rd. 8.700 (Nr. 47).
Von den leitenden Persönlichkeiten der Erla GmbH wären zu nennen die Geschäftsführer Direktor Fickert, Schellhorn, Steininger, Hänsgen und Bartsch, Das Stammkapital betrug primär etwa 2 1/4 Millionen RM, erhöhte sich im Dez. 1936 auf 7 Millionen, im Jan. 1943 auf 15 und im Okt. 1944 auf 25 Millionen RM (Nr. 29).
Der Erla-Konzern war eine reichseigene von der Bank der Deutschen Luftfahrt und der Sächsischen Bank beherrschte Kapitalgesellschaft (vgl. Hans Brenner, Zur Rolle der Außenkommandos des KZ Flossenbürg, Inaug. Diss. 1982, S, 174). Die Aktienanteile befanden sich überwiegend in den Händen der Bank der Deutschen Luftfahrt AG und der Wohnbau GmbH Dresden. Hauptauftraggeber war das Reichsluftfahrtministerium. Erla-Vertreter saßen im "Rüstungsstab des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion" (Nr. 44).
Infolge der enormen Verluste an Flugzeugen in den Kriegsjahren 1942/43 war die faschistische Luftwaffe an einem Tiefpunkt angelangt. Deshalb wurde vorgesehen, v. a. die Fertigung von Jagdflugzeugen zu steigern und die Flugzeugproduktion nach Luftrüstungsprogramm 223/1 zu erhöhen. Für Erla bedeutete das den Nachbau, die Reparatur und die Ersatzteile für Jagdflugzeuge des Typs Me 109 mit einem Gesamtwert von über 663 Millionen RM zu erbringen. Der Produktionsumfang, der 1942 noch 86 Mill. RM betragen hatte, konnte 1944 auf 283 Mill. gesteigert werden (Nr. 44). Die Me 109 war mit 35.000 Stück eines der meistgebauten Flugzeuge zwischen 1936 und 1945 (vgl. O. Groehler, Geschichte des Luftkrieges 1910 - 1980, S. 261). In dem mit dem Decknamen "Fortuna GmbH" getarnten Werk in Flöha sind z. B. Rumpfteile des Jagdflugzeuges zusammengebaut, in Mülsen Tragflächen hergestellt worden (Nr. 47).
Maßgeblich wurde die Konkurrenz zwischen den Rüstungsunternehmen um gewinnbringende Rüstungsaufträge durch den von der faschistischen Führung Anfang 1943 proklamierten "totalen Krieg" bestimmt. Das hieß gleichsam Ausnutzung aller vorhandenen Arbeitskräfte und Zuweisung neuer Arbeitskräfte, wozu in wachsendem Maße KZ-Häftlinge gehörten. Die Konzerne drangen auf Häftlinge aus dem KZ und auf Errichtung von KZ-Außenkommandos bei ihren Werken. Von Jan. bis Juni 1943 entstanden bei 10 KZ 45 neue Außenkommandos (Weltkrieg, Bd 2, S. 247/48). Dazu gehörten auch Werke des Erla-Konzerns, die zu Stätten unmenschlicher Ausbeutung wurden. Ab Apr. 1943 wurden zuerst im Werk III in Leipzig-Abtnaundorf Häftlinge des KZ Buchenwald eingesetzt, später kamen noch KZ-Kommandos im Werk I Heiterblick und Werk II Mockau hinzu. Im Dez. 1943 wurde ein Häftlings-Kommando im Werk IV in Johanngeorgenstadt - in einer beschlagnahmten Möbelfabrik - vom KZ-Flossenbürg eingesetzt, zur Produktion von Leitwerken der von Erla-GmbH in Lizenz gebauten Me 109.
Weitere Außenkommandos des KZ Flossenburg sind bei Erla-Werken im Jan. 1944 in Mülsen St. Micheln, im März 1944 in Flöha und im Dez. 1944 in Mehlteuer errichtet worden (vgl. Deutschland im 2. Weltkrieg, Bd 6, S. 273/74). Allein vom KZ-Flossenbürg setzte die Erla-Werk GmbH im Zeitraum Dez. 1943 - Juni 1944 rd. 4.500 Häftlinge in ihren Produktionsstätten in Flöha, Johanngeorgenstadt, Mülsten St. Micheln und Mehltheuer ein (Weltkrieg, Bd 5, S. 232). Im Monat Sept. wird ein Häftlingseinsatz von 2329 und im Dez. 1944 von 2447 registriert (Weltkrieg, Bd 6, S. 275).
Furchtbarer Verbrechen gegen die Menschlichkeit machten sich Erla-Betriebsleiter, Betriebsingenieure und Meister schuldig, die in brutalster Weise z.B. Außenkommandos Johanngeorgenstadt, Flöha und St. Micheln gegen Häftlinge vorgingen. In Leipzig-Abtnaundorf hatten sie noch im Apr. 1945 Baracken mit 304 kranken Häftlingen in Brand gesteckt, wobei sich nur 70 Häftlinge retten konnten. Die Schuldigen wurden später zur Verantwortung gezogen (vgl. Brenner, S. 175). Es gab Widerstand v. a. kommunistisch und sozialdemokratisch Gesinnter in den Lagern und Betrieben von Erla. Hier wirkten kommunistische Zellen und von ihnen geführte Widerstandsgruppen. Es existierte eine direkte Verbindung zwischen den Häftlings-Kommandos in den Erla-Werken in L.-Thekla zur Organisation der KPD in Leipzig (Weltkrieg, Bd. 2, S. 555, Bd. 4, S. 563 und Bd. 5, S. 316).
Während der Bombenangriffe auf Leipzig 1944 und 1945 erlitten Gebäude und Einrichtungen der Erla-GmbH beträchtliche Schäden. Groß waren die Verluste an Mensch und Material, besonders im Werk I, Heiterblick. Hier wurde auch das Archiv Opfer der - zum Teil bewußten - Zerstörung.
1945 wurde die Fa. Erla als ehemaliger Rüstungsbetrieb durch die Besatzungsbehörden beschlagnahmt, demontiert und das Restvermögen unter Sequester gestellt. Durch den Volksentscheid im Land Sachsen am 30. Juni 1946 ist die Erla-Maschinenwerk GmbH zum C-Betrieb ernannt worden. Sie stand unter Kontrolle und Verwaltung der SMA sowie der Landesregierung Sachsen. Das traf gleichermaßen für die dem Erla-Werk angegliederten Betriebe zu.
Bis Apr. 1945 hat Erla Flugzeuge gebaut (Nr. 47). Bald nach der Befreiung durch die Rote Armee lief in den noch vorhandenen Betriebsteilen und Werkstätten die Friedensproduktion an, v. a. landwirtschaftliche Geräte, Haushalt- und Transportgeräte sowie Möbel und Ersatzteile für den Bergbau standen im Produktionsprogramm. Tätig war eine Abwicklungsstelle für alle organisatorischen und produktionstechnischen Belange bis um 1950, mit Sitz in der Wodanstr. (Erla-Werk GmbH, Abwicklungsstelle). Mit Wirkung vom 30. 6. 45 sind die bisherigen Geschäftsführer für abgesetzt erklärt und Dr. Herold sowie Prokurist Bischoff - die späteren Treuhänder - bestellt worden. Betriebsratvorsitzender wurde Karl Gothe, Mitglied der KPD (247). Die Erla-Werk GmbH hatten aufgehört zu existieren. Was von Werk I an Baulichkeiten noch verblieben war, ist gesprengt worden. Am 27. Aug. 1947 übergab die Militärkommandantur die nach der Demontage übriggebliebenen Gelände bzw. Gebäude der Werke I - III in Leipzig dem Rat der Stadt. Es erfolgten Vorschläge zur Nutzbarmachung dieser Werke im Einvernehmen mit der Außenstelle Leipzig der Landesregierung Sachsen (Nr, 182).
Bestandsgeschichte und –bearbeitung
1959 wurde der Bestand vom Verwaltungsarchiv des Rates der Stadt an das StAL übergeben. Er umfaßte ehemals 30 lfm, überwiegend Schriftgut der Buchhaltung und der Abwicklung. Anzunehmen ist, daß ein großer Teil wertvoller Dokumente bewußt vernichtet, oder auch mit Unterstützung der amerikanischen Besatzungsmacht durch leitende Geschäftsführer in den westlich besetzten Teil Deutschlands gelangt ist. Der Endumfang beträgt 6 lfm = 397 Bde der Jahre 1933 - 1947, (vereinzelt bis 1952); obwohl der zeitliche Schwerpunkt des Bestandes in den Jahren 1940 - 1947 liegt, muß er trotz dieser schwerpunktmäßigen Trennung als Kapitalismusbestand angesehen werden.
In einer ersten Bearbeitungsphase 1964 ist eine einfache Verzeichnung vorgenommen worden, die Findkartei erfuhr 1984 eine erste innere Ordnung. Da die Kartei jedoch den Anforderungen der Nutzer nicht mehr gerecht wurde, machte sich 1985 eine Neuordnung bzw. Neubearbeitung erforderlich, in deren Ergebnis ein Findbuch entstand. Eine Neuverzeichnung sämtlicher AE war nicht durchführbar, jedoch sind ca. 10 % = um die 40 Aktenbände am Bestand überprüft, die Aktentitel sachlich überarbeitet bzw. korrigiert und der Inhalt erweitert verzeichnet worden. Korrespondenzakten und AE, die in gleichem Sachzusammenhang stehen, wurden alphabetisch und chronologisch geordnet und als Gruppenverzeichnung fixiert. An Hand des Ordnungsmodells für Bestände kapitalistischer Industriebetriebe, Potsdam, 1979, entstand eine neue innere Ordnung.
Überlieferungsschwerpunkte
Die Überlieferungsdichte innerhalb des Bestandes ist unterschiedlich und läßt die volle Bedeutung, die Erla in der Zeit des Faschismus als Rüstungsbetrieb hatte, nicht konkret fassen. Die Überlieferung der Leitungsdokumente muß als mangelhaft bezeichnet werden. Hier sind vor allem die Geschäftsberichte von Bedeutung, die die Jahre 1940 - 1944 analysieren. 1944 sind z. B. bis zum 31. Juli 2.024 Flugzeuge Bf 109 G geliefert worden, wobei der Umsatz mit voraussichtlich 270 Mill. RM angegeben ist (69, 264).
Das zeitlich älteste Schriftstück ist die Satzung der Erla-GmbH von 1936 (Neufassung der 1. Satzung von 1934) mit Auszug aus dem Handelsregister des AG Leipzig (Abschrift). Hier lassen sich z. B. die Steigerungsraten des Stammkapitals von ursprünglich 2 1/4 Mill. RM 1934 auf 25 Mill. 1944 belegen (29).
Von größerem Umfang sind Mietverträge, Mietabkommen und Korrespondenz zu sämtlichen Mietobjekten überliefert, die in der Gruppe Grundstücksangelegenheiten enthalten sind. Zur Betriebsorganisation, Funktion und Stellung des Registraturbildners sind detaillierte Angaben speziell zu den Lagern und Außenwerken der Erla-Werk GmbH zu entnehmen. Geheimen Charakter trug das in dieser Gruppe überlieferte Fernsprechverzeichnis, das nicht nur Telefon-Nummern ausweist, sondern alle verantwortlichen Leiter, Bereiche, Außenwerke und Lager sowie Tarnfirmen namentlich in ihrem strukturellen Aufbau nennt.
Allgemeine Richtlinien, z. B. Betriebsordnungen geben Auskunft über Kriegsdienstauszeichnungen von Erla-Angehörigen aber auch über die Arbeitszeit, die im Aug. 1944 z. B. für Männer 72 Std. pro Woche, für Frauen 66 Std. pro Woche betrug (243).
Beziehungen zu Behörden und Einrichtungen dokumentieren die von der Abwicklungsstelle getätigten Geschäfte, z. B. Fragen der Wiederaufnahme der Produktion, Demontagen, Verkäufe von Einrichtungen (s. auch 5.1. Neuproduktion ab 1945) und Verbindungen zur Roten Armee. Gleichermaßen widerspiegeln Finanz- und Vermögensverhältnisse Abwicklungs- und Auflösungsfragen nach 1945. Aber auch Bilanzen sowie Abschlußunterlagen vor 1945 sind hier überliefert, die über Erfolgs- und Leistungszahlen aussagen. Die Verbindung zur Bank für Deutsche Luftfahrt AG dokumentieren v. a. 3 Aktenbände der Jahre 1944 -1946.
Die Hauptgruppe Maschinen und Anlagen beinhaltet überwiegend Bestandsaufnahmen oder Barackenverkäufe in verschiedenen Werken. Dem Aktenband Sign. 47 sind Aussagen zu Art und Höhe der Produktion bis 1945, Beschäftigungszahlen, Namensangaben und genaue Anschriften der Lager und Werke zu entnehmen.
Forschungs- und Entwicklungstätigkeit von Erla lag eindeutig auf dem Gebiet des Jagdflugzeugbaus. Es sind zwar Personalunterlagen der Einflieger überliefert und auch in geringem Umfang Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen, jedoch keine Forschungsstudien, Prognosen oder Verbindungen zu militärischen Forschungsstellen belegbar, die zweifelsohne bestanden haben. Diese Aussage ist auch zutreffend für die Absatzdokumente. Hier sind in sehr großem Umfang lediglich Korrespondenzakten überliefert, aber keinerlei Statistiken oder Planungsunterlagen der Absatzorganisation.
Zum Schluß der Analyse sei auf die Gruppe zur Lage und zum Kampf der Arbeiter und anderer Werktätiger hingewiesen«. Umfangreiche Lohn- und Gehaltslisten sind von Betriebsangehörigen enthalten, auch von denen, die in den letzten Monaten des Krieges zur Arbeit zwangsweise gezogen worden. Umfassend überliefert sind unzählige Namenslisten sowjetischer u. a. ausländischer Kriegs- und Zwangsarbeiter, Männer und Frauen, die in den Werken des Erla-Konzerns unmenschliche Ausbeutung erduldeten.
Hier wird die Nutzbarkeit der Quellen offenkundig. Die Auswertungsmöglichkeiten des Bestandes erschöpfen sich nicht nur allein in Wertung der Ausbeuter- und Unterdrückerfunktion des kapitalistischen Rüstungskonzerns. Es lassen sich zu geschichtswissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungen Aussagen treffen, die insbesondere zur Thematik der Rüstungsindustrie in der Zeit des 2. Weltkrieges von Bedeutung sind.
Verweis auf korrespondierende Bestände
20031 Polizeipräsidium Leipzig
Spezialinventar (Dokumente zu den Luftangriffen auf Leipzig 1943 – 1945, Kriegsschäden)
21038 Sächsische Bank, Filiale Leipzig, Nr. 38 (= Kreditangelegenheiten 1942 – 1944)
E. Kretzschmar
Leipzig 1985
20783 Erla Maschinenfabrik GmbH, Leipzig
Datierung | 1933 - 1952 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 6,00 |
Bestand enthält auch 5 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular
Zur Geschichte der Erla Maschinenfabrik GmbH
Die Erla Maschinenfabrik GmbH zählte in einer Reihe mit der Hasag und den Mitteldeutschen Motorenwerken zu den Konzernen im Leipziger Raum, die durch Rüstung unter dem Faschismus einen enormen Aufstieg nahmen. Hervorgegangen aus der zum Konzern Nestler & Breitfeld gehörenden Eisen- und Flugzeugwerke Erla GmbH in Erla - das nach Gründung der GmbH in Leipzig in Eisenwerke GmbH umbenannt wurde - ist sie am 18. Juli 1934 zum Zwecke der "Herstellung, Reparation und Vertrieb von Motorflugzeugen, Segelflugteilen, Flugzeugteilen und sonstigen Gegenständen, die mit der Flugzeugfabrikation und dem Flugzeugvertrieb zusammenhängen", gegründet worden (Nr. 29).
Der Erla-Maschinenwerk GmbH gehörten folgende Betriebe an (Stand 1944):
Dezentralisierte Produktionsstätten, Verkaufs- und Materiallager waren u. a. in Taucha, Thekla, Leisnig, Riesa und Waldheim. Die Erla-Werke verfügten z. B. auch in Belgien über eine große Reparaturabteilung, und es ist anzunehmen, daß noch mehrere Betriebsteile bzw. Werkstätten sich in anderen durch die Faschisten besetzten europäischen Ländern befanden.
Darüber hinaus existierten folgende als Tarnfirmen ausgewiesene Werkstätten bzw. Lager:
Fliegerhorste des Erla-Konzerns waren in Canitz, Chemnitz, Delitzsch, Plauen, Löbnitz und Mörtitz stationiert. Das Stammpersonal aller Werke betrug bis zum Krieg ständig um die 3000 Beschäftigte. Während des Krieges stieg die Zahl der ständig Beschäftigten auf 5800, hinzu kamen noch sogen. "vorübergehende Beschäftigte" - also Häftlinge und Zwangsarbeiter - mit rd. 8.700 (Nr. 47).
Von den leitenden Persönlichkeiten der Erla GmbH wären zu nennen die Geschäftsführer Direktor Fickert, Schellhorn, Steininger, Hänsgen und Bartsch, Das Stammkapital betrug primär etwa 2 1/4 Millionen RM, erhöhte sich im Dez. 1936 auf 7 Millionen, im Jan. 1943 auf 15 und im Okt. 1944 auf 25 Millionen RM (Nr. 29).
Der Erla-Konzern war eine reichseigene von der Bank der Deutschen Luftfahrt und der Sächsischen Bank beherrschte Kapitalgesellschaft (vgl. Hans Brenner, Zur Rolle der Außenkommandos des KZ Flossenbürg, Inaug. Diss. 1982, S, 174). Die Aktienanteile befanden sich überwiegend in den Händen der Bank der Deutschen Luftfahrt AG und der Wohnbau GmbH Dresden. Hauptauftraggeber war das Reichsluftfahrtministerium. Erla-Vertreter saßen im "Rüstungsstab des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion" (Nr. 44).
Infolge der enormen Verluste an Flugzeugen in den Kriegsjahren 1942/43 war die faschistische Luftwaffe an einem Tiefpunkt angelangt. Deshalb wurde vorgesehen, v. a. die Fertigung von Jagdflugzeugen zu steigern und die Flugzeugproduktion nach Luftrüstungsprogramm 223/1 zu erhöhen. Für Erla bedeutete das den Nachbau, die Reparatur und die Ersatzteile für Jagdflugzeuge des Typs Me 109 mit einem Gesamtwert von über 663 Millionen RM zu erbringen. Der Produktionsumfang, der 1942 noch 86 Mill. RM betragen hatte, konnte 1944 auf 283 Mill. gesteigert werden (Nr. 44). Die Me 109 war mit 35.000 Stück eines der meistgebauten Flugzeuge zwischen 1936 und 1945 (vgl. O. Groehler, Geschichte des Luftkrieges 1910 - 1980, S. 261). In dem mit dem Decknamen "Fortuna GmbH" getarnten Werk in Flöha sind z. B. Rumpfteile des Jagdflugzeuges zusammengebaut, in Mülsen Tragflächen hergestellt worden (Nr. 47).
Maßgeblich wurde die Konkurrenz zwischen den Rüstungsunternehmen um gewinnbringende Rüstungsaufträge durch den von der faschistischen Führung Anfang 1943 proklamierten "totalen Krieg" bestimmt. Das hieß gleichsam Ausnutzung aller vorhandenen Arbeitskräfte und Zuweisung neuer Arbeitskräfte, wozu in wachsendem Maße KZ-Häftlinge gehörten. Die Konzerne drangen auf Häftlinge aus dem KZ und auf Errichtung von KZ-Außenkommandos bei ihren Werken. Von Jan. bis Juni 1943 entstanden bei 10 KZ 45 neue Außenkommandos (Weltkrieg, Bd 2, S. 247/48). Dazu gehörten auch Werke des Erla-Konzerns, die zu Stätten unmenschlicher Ausbeutung wurden. Ab Apr. 1943 wurden zuerst im Werk III in Leipzig-Abtnaundorf Häftlinge des KZ Buchenwald eingesetzt, später kamen noch KZ-Kommandos im Werk I Heiterblick und Werk II Mockau hinzu. Im Dez. 1943 wurde ein Häftlings-Kommando im Werk IV in Johanngeorgenstadt - in einer beschlagnahmten Möbelfabrik - vom KZ-Flossenbürg eingesetzt, zur Produktion von Leitwerken der von Erla-GmbH in Lizenz gebauten Me 109.
Weitere Außenkommandos des KZ Flossenburg sind bei Erla-Werken im Jan. 1944 in Mülsen St. Micheln, im März 1944 in Flöha und im Dez. 1944 in Mehlteuer errichtet worden (vgl. Deutschland im 2. Weltkrieg, Bd 6, S. 273/74). Allein vom KZ-Flossenbürg setzte die Erla-Werk GmbH im Zeitraum Dez. 1943 - Juni 1944 rd. 4.500 Häftlinge in ihren Produktionsstätten in Flöha, Johanngeorgenstadt, Mülsten St. Micheln und Mehltheuer ein (Weltkrieg, Bd 5, S. 232). Im Monat Sept. wird ein Häftlingseinsatz von 2329 und im Dez. 1944 von 2447 registriert (Weltkrieg, Bd 6, S. 275).
Furchtbarer Verbrechen gegen die Menschlichkeit machten sich Erla-Betriebsleiter, Betriebsingenieure und Meister schuldig, die in brutalster Weise z.B. Außenkommandos Johanngeorgenstadt, Flöha und St. Micheln gegen Häftlinge vorgingen. In Leipzig-Abtnaundorf hatten sie noch im Apr. 1945 Baracken mit 304 kranken Häftlingen in Brand gesteckt, wobei sich nur 70 Häftlinge retten konnten. Die Schuldigen wurden später zur Verantwortung gezogen (vgl. Brenner, S. 175). Es gab Widerstand v. a. kommunistisch und sozialdemokratisch Gesinnter in den Lagern und Betrieben von Erla. Hier wirkten kommunistische Zellen und von ihnen geführte Widerstandsgruppen. Es existierte eine direkte Verbindung zwischen den Häftlings-Kommandos in den Erla-Werken in L.-Thekla zur Organisation der KPD in Leipzig (Weltkrieg, Bd. 2, S. 555, Bd. 4, S. 563 und Bd. 5, S. 316).
Während der Bombenangriffe auf Leipzig 1944 und 1945 erlitten Gebäude und Einrichtungen der Erla-GmbH beträchtliche Schäden. Groß waren die Verluste an Mensch und Material, besonders im Werk I, Heiterblick. Hier wurde auch das Archiv Opfer der - zum Teil bewußten - Zerstörung.
1945 wurde die Fa. Erla als ehemaliger Rüstungsbetrieb durch die Besatzungsbehörden beschlagnahmt, demontiert und das Restvermögen unter Sequester gestellt. Durch den Volksentscheid im Land Sachsen am 30. Juni 1946 ist die Erla-Maschinenwerk GmbH zum C-Betrieb ernannt worden. Sie stand unter Kontrolle und Verwaltung der SMA sowie der Landesregierung Sachsen. Das traf gleichermaßen für die dem Erla-Werk angegliederten Betriebe zu.
Bis Apr. 1945 hat Erla Flugzeuge gebaut (Nr. 47). Bald nach der Befreiung durch die Rote Armee lief in den noch vorhandenen Betriebsteilen und Werkstätten die Friedensproduktion an, v. a. landwirtschaftliche Geräte, Haushalt- und Transportgeräte sowie Möbel und Ersatzteile für den Bergbau standen im Produktionsprogramm. Tätig war eine Abwicklungsstelle für alle organisatorischen und produktionstechnischen Belange bis um 1950, mit Sitz in der Wodanstr. (Erla-Werk GmbH, Abwicklungsstelle). Mit Wirkung vom 30. 6. 45 sind die bisherigen Geschäftsführer für abgesetzt erklärt und Dr. Herold sowie Prokurist Bischoff - die späteren Treuhänder - bestellt worden. Betriebsratvorsitzender wurde Karl Gothe, Mitglied der KPD (247). Die Erla-Werk GmbH hatten aufgehört zu existieren. Was von Werk I an Baulichkeiten noch verblieben war, ist gesprengt worden. Am 27. Aug. 1947 übergab die Militärkommandantur die nach der Demontage übriggebliebenen Gelände bzw. Gebäude der Werke I - III in Leipzig dem Rat der Stadt. Es erfolgten Vorschläge zur Nutzbarmachung dieser Werke im Einvernehmen mit der Außenstelle Leipzig der Landesregierung Sachsen (Nr, 182).
Bestandsgeschichte und –bearbeitung
1959 wurde der Bestand vom Verwaltungsarchiv des Rates der Stadt an das StAL übergeben. Er umfaßte ehemals 30 lfm, überwiegend Schriftgut der Buchhaltung und der Abwicklung. Anzunehmen ist, daß ein großer Teil wertvoller Dokumente bewußt vernichtet, oder auch mit Unterstützung der amerikanischen Besatzungsmacht durch leitende Geschäftsführer in den westlich besetzten Teil Deutschlands gelangt ist. Der Endumfang beträgt 6 lfm = 397 Bde der Jahre 1933 - 1947, (vereinzelt bis 1952); obwohl der zeitliche Schwerpunkt des Bestandes in den Jahren 1940 - 1947 liegt, muß er trotz dieser schwerpunktmäßigen Trennung als Kapitalismusbestand angesehen werden.
In einer ersten Bearbeitungsphase 1964 ist eine einfache Verzeichnung vorgenommen worden, die Findkartei erfuhr 1984 eine erste innere Ordnung. Da die Kartei jedoch den Anforderungen der Nutzer nicht mehr gerecht wurde, machte sich 1985 eine Neuordnung bzw. Neubearbeitung erforderlich, in deren Ergebnis ein Findbuch entstand. Eine Neuverzeichnung sämtlicher AE war nicht durchführbar, jedoch sind ca. 10 % = um die 40 Aktenbände am Bestand überprüft, die Aktentitel sachlich überarbeitet bzw. korrigiert und der Inhalt erweitert verzeichnet worden. Korrespondenzakten und AE, die in gleichem Sachzusammenhang stehen, wurden alphabetisch und chronologisch geordnet und als Gruppenverzeichnung fixiert. An Hand des Ordnungsmodells für Bestände kapitalistischer Industriebetriebe, Potsdam, 1979, entstand eine neue innere Ordnung.
Überlieferungsschwerpunkte
Die Überlieferungsdichte innerhalb des Bestandes ist unterschiedlich und läßt die volle Bedeutung, die Erla in der Zeit des Faschismus als Rüstungsbetrieb hatte, nicht konkret fassen. Die Überlieferung der Leitungsdokumente muß als mangelhaft bezeichnet werden. Hier sind vor allem die Geschäftsberichte von Bedeutung, die die Jahre 1940 - 1944 analysieren. 1944 sind z. B. bis zum 31. Juli 2.024 Flugzeuge Bf 109 G geliefert worden, wobei der Umsatz mit voraussichtlich 270 Mill. RM angegeben ist (69, 264).
Das zeitlich älteste Schriftstück ist die Satzung der Erla-GmbH von 1936 (Neufassung der 1. Satzung von 1934) mit Auszug aus dem Handelsregister des AG Leipzig (Abschrift). Hier lassen sich z. B. die Steigerungsraten des Stammkapitals von ursprünglich 2 1/4 Mill. RM 1934 auf 25 Mill. 1944 belegen (29).
Von größerem Umfang sind Mietverträge, Mietabkommen und Korrespondenz zu sämtlichen Mietobjekten überliefert, die in der Gruppe Grundstücksangelegenheiten enthalten sind. Zur Betriebsorganisation, Funktion und Stellung des Registraturbildners sind detaillierte Angaben speziell zu den Lagern und Außenwerken der Erla-Werk GmbH zu entnehmen. Geheimen Charakter trug das in dieser Gruppe überlieferte Fernsprechverzeichnis, das nicht nur Telefon-Nummern ausweist, sondern alle verantwortlichen Leiter, Bereiche, Außenwerke und Lager sowie Tarnfirmen namentlich in ihrem strukturellen Aufbau nennt.
Allgemeine Richtlinien, z. B. Betriebsordnungen geben Auskunft über Kriegsdienstauszeichnungen von Erla-Angehörigen aber auch über die Arbeitszeit, die im Aug. 1944 z. B. für Männer 72 Std. pro Woche, für Frauen 66 Std. pro Woche betrug (243).
Beziehungen zu Behörden und Einrichtungen dokumentieren die von der Abwicklungsstelle getätigten Geschäfte, z. B. Fragen der Wiederaufnahme der Produktion, Demontagen, Verkäufe von Einrichtungen (s. auch 5.1. Neuproduktion ab 1945) und Verbindungen zur Roten Armee. Gleichermaßen widerspiegeln Finanz- und Vermögensverhältnisse Abwicklungs- und Auflösungsfragen nach 1945. Aber auch Bilanzen sowie Abschlußunterlagen vor 1945 sind hier überliefert, die über Erfolgs- und Leistungszahlen aussagen. Die Verbindung zur Bank für Deutsche Luftfahrt AG dokumentieren v. a. 3 Aktenbände der Jahre 1944 -1946.
Die Hauptgruppe Maschinen und Anlagen beinhaltet überwiegend Bestandsaufnahmen oder Barackenverkäufe in verschiedenen Werken. Dem Aktenband Sign. 47 sind Aussagen zu Art und Höhe der Produktion bis 1945, Beschäftigungszahlen, Namensangaben und genaue Anschriften der Lager und Werke zu entnehmen.
Forschungs- und Entwicklungstätigkeit von Erla lag eindeutig auf dem Gebiet des Jagdflugzeugbaus. Es sind zwar Personalunterlagen der Einflieger überliefert und auch in geringem Umfang Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen, jedoch keine Forschungsstudien, Prognosen oder Verbindungen zu militärischen Forschungsstellen belegbar, die zweifelsohne bestanden haben. Diese Aussage ist auch zutreffend für die Absatzdokumente. Hier sind in sehr großem Umfang lediglich Korrespondenzakten überliefert, aber keinerlei Statistiken oder Planungsunterlagen der Absatzorganisation.
Zum Schluß der Analyse sei auf die Gruppe zur Lage und zum Kampf der Arbeiter und anderer Werktätiger hingewiesen«. Umfangreiche Lohn- und Gehaltslisten sind von Betriebsangehörigen enthalten, auch von denen, die in den letzten Monaten des Krieges zur Arbeit zwangsweise gezogen worden. Umfassend überliefert sind unzählige Namenslisten sowjetischer u. a. ausländischer Kriegs- und Zwangsarbeiter, Männer und Frauen, die in den Werken des Erla-Konzerns unmenschliche Ausbeutung erduldeten.
Hier wird die Nutzbarkeit der Quellen offenkundig. Die Auswertungsmöglichkeiten des Bestandes erschöpfen sich nicht nur allein in Wertung der Ausbeuter- und Unterdrückerfunktion des kapitalistischen Rüstungskonzerns. Es lassen sich zu geschichtswissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungen Aussagen treffen, die insbesondere zur Thematik der Rüstungsindustrie in der Zeit des 2. Weltkrieges von Bedeutung sind.
Verweis auf korrespondierende Bestände
20031 Polizeipräsidium Leipzig
Spezialinventar (Dokumente zu den Luftangriffen auf Leipzig 1943 – 1945, Kriegsschäden)
21038 Sächsische Bank, Filiale Leipzig, Nr. 38 (= Kreditangelegenheiten 1942 – 1944)
E. Kretzschmar
Leipzig 1985
Dickhoff, Holger: Die Entwicklung der Erla-Maschinenwerke GmbH Leipzig von 1934 - 1945. Diplomarbeit 1989, Belegex. Nr. 84.
Leitung und Organisation.- Soziale Lage und Betreuung der Arbeiter und Angestellten einschließlich Fremdarbeiter und Zwangsarbeiter 1933 - 1945.- Abwicklung und Demontage ab 1945.
Die Erla-Maschinenwerk GmbH, Leipzig ist am 18. Juli 1934 für die Herstellung, Reparatur und den Vertrieb von Motorflugzeugen, Segelflugteilen, Flugzeugteilen und sonstigen Gegenständen, die mit der Flugzeugfabrikation und dem Flugzeugvertrieb zusammenhängen, gegründet worden. Dezentralisierte Produktionsstätten, Verkaufs- und Materiallager existierten u. a. in Taucha, Thekla, Leisnig, Riesa und Waldheim, aber auch im Ausland, z. B. in Belgien. Zudem gab es noch zahlreiche Tarnfirmen. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Produktion von Jagdflugzeugen unter massivem Einsatz auch von KZ-Häftlingen stark forciert. 1945 wurde das Unternehmen zunächst beschlagnahmt, demontiert sowie das Restvermögen unter Sequester gestellt und später enteignet.
- 2006 | Findbuch / Datenbank
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