Beständeübersicht
Bestand
20884 Flanschenfabrik und Stanzwerk Leo Gottwald KG, Werk Regis-Breitingen
Datierung | 1891 - 1953 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 0,33 |
Zur Geschichte der Flanschenfabrik in Regis-Breitingen
Die Geburtsstätte der Regiser Flanschenfabrik sind die außerhalb des Ortes gelegenen Haselbacher Teiche. [01] In der dort gelegenen Walkmühle an der "Großen See" errichtete Paul Moritz 1878 eine kleine Fabrik zur Herstellung sogenannter Fischbänder (Tür- und Fensterscharniere), die anfangs etwa 30 Arbeiter beschäftigte. Nachdem die Mühle im Dezember 1878 niedergebrannt war, wurde 1879 ein neues Fabrikgebäude an der "Großen See" in Betrieb genommen. Nun widmete man sich neben der Fischbandfabrikation als eine der ersten Firmen in Deutschland auch der Herstellung von Flanschen, also schmiedeeisernen Rohrverbindungsstücken. [02] Im Jahre 1880 übersiedelte die Fabrik nach Regis in die Bahnhofstraße, wo der Betrieb mit ungefähr 18 Arbeitern aufgenommen wurde. Ab 1881 beschränkte sich die Fabrik unter dem neuen Besitzer Erwin Kretzer auf die Anfertigung von Flanschen.
Ein Wendepunkt in der Entwicklung des bisher latent von der Schließung bedrohten Unternehmens bedeutete das Jahr 1888: Der aus Hamburg gebürtige Kaufmann Adolf Halbfaß [03] übernahm die Fabrik und führte diese innerhalb kurzer Zeit dank seines unermüdlichen Einsatzes und sparsamen Wirtschaftens zu ungeahnten Höhen. Die qualitätsvollen Flanschen aus Regis wurden im In- und Ausland bekannt, und um die Jahrhundertwende zählte die Firma zu den führenden Produzenten für Rohrverbindungen in Deutschland. Die Geschäfte entwickelten sich jedoch bald darauf deutlich schlechter, so dass im Jahre 1902 Teile der Belegschaft von Regis nach Werl in Westfalen abgezogen wurden, wo Halbfaß 1898 eine Zweigfabrik gegründet hatte.
Am 21. Juni 1902 gelang Halbfaß die Fusionierung folgender Firmen: [04]
- Firma A. Halbfaß in Regis und Werl;
- Flanschenfabrik und Stanzwerk Aktiengesellschaft vormals Ernst Höfinghoff in Hattingen;
- Firma A. Linde & Co. in Duisburg-Wanheimerort.
Die Gesellschaft firmierte unter dem Namen "Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke Aktiengesellschaft" und hatte ihren Sitz in Düsseldorf, ab 1903 schließlich in Regis. [05] Kurz nach der Unternehmensgründung bestand der Vorstand aus Generaldirektor Adolf Halbfaß sowie den Direktoren Max Köhler in Regis, A. Linde in Duisburg und Gustav Andereya in Hattingen. Die wirtschaftliche Lage gestaltete sich zunächst günstig für das Unternehmen. Man war Mitglied in Interessenverbänden der deutschen Flanschenindustrie zum Zweck der Preisregulierung und des gemeinsamen Verkaufs. Um die Fabrikation zu konzentrieren, wurden die Werke in Werl und Duisburg stillgelegt und 1906 bzw. 1919 verkauft. Eine prägende Gestalt der Firma nach dem 1905 erfolgten Rücktritt des Generaldirektors Adolf Halbfaß war für über drei Jahrzehnte Max Köhler in Regis.
In den 1920er Jahren produzierte die "Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke AG" Flanschen und sonstige Rohrverbindungsstücke, Stanz- und Pressteile aller Art für den Maschinen-, Eisenbahn-, Schiffs-, Automobil- und Flugzeugbau sowie Maschinen und Geräte für den Eisenbahnoberbau und Rangierbetrieb. Um 1927 waren etwa 400 Mitarbeiter beschäftigt. [06]
Um 1930 musste die Firma schwere Verluste verzeichnen, wobei neben der allgemeinen Wirtschaftslage der heftige Preiskampf mit Unternehmen außerhalb des Flanschenverbands eine Rolle spielte. [07] Als Folge hiervon beschloss der Aufsichtsrat 1930 die Stilllegung des Werkes in Regis-Breitingen. Der Firmensitz ging nach Hattingen über, in Regis waren nur noch einige Arbeiter mit Aufräumungs- und Abwicklungsarbeiten beschäftigt. [08] Da sich jedoch die Auftragslage bald darauf deutlich positiver gestaltete, konnte der Betrieb in Regis wieder aufgenommen werden. Umbaumaßnahmen modernisierten die mechanische Werkstatt in Regis, wo seit 1936 nur noch die Bearbeitung der Rohlinge zu Flanschen erfolgte, während die Rohlinge nun in Hattingen produziert wurden. [09]
Mit Beginn der NS-Herrschaft 1933 war auch die "Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke AG" von antisemitischen Maßnahmen betroffen. Mehrere fest zugesagte Eisenbahnaufträge wurden vorenthalten und weitere Auftragsentziehungen angedroht, da die Kreisleitung der NSDAP dem Unternehmen keine "Arier"-Bescheinigung ausstellte. Dies zwang den Aufsichtsratsvorsitzenden Max Stern und den Vorstand Hermann Stern zum Rücktritt. [10]
Am 31. Dezember 1938 kam es zu einer weiteren Umfirmierung, indem die "Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke AG" in die "Leo Gottwald Kommanditgesellschaft" mit Sitz in Düsseldorf überging. Deren persönlich haftender Gesellschafter war Generalkonsul Leo Gottwald in Düsseldorf. Die Werke in Regis-Breitingen und Hattingen wurden mit unverändertem Fabrikationsprogramm weiterbetrieben; zudem gehörten zur Gesamtfirma die von Gottwald schon früher betriebenen Fabriken in Düsseldorf und dem thüringischen Gößnitz. Werkleiter in Regis-Breitingen war zu diesem Zeitpunkt Kurt Berschmann. [11]
Im Zweiten Weltkrieg beteiligte sich das Unternehmen an der Kriegsproduktion für das Heer. [12] Ende 1944 kam die Zulieferung von Flanschenrohlingen für das Regiser Werk zum Erliegen und konnte auch nach Kriegsende nicht wieder aufgenommen werden, da Hattingen in der Westzone lag. Nachdem die Rohlingsvorräte in Regis aufgebraucht waren, gelang es dem Werk 1947 unter dem nunmehrigen Betriebsleiter Arthur Uhlig größere Posten runder Eisenscheiben anzukaufen, aus denen behelfsmäßig glatte Flanschen hergestellt wurden. Zudem führte die Regiser Fabrik nun die Ersatzteilproduktion und Reparatur für Bergwerksmaschinen durch. [13] Die Zonengrenze erschwerte auch den Kontakt zwischen der Firmenleitung in Düsseldorf und den beiden Zweigniederlassungen in Ostdeutschland. [14] Spätestens 1953 beantragte der Rat des Kreises Borna die Überführung der Werke in Regis-Breitingen und Gößnitz in Volkseigentum. [15] Bei der heutigen "Gottwald Port Technology GmbH" handelt es sich um eine Nachfolgefirma des Werkes in Düsseldorf, während das Hattinger Werk bereits 1981 an die Mönninghoff GmbH verkauft wurde. [16]
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Der Bestand gelangte im Jahr 1980 an das Staatsarchiv Leipzig. Im selben Jahr wurde er im Rahmen der Weiterbildung von Archivaren der Verwaltungsarchive verzeichnet und eine Findkartei angelegt. Im September 2011 erfolgte eine Neuverzeichnung durch den Unterzeichnenden mit der Archivsoftware Augias 8.2, da sich die Angaben der Findkartei als teilweise fehlerhaft erwiesen und zudem an vielen Stellen ein detaillierterer Nachweis des Akteninhalts sinnvoll erschien. Einige bisher getrennte Verzeichnungseinheiten wurden zusammengeführt, was die Vergabe neuer Archivaliensignaturen notwendig machte. Diese wurden den alten Signaturen in einer Konkordanz gegenübergestellt, welche in das vorliegende Findbuch integriert ist. Die Unterlagen zur Geschäfts- und Verbandstätigkeit wurden dergestalt voneinander getrennt, dass sie im Findbuch zwei verschiedenen Klassifikationsgruppen zugeordnet sind. Die Bestandsbearbeitung umfasste auch eine Neuverpackung und -etikettierung sowie die Vollendung der Entmetallisierung.
Überlieferungsschwerpunkte
Der Bestand beinhaltet verschiedene Geschäftsunterlagen, unter anderem Bilanzen, Geschäftsberichte und Protokolle von Generalversammlungen wie auch von Aufsichtsratssitzungen. Des Weiteren sind Verträge enthalten, z. B. Gesellschaftsverträge. Über die reine Geschäftstätigkeit hinaus weisen die in geringer Zahl überlieferten Mietverträge mit der Firma als Mieter und Vermieter. Auch Grundbuchauszüge zu den Firmenbesitzungen an verschieden Orten sind vorhanden. In recht großem Umfang sind Korrespondenzunterlagen der Leitungsebene überliefert: Hier ist vor allem Max Köhler in seinen Funktionen als Fabrikdirektor in Regis, Vorstand und Aufsichtsrat zu nennen. Personalangelegenheiten außerhalb der Leitungsebene finden sich kaum. Aus der Frühzeit des NS-Staates von Interesse sind Schriftstücke zur Benachteiligung des Unternehmens wegen dessen jüdischer Leitung.
Ein nicht unbeträchtlicher Anteil des überlieferten Materials bezieht sich auf die Mitgliedschaft der Firma in verschiedenen Verbänden der deutschen Flanschenindustrie. Anhand von Korrespondenzakten Max Köhlers (der mehrfach als Verbandsvorsitzender fungierte) sowie Satzungen und Protokollen lässt sich das Funktionieren und Scheitern verschiedener Syndikate in wirtschaftlich und politisch schwierigen Zeiten gut nachvollziehen.
Die Unterlagen des vorliegenden Bestandes wurden im Werk in Regis-Breitingen gesammelt; die vorhandenen Schriftstücke beziehen sich jedoch sehr häufig auch auf die Ebene des Gesamtunternehmens. Auch einige wenige Unterlagen der Vorgängerbetriebe der 1902 gegründeten "Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke AG" sind mit überliefert. Der Zeitraum der Gesamtüberlieferung umfasst die Jahre 1891 bis 1953.
Korrespondierende Bestände im Staatsarchiv Leipzig
- 20242 Kreis-, Industrie- und Handelskammern Nordwestsachsens, Nr. 4293 [Firmenakte der IHK Borna, 1946 - 1952]
- 20621 Stadt Regis-Breitingen, Nr. 269 [Bauakte zur Flanschenfabrik, 1880 - 1923]Literatur
- Bräutigam, Claus: "Regis-Breitingen - ein Heimatbuch. Die Geschichte einer kleinen Stadt und ihrer eingemeindeten und umliegenden Orte". Hg. von der Stadtverwaltung Regis-Breitingen. Borna, 2006.
- Otto, R.: "Die Regiser Flanschenfabrik, ihre Entstehung und Entwicklung". In: "Heimatblätter aus der Bornaer Pflege", Heft 3, 1927.
Online einsehbar unter http://www.suedraum-archiv.de/projekte-mitglieder/mitglieder/heimatvereinbola/forschung/historische-drucke/heimatblaetter-bna-pflege/hb-03/heft-03-flanschenfabrik.htm (Stand: 19. September 2011).
- http://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Gottwald (Stand: 19. September 2011).
Matthias Märkle
September 2011
[01] Vgl. zum Folgenden R. Otto: "Die Regiser Flanschenfabrik, ihre Entstehung und Entwicklung". In: "Heimatblätter aus der Bornaer Pflege", Heft 3, 1927. Online einsehbar unter http://www.suedraum-archiv.de/projekte-mitglieder/mitglieder/heimatvereinbola/forschung/historische-drucke/heimatblaetter-bna-pflege/hb-03/heft-03-flanschenfabrik.htm (Stand: 19. September 2011).
[02] Vgl. auch Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20242 Kreis-, Industrie- und Handelskammern Nordwestsachsens, Nr. 4293.
[03] In den Akten begegnet häufig auch die Schreibweise "Halbfass".
[04] StA-L, 20884 Flanschenfabrik und Stanzwerk Leo Gottwald KG, Werk Regis-Breitingen [im Folgenden: Leo Gottwald KG], Nr. 23.
[05] Vgl. zum Folgenden StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 1.
[06] Vgl. gedruckt vorliegende Unternehmensdaten vom "Spezial-Archiv der deutschen Wirtschaft" in der Dienstregistratur des Staatsarchivs Leipzig.
[07] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 1.
[08] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 12.
[09] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 28; StA-L, 20242 Kreis-, Industrie- und Handelskammern Nordwestsachsens, Nr. 4293.
[10] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 28.
[11] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 29.
[12] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 26.
[13] StA-L, 20242 Kreis-, Industrie- und Handelskammern Nordwestsachsens, Nr. 4293.
[14] Vgl. StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 30.
[15] Vgl. ebenda: Ein Schreiben des Rats des Kreises Borna vom 9. März 1953 bezüglich dieses Antrags ist das jüngste im vorliegenden Bestand überlieferte Schriftstück.
[16] http://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Gottwald (Stand: 19. September 2011).
Die Geburtsstätte der Regiser Flanschenfabrik sind die außerhalb des Ortes gelegenen Haselbacher Teiche. [01] In der dort gelegenen Walkmühle an der "Großen See" errichtete Paul Moritz 1878 eine kleine Fabrik zur Herstellung sogenannter Fischbänder (Tür- und Fensterscharniere), die anfangs etwa 30 Arbeiter beschäftigte. Nachdem die Mühle im Dezember 1878 niedergebrannt war, wurde 1879 ein neues Fabrikgebäude an der "Großen See" in Betrieb genommen. Nun widmete man sich neben der Fischbandfabrikation als eine der ersten Firmen in Deutschland auch der Herstellung von Flanschen, also schmiedeeisernen Rohrverbindungsstücken. [02] Im Jahre 1880 übersiedelte die Fabrik nach Regis in die Bahnhofstraße, wo der Betrieb mit ungefähr 18 Arbeitern aufgenommen wurde. Ab 1881 beschränkte sich die Fabrik unter dem neuen Besitzer Erwin Kretzer auf die Anfertigung von Flanschen.
Ein Wendepunkt in der Entwicklung des bisher latent von der Schließung bedrohten Unternehmens bedeutete das Jahr 1888: Der aus Hamburg gebürtige Kaufmann Adolf Halbfaß [03] übernahm die Fabrik und führte diese innerhalb kurzer Zeit dank seines unermüdlichen Einsatzes und sparsamen Wirtschaftens zu ungeahnten Höhen. Die qualitätsvollen Flanschen aus Regis wurden im In- und Ausland bekannt, und um die Jahrhundertwende zählte die Firma zu den führenden Produzenten für Rohrverbindungen in Deutschland. Die Geschäfte entwickelten sich jedoch bald darauf deutlich schlechter, so dass im Jahre 1902 Teile der Belegschaft von Regis nach Werl in Westfalen abgezogen wurden, wo Halbfaß 1898 eine Zweigfabrik gegründet hatte.
Am 21. Juni 1902 gelang Halbfaß die Fusionierung folgender Firmen: [04]
- Firma A. Halbfaß in Regis und Werl;
- Flanschenfabrik und Stanzwerk Aktiengesellschaft vormals Ernst Höfinghoff in Hattingen;
- Firma A. Linde & Co. in Duisburg-Wanheimerort.
Die Gesellschaft firmierte unter dem Namen "Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke Aktiengesellschaft" und hatte ihren Sitz in Düsseldorf, ab 1903 schließlich in Regis. [05] Kurz nach der Unternehmensgründung bestand der Vorstand aus Generaldirektor Adolf Halbfaß sowie den Direktoren Max Köhler in Regis, A. Linde in Duisburg und Gustav Andereya in Hattingen. Die wirtschaftliche Lage gestaltete sich zunächst günstig für das Unternehmen. Man war Mitglied in Interessenverbänden der deutschen Flanschenindustrie zum Zweck der Preisregulierung und des gemeinsamen Verkaufs. Um die Fabrikation zu konzentrieren, wurden die Werke in Werl und Duisburg stillgelegt und 1906 bzw. 1919 verkauft. Eine prägende Gestalt der Firma nach dem 1905 erfolgten Rücktritt des Generaldirektors Adolf Halbfaß war für über drei Jahrzehnte Max Köhler in Regis.
In den 1920er Jahren produzierte die "Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke AG" Flanschen und sonstige Rohrverbindungsstücke, Stanz- und Pressteile aller Art für den Maschinen-, Eisenbahn-, Schiffs-, Automobil- und Flugzeugbau sowie Maschinen und Geräte für den Eisenbahnoberbau und Rangierbetrieb. Um 1927 waren etwa 400 Mitarbeiter beschäftigt. [06]
Um 1930 musste die Firma schwere Verluste verzeichnen, wobei neben der allgemeinen Wirtschaftslage der heftige Preiskampf mit Unternehmen außerhalb des Flanschenverbands eine Rolle spielte. [07] Als Folge hiervon beschloss der Aufsichtsrat 1930 die Stilllegung des Werkes in Regis-Breitingen. Der Firmensitz ging nach Hattingen über, in Regis waren nur noch einige Arbeiter mit Aufräumungs- und Abwicklungsarbeiten beschäftigt. [08] Da sich jedoch die Auftragslage bald darauf deutlich positiver gestaltete, konnte der Betrieb in Regis wieder aufgenommen werden. Umbaumaßnahmen modernisierten die mechanische Werkstatt in Regis, wo seit 1936 nur noch die Bearbeitung der Rohlinge zu Flanschen erfolgte, während die Rohlinge nun in Hattingen produziert wurden. [09]
Mit Beginn der NS-Herrschaft 1933 war auch die "Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke AG" von antisemitischen Maßnahmen betroffen. Mehrere fest zugesagte Eisenbahnaufträge wurden vorenthalten und weitere Auftragsentziehungen angedroht, da die Kreisleitung der NSDAP dem Unternehmen keine "Arier"-Bescheinigung ausstellte. Dies zwang den Aufsichtsratsvorsitzenden Max Stern und den Vorstand Hermann Stern zum Rücktritt. [10]
Am 31. Dezember 1938 kam es zu einer weiteren Umfirmierung, indem die "Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke AG" in die "Leo Gottwald Kommanditgesellschaft" mit Sitz in Düsseldorf überging. Deren persönlich haftender Gesellschafter war Generalkonsul Leo Gottwald in Düsseldorf. Die Werke in Regis-Breitingen und Hattingen wurden mit unverändertem Fabrikationsprogramm weiterbetrieben; zudem gehörten zur Gesamtfirma die von Gottwald schon früher betriebenen Fabriken in Düsseldorf und dem thüringischen Gößnitz. Werkleiter in Regis-Breitingen war zu diesem Zeitpunkt Kurt Berschmann. [11]
Im Zweiten Weltkrieg beteiligte sich das Unternehmen an der Kriegsproduktion für das Heer. [12] Ende 1944 kam die Zulieferung von Flanschenrohlingen für das Regiser Werk zum Erliegen und konnte auch nach Kriegsende nicht wieder aufgenommen werden, da Hattingen in der Westzone lag. Nachdem die Rohlingsvorräte in Regis aufgebraucht waren, gelang es dem Werk 1947 unter dem nunmehrigen Betriebsleiter Arthur Uhlig größere Posten runder Eisenscheiben anzukaufen, aus denen behelfsmäßig glatte Flanschen hergestellt wurden. Zudem führte die Regiser Fabrik nun die Ersatzteilproduktion und Reparatur für Bergwerksmaschinen durch. [13] Die Zonengrenze erschwerte auch den Kontakt zwischen der Firmenleitung in Düsseldorf und den beiden Zweigniederlassungen in Ostdeutschland. [14] Spätestens 1953 beantragte der Rat des Kreises Borna die Überführung der Werke in Regis-Breitingen und Gößnitz in Volkseigentum. [15] Bei der heutigen "Gottwald Port Technology GmbH" handelt es sich um eine Nachfolgefirma des Werkes in Düsseldorf, während das Hattinger Werk bereits 1981 an die Mönninghoff GmbH verkauft wurde. [16]
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Der Bestand gelangte im Jahr 1980 an das Staatsarchiv Leipzig. Im selben Jahr wurde er im Rahmen der Weiterbildung von Archivaren der Verwaltungsarchive verzeichnet und eine Findkartei angelegt. Im September 2011 erfolgte eine Neuverzeichnung durch den Unterzeichnenden mit der Archivsoftware Augias 8.2, da sich die Angaben der Findkartei als teilweise fehlerhaft erwiesen und zudem an vielen Stellen ein detaillierterer Nachweis des Akteninhalts sinnvoll erschien. Einige bisher getrennte Verzeichnungseinheiten wurden zusammengeführt, was die Vergabe neuer Archivaliensignaturen notwendig machte. Diese wurden den alten Signaturen in einer Konkordanz gegenübergestellt, welche in das vorliegende Findbuch integriert ist. Die Unterlagen zur Geschäfts- und Verbandstätigkeit wurden dergestalt voneinander getrennt, dass sie im Findbuch zwei verschiedenen Klassifikationsgruppen zugeordnet sind. Die Bestandsbearbeitung umfasste auch eine Neuverpackung und -etikettierung sowie die Vollendung der Entmetallisierung.
Überlieferungsschwerpunkte
Der Bestand beinhaltet verschiedene Geschäftsunterlagen, unter anderem Bilanzen, Geschäftsberichte und Protokolle von Generalversammlungen wie auch von Aufsichtsratssitzungen. Des Weiteren sind Verträge enthalten, z. B. Gesellschaftsverträge. Über die reine Geschäftstätigkeit hinaus weisen die in geringer Zahl überlieferten Mietverträge mit der Firma als Mieter und Vermieter. Auch Grundbuchauszüge zu den Firmenbesitzungen an verschieden Orten sind vorhanden. In recht großem Umfang sind Korrespondenzunterlagen der Leitungsebene überliefert: Hier ist vor allem Max Köhler in seinen Funktionen als Fabrikdirektor in Regis, Vorstand und Aufsichtsrat zu nennen. Personalangelegenheiten außerhalb der Leitungsebene finden sich kaum. Aus der Frühzeit des NS-Staates von Interesse sind Schriftstücke zur Benachteiligung des Unternehmens wegen dessen jüdischer Leitung.
Ein nicht unbeträchtlicher Anteil des überlieferten Materials bezieht sich auf die Mitgliedschaft der Firma in verschiedenen Verbänden der deutschen Flanschenindustrie. Anhand von Korrespondenzakten Max Köhlers (der mehrfach als Verbandsvorsitzender fungierte) sowie Satzungen und Protokollen lässt sich das Funktionieren und Scheitern verschiedener Syndikate in wirtschaftlich und politisch schwierigen Zeiten gut nachvollziehen.
Die Unterlagen des vorliegenden Bestandes wurden im Werk in Regis-Breitingen gesammelt; die vorhandenen Schriftstücke beziehen sich jedoch sehr häufig auch auf die Ebene des Gesamtunternehmens. Auch einige wenige Unterlagen der Vorgängerbetriebe der 1902 gegründeten "Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke AG" sind mit überliefert. Der Zeitraum der Gesamtüberlieferung umfasst die Jahre 1891 bis 1953.
Korrespondierende Bestände im Staatsarchiv Leipzig
- 20242 Kreis-, Industrie- und Handelskammern Nordwestsachsens, Nr. 4293 [Firmenakte der IHK Borna, 1946 - 1952]
- 20621 Stadt Regis-Breitingen, Nr. 269 [Bauakte zur Flanschenfabrik, 1880 - 1923]Literatur
- Bräutigam, Claus: "Regis-Breitingen - ein Heimatbuch. Die Geschichte einer kleinen Stadt und ihrer eingemeindeten und umliegenden Orte". Hg. von der Stadtverwaltung Regis-Breitingen. Borna, 2006.
- Otto, R.: "Die Regiser Flanschenfabrik, ihre Entstehung und Entwicklung". In: "Heimatblätter aus der Bornaer Pflege", Heft 3, 1927.
Online einsehbar unter http://www.suedraum-archiv.de/projekte-mitglieder/mitglieder/heimatvereinbola/forschung/historische-drucke/heimatblaetter-bna-pflege/hb-03/heft-03-flanschenfabrik.htm (Stand: 19. September 2011).
- http://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Gottwald (Stand: 19. September 2011).
Matthias Märkle
September 2011
[01] Vgl. zum Folgenden R. Otto: "Die Regiser Flanschenfabrik, ihre Entstehung und Entwicklung". In: "Heimatblätter aus der Bornaer Pflege", Heft 3, 1927. Online einsehbar unter http://www.suedraum-archiv.de/projekte-mitglieder/mitglieder/heimatvereinbola/forschung/historische-drucke/heimatblaetter-bna-pflege/hb-03/heft-03-flanschenfabrik.htm (Stand: 19. September 2011).
[02] Vgl. auch Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20242 Kreis-, Industrie- und Handelskammern Nordwestsachsens, Nr. 4293.
[03] In den Akten begegnet häufig auch die Schreibweise "Halbfass".
[04] StA-L, 20884 Flanschenfabrik und Stanzwerk Leo Gottwald KG, Werk Regis-Breitingen [im Folgenden: Leo Gottwald KG], Nr. 23.
[05] Vgl. zum Folgenden StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 1.
[06] Vgl. gedruckt vorliegende Unternehmensdaten vom "Spezial-Archiv der deutschen Wirtschaft" in der Dienstregistratur des Staatsarchivs Leipzig.
[07] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 1.
[08] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 12.
[09] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 28; StA-L, 20242 Kreis-, Industrie- und Handelskammern Nordwestsachsens, Nr. 4293.
[10] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 28.
[11] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 29.
[12] StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 26.
[13] StA-L, 20242 Kreis-, Industrie- und Handelskammern Nordwestsachsens, Nr. 4293.
[14] Vgl. StA-L, 20884 Leo Gottwald KG, Nr. 30.
[15] Vgl. ebenda: Ein Schreiben des Rats des Kreises Borna vom 9. März 1953 bezüglich dieses Antrags ist das jüngste im vorliegenden Bestand überlieferte Schriftstück.
[16] http://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Gottwald (Stand: 19. September 2011).
Leitung.- Generalversammlungs- und Aufsichtsratsprotokolle.- Geschäftsberichte.- Bilanzen.- Verträge.- Benachteiligung wegen jüdischer Unternehmensleitung.- Verbandstätigkeit.
Die Gründung der "Vereinigten Flanschenfabriken und Stanzwerke Aktiengesellschaft" erfolgte am 21. Juni 1902. Vorgängerfirmen waren die Firma von Adolf Halbfaß in Regis und Werl, deren Ursprünge auf eine 1880 in Regis ansässig gewordene Flanschenfabrik zurückgehen, die Flanschenfabrik und Stanzwerk AG, vormals Ernst Höfinghoff in Hattingen sowie die Firma A. Linde & Co. in Duisburg. Zwischen 1903 und 1930 befand sich der Firmensitz in Regis-Breitingen. Der Betrieb erzeugte Flanschen und weitere Rohrverbindungsstücke, Stanz- und Pressteile für den Maschinen-, Eisenbahn-, Schiffs-, Automobil- und Flugzeugbau sowie Maschinen und Geräte für den Eisenbahnoberbau und Rangierbetrieb. Am 31. Dezember 1938 ging die Firma in die Leo Gottwald KG über.
- 2011 | Findbuch / Datenbank
- 2025-02-25 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5