Beständeübersicht
Bestand
21950 Familienarchiv von Lehndorff
Datierung | 1535 - 1931 |
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Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 6,00 |
Zur Geschichte der Familie von Lehndorff
Im Unterschied zu anderen bedeutenden Familien können die Lehndorffs auf keine publizierte bzw. gedruckte Stammfolge verweisen, ein Aspekt, auf den vor ein paar Jahren Detlev Schwennicke verwies und für ihn Anlass war, sich ausführlich mit der Herkunft und Genealogie der Grafen von Lehndorff zu beschäftigen.[01]
Die Geschichte der Familie von Lehndorff wird vor allem mit von Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff (1727 – 1811) verfassten Tagebüchern verbunden. Bekannt ist auch Heinrich von Lehndorff (1909 – 1944), der der Widerstandsgruppe um Henning von Treskow angehörte und am 4. September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. Darüber hinaus steht der Name Lehndorff für die Kunst der Pferdezucht, so leitete Georg (1833 – 1914) über viele Jahre (1867 – 1906) das Hauptgestüt Graditz und war von 1887 bis 1906 Oberlandstallmeister und damit Leiter der gesamten Pferdezucht in Preußen. Georg gilt als bedeutendster Hippologe seiner Zeit. Sein Sohn Siegfried (1869 – 1956) folgte dem Vater, leitete das Gestüt Neustadt, arbeitete ebenfalls in Graditz und war dann Landstallmeister von 1928 bis 1933 in Trakehnen. Die Vollblutgestüte Graditz und Trakehnen gehörten zu den Hauptgestüten des preußischen Staates, die herausragende Pferde hervorbrachten.[02] Siegfrieds Sohn Hans (1910 – 1987) prägten die Jahre in Trakehnen, Anlass für ihn, sich publizistisch damit auseinanderzusetzen.[03] Im Unterschied zu Ernst Ahasverus Heinrich findet sich zu den Genannten bis auf Einzelstücke zu Georg leider nichts in der Leipziger Überlieferung.[04]
Seit dem 16. Jahrhundert wohnt die Familie von Lehndorff in Steinort, im Norden der Großen Masurischen Seenplatte. Infolge des Tartareneinfalls 1656 wurde das Anwesen zerstört. Marie Eleonore von Lehndorff geb. von Dönhoff (1664 – 1724) veranlasste 1695 einen Schlossneubau im Barockstil. Das Gebäude wurde nach der Hinrichtung von Heinrich von Lehndorff requiriert und als Feldquartier für Außenminister Joachim von Ribbentrop vorgesehen. Nach dem Krieg diente es für viele Jahre einem landwirtschaftlichen Betrieb als Verwaltungssitz, vor einigen Jahren soll sich ein österreichischer Hotelinvestor dem Gebäude angenommen haben.[05]
Am 1. April 1750 begann Ernst Ahasverus Heinrich mit seinen Tagebuchaufzeichnungen, 1746 war er an den Hof von Friedrich II. gekommen und als Legationsrat tätig, ein Jahr später ernannte ihn der preußische König zum Kammerherrn seiner Gemahlin Elisabeth Christine (1715 – 1797).[06] Dies dürfte für Ernst Ahasverus Heinrich eine schwere Enttäuschung gewesen sein, vergeblich hoffte er auf eine bedeutendere Aufgabe. Auch nach seinem Ausscheiden am Hof 1775 schrieb Ernst Ahasverus Heinrich weiter, seine 18 Folianten füllenden Aufzeichnungen enden mit dem 8. Oktober 1806. Lehndorff ließ dabei seiner kritischen Feder freien Lauf, sicherlich auch aus einer gewissen Enttäuschung, vom König nicht mit verantwortungsvolleren Ämtern beauftragt worden zu sein. Seine Kritik an der Oberflächlichkeit höfischen Lebens sollte 1907 öffentlich werden. Der Heimatforscher Karl Eduard Schmidt-Lötzen[07] hatte damit begonnen die Tagebücher vom Französischen ins Deutsche zu übersetzen. Nach einem Vorabdruck in den "Mitteilungen der Literarischen Gesellschaft Masovia" erschienen 1907 bei Friedrich Andreas Perthes in Gotha die ersten Tagebücher. Die enorme Resonanz veranlasste Schmidt zu zwei 1910 und 1913 erschienenen Nachtragsbänden, 1921 erschien ein vierter Band unter dem Titel "Des Reichsgrafen Ernst Ahasverus Heinrich Lehndorff Tagebücher nach der Kammerherrenzeit". Die vier von Schmidt-Lötzen bearbeiteten Bände erreichten recht schnell einen gewissen Seltenheitswert[08] , dies veranlasste den ebenfalls aus Ostpreußen stammenden Journalisten Haug von Kuenheim 1982 zu einem Nachdruck in Auszügen. Er beschränkte sich dabei auf eine Auswahl für den Zeitraum von 1753 bis 1767. Der bei der Wochenzeitung "Die Zeit" tätige Journalist fand die von Schmidt-Lötzen bearbeiteten Bände zufällig in der Bibliothek eines Bekannten und war von ihnen sehr beeindruckt.[09]
Die Geschichte der Familie von Lehndorff wie auch die Überlieferung des Bestandes reduziert sich aber nicht nur auf den großen Tagebuchschreiber Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff, zu ihr gehört auch die Geschichte seines Großvaters Ahasverus Gerhard (1637 – 1688). Nach der Ausbildung bei den Jesuiten in Thorn und Braunsberg unternahm er zusammen mit seinem Vetter Georg Friedrich von Eulenburg eine achtjährige Europareise (1656 – 1663), die ihn nach Dänemark, Holland, England, Frankreich, Italien und nach Malta führte und bei der er sich umfassende Fremdsprachenkenntnisse aneignen konnte.
Der Große Kurfürst, in dessen Diensten er seit 1671 stand, ernannte ihn 1683 zum preußischen Oberburggrafen und Kaiser Leopold I. erhob die Lehndorffs 1687 in den Reichsgrafenstand.[10] Von diesem erblichen Privileg profitierte zunächst sein erstgeborener Sohn Ernst Ahasverus (1688 – 1727), der Vater des Tagebuchschreibers Ernst Ahasverus Heinrich. Ernst starb zwei Tage nach der Geburt seines Sohnes am 9. Mai 1727, seine Gattin Marie Louise von Wallenrodt (1697- 1775) blieb bis zu ihrem Tod Witwe. Der früh verstorbene Ernst Ahasverus verließ Steinort 1707 und reiste nach Italien, besuchte Rom, Neapel, Siena, Florenz, Bologna und Genua und kam bis nach Mantua und Alexandria. Danach begann seine Militärkarriere bis zum Oberstleutnant beim Gräflich Finckensteinischen Regiment zu Fuß.[11]
Der Bestand enthält auch Unterlagen von Carl Ludwig, dem 1770 zuerst geborenen Sohn des großen Tagebuchschreibers. Carl Ludwig war aus der zweiten 1769 geschlossenen Ehe mit Amelie Caroline von Schmettau hervorgegangen. Die vier Kinder aus der 1758 geschlossenen Ehe mit Maria von Haeseler waren alle im Säuglings- und Kindesalter verstorben, Maria selbst starb am 23. Juli 1766, neun Tage nach ihrem 24. Geburtstag. Carl Ludwig sollte mit fast 84 Jahren dagegen ein sehr hohes Alter erreichen. Er konnte auf ein bewegtes Soldatenleben zurückblicken, u. a. als Major im Rouquette Dragoner Regiment und in der Völkerschlacht bei Leipzig. Er erwarb Kenntnisse in der modernen Landwirtschaft auf der landwirtschaftlichen Lehranstalt Moeglin, engagierte sich in der Schaf- und Pferdezucht und modernisierte seine Güter durch neue landwirtschaftliche Methoden und Bauten. 1853 erhielt er den Schwarzen Adlerorden. 1823 hatte er Pauline Gräfin von Schlippenbach geheiratet, aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor.[12]
Von seinem erstgeborenen Sohn Carl Meinhardt (1826 – 1883) und vor allem von dessen Frau Anna von Hahn aus dem Hause Basedow finden sich zahlreiche Unterlagen im Bestand. Vor allem Anna, seit 1852 mit Carl Meinhardt verheiratet, widmete sich der Familiengeschichte der Lehndorffs wie die zahlreich aus Archiven und Bibliotheken zusammengetragenen genealogischen Unterlagen zeigen. Gut ein Drittel des Bestandes stammt von ihr und möglicherweise hat sie ganz gezielt aus ihrem Interesse für Familiengeschichte bestimmte Unterlagen wie Memorabilien, Notiz- und Tagebücher, Testamente und Zeugnisse zusammengetragen. Aus der Überlieferungsstruktur folgt diese Vermutung. Da wir den ursprünglichen Ordnungszustand nicht kennen, bleibt dies aber eine Hypothese. Die Veröffentlichung der eingangs genannten Tagebücher geht auch auf Anna von Lehndorff zurück. Karl Eduard Schmidt-Lötzen besuchte sie im Oktober 1891, dabei lernte er Anna als in der Familiengeschichte außerordentlich sachkundige und hilfsbereite Frau kennen, sie stellte ihm für seine Forschungen mehrere Folianten zur Verfügung, dabei entdeckte Schmidt-Lötzen das Tagebuch von Ernst Ahasverus Heinrich, das Anna bereits gelesen hatte und dabei wenig schmeichelhafte Formulierungen von Ernst Ahasverus Heinrich geschwärzt bzw. in anderer Weise unkenntlich gemacht hatte.[13]
Ihr Ehemann Carl Meinhardt[14] konnte auf eine politische Karriere zurückblicken: Aufgewachsen in Steinort, dort ab 1835 Erziehung durch einen Hauslehrer, 1838 Besuch des Kneiphöfischen Gymnasiums in Königsberg, Abiturexamen 1844 in Königsberg. Anschließend studierte er Jura und Camaralia, zunächst ein Semester in Königsberg, dann vier in Bonn und zwei in Berlin. In dieser Zeit eignete er sich Kenntnisse der französischen und englischen Sprache an.
Im Herbst 1849 begleitete Carl Meinhardt seinen Vetter, den Grafen Eulenburg, seinerzeit Regierungspräsident in Marienwerder, nach Flensburg, der dort entsprechend den Bestimmungen des Malmöer Waffenstillstandes Nordschleswig gemeinsam mit einem englischen und dänischen Kommissar ein Jahr lang verwalten sollte. 1850 wurde Carl Meinhardt als Aspirant für eine Diplomatenlaufbahn an die Gesandtschaft nach Wien geschickt und wurde von dort zur Vertretung einer vakanten Legationssekretärsstelle zu Graf Galen nach Dresden berufen. 1852 legte er das dritte diplomatische Examen ab.
Am 16. September 1852 heiratete Carl Meinhardt von Lehndorff Anna von Hahn und widmete sich seit 1854 Steinort und seinen Gütern. Er zählt zu den Gründern der ostpreußischen Südbahn, deren Verwaltungsrat er angehörte, insofern war er auch in den finanziellen Zusammenbruch des Eisenbahnunternehmers Bethel Henry Strousberg verwickelt. Jene Gesellschaft schloss die Provinz Ostpreußen an das russische Eisenbahnnetz an. Carl Meinhardt unterstützte das soziale Engagement seiner Frau. Sie erwarb 1880 das Haus des Riemermeisters Fechner und richtete ein Siechenhaus darin ein, die Keimzelle der späteren "Bethseda"-Anstalten, verwaltet wurde die Einrichtung durch Pfarrer Braun aus Lötzen.[15]
Wie seine Vorfahren war Carl Reichsritter des Johanniter Ordens, gehörte dem Ostpreußisch Conservativen Verein an, war Mitglied des Herrenhauses und des Reichstages. Prägend für seine eher parlamentskritische Haltung soll ein Frankfurt-Aufenthalt im Revolutionsjahr 1848 bei seinem Schwager, dem preußischen Bundestagsabgeordneten Graf von Dönhoff, gewesen sein.[16]
Die militärische Karriere fällt schon in die letzten Lebensjahrzehnte, so diente
Carl Meinhardt im Krieg von 1866 und 1870/71 und nahm auch an der legendären Reiterschlacht bei Mars La Tour teil. Anschließend war er Präfekt im Departement Somme. Carl Meinhardt, Träger des Eisernen Kreuzes II. Klasse, verstarb 1883 in Italien bei Riola nahe Bologna an einem Halsleiden.[17]
Aus der Ehe gingen 9 Kinder hervor, der erste Sohn Meinhard Carl verstarb schon im vierten Lebensjahr 1858, der dann 1860 geborene Carl Meinhard findet sich kaum in der Leipziger Überlieferung wieder.
Bestandsgeschichte und –bearbeitung
Wohl auf Veranlassung von Heinrich von Lehndorff (1909 – 1944) soll Inventar des Steinorter Gutes vor der heranrückenden Sowjetarmee auf die Burg Kriebstein in Sachsen verbracht worden sein. Die urkundlich erstmals 1384 erwähnte Burg befand sich von 1825 bis 1945 im Besitz der Familie von Arnim. Nach 1945 soll von der Sächsischen Landesregierung das Lehndorff'sche Inventar zur Erfüllung von Reparationsverpflichtungen der UdSSR übergeben worden sein, einige barocke Schränke und Schriftgut blieben zurück, diese lagerte man in einem Gutshof im Kreis Döbeln ein. Anfang 1966 ist das Schriftgut der Familie von Lehndorff vom Kreismuseum Döbeln dem Staatsarchiv Leipzig übergeben worden, wie einem Aktenvermerk des damaligen Archivleiters Karl Höhnel vom 18. Dezember 1966 zu entnehmen ist. Höhnel sichtete die Unterlagen und beschrieb in einem Vermerk den Inhalt der 23 Kartons. Der Bestand wurde wegen des umfangreichen genealogischen Materials der 1967 gegründeten Zentralstelle für Genealogie zugeordnet.[18]
Auch wenn der genannte Aktenvermerk dazu keine Auskunft gibt, so dürfte wohl schon zum Übernahmezeitpunkt der Erhaltungszustand der Unterlagen sehr schlecht gewesen sein, finden sich doch die typischen Schadensbilder in erheblichen Größenordnungen: angefangen von noch aktivem Schimmel, über Tinten- und Mäusefraß, Wurmbefall und durch mechanische Einwirkung beschädigte Siegel. Die beschriebene Situation dürfte dafür verantwortlich zeichnen. Nach der Übernahme wurden wohl keine bestandserhaltenden Maßnahmen durchgeführt.
Während der DDR-Jahre schenkte die Zentralstelle dem Bestand keine größere Beachtung. Bereits 1966 waren 67 gedruckte Leichenpredigten dem Bestand entnommen worden. 1968 wurden Verlustlisten der preußischen und badischen Division (1870/71) sowie die Verlustlisten der sächsischen Armee (1914 – 1917) herausgenommen und den Sondersammlungen zugeordnet.[19]
Ungeklärt ist die Übergabe von fünf "Schachteln" des Familienarchivs Lehndorff, die der damalige Leiter der Zentralstelle für Genealogie, Dr. Rothe, am 18. Dezember 1975 vom Stellvertretenden Direktor der Staatlichen Archivverwaltung der DDR, Prof. Kluge, in Empfang nehmen konnte. Die Unterlagen der beim Ministerium des Innern angesiedelten Staatlichen Archivverwaltung der DDR werden heute im Bundesarchiv verwahrt. Die dortigen Kollegen konnten zu diesem Vorgang nur ein kleines handschriftliches Notizzettelchen ermitteln, datiert auf den 8. Juni 1976: "Verweis. Das Familienarchiv von Lehndorff, 17. Jhd. -1871, 4,5 lfm u. 5 Kartons befindet sich in der ZfG unter der Bestandsbezeichnung Bodenreform Burg Kriebstein".[20]
Ansonsten finden sich dazu keine Unterlagen, weder Kluge noch Wolfgang Blöß, Verfasser des Vermerkes, können sich 30 Jahre nach den Ereignissen an den Sachverhalt erinnern. Das Zettelchen wurde unter "Entfremdetes Archivgut" abgelegt. So kann nur spekuliert werden: Möglicherweise gingen Ende der 40er Jahre doch Teile des Familienarchivs an die UdSSR, entweder kamen sie schon in den 50er Jahren ins Deutsche Zentralarchiv nach Potsdam und wurden dann erst Jahre später entdeckt und der Zentralstelle angeboten oder die Unterlagen kehrten erst in den 70er Jahren in die DDR zurück. Möglicherweise überlegte die Zentrale Archivverwaltung diese Teile des Lehndorff'schen Archivgutes in die Bundesrepublik zu verkaufen, denn solche Vorgänge landeten überwiegend in der Ablage "Entfremdetes Archivgut".
Zweifelhaft ist nicht nur die merkwürdige Bestandsbezeichnung, ebenso die Angabe von 4,5 lfm Archivgut in 5 Kartons, umfasst der Gesamtbestand doch heute 6 lfm.
Gut 10 Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR nahm sich die damalige Leiterin des Staatsarchivs Leipzig, Ingrid Grohmann, des Bestandes an. Im Rahmen eines von Martina Wermes betreuten Erschließungsprojektes bearbeitete eine Projektkraft den Bestand. Die Überlieferung verpackt in 50 Kartons, darunter zahlreiche Bündel, zeigte sich chronologisch und sachlich völlig durcheinander. Die Bearbeiterin stand vor der Herausforderung, Unterlagen zu Archivalieneinheiten zu formieren und dabei auf kein inneres Ordnungsschema zurückgreifen zu können. Bereits in dieser Erschließungsphase deutete sich an, dass es sich bei der Leipziger Überlieferung nur um einen Teil des Lehndorff'schen Familienarchivs handeln konnte.
Durch eine entsprechende Anfrage der Behördenleitung des Sächsischen Staatsarchivs beim zuständigen polnischen Archiv im Frühjahr 2007 bestätigte das Staatsarchiv Allenstein (Archiwum Panstwow w Olsztynie) diese Vermutung, verwahren doch die polnischen Kollegen einen Bestand "Archiv des Grafen-Geschlechts Lehndorff zu Steinort/Kreis Wegorzewo". Die Klassifikation des in Polen archivierten Bestandes zeigt, dass ein großer Teil dieser Lehndorff-Überlieferung die des Staatsarchivs Leipzig ergänzt: Neben 252 Archivalieneinheiten zu Familiensachen (Personalia, Kriegsdienst, Ahnenlisten, Korrespondenzen) aus den Jahren 1667 bis 1929 und weiteren 80 Archivalieneinheiten zu Abgeordnetenfunktionen und Tätigkeit in der Gemeinde mit der Laufzeit 1795 bis 1920, finden sich knapp 500 Archivalieneinheiten aus der Zeit von 1715 bis 1917 zur Gutsverwaltung, Güterrechtstitel, Verwaltung von Steinort und Landkeim einschließlich Pferdesachen sowie 41 Archivalieneinheiten zu Obrigkeitssachen, Laufzeit 1744 -1912 .[21]
Die Zersplitterung der Überlieferung verdeutlicht, wie sehr das Lehndorff'sche Familienarchiv wahrscheinlich vor dem Hintergrund der Kriegsereignisse auseinandergerissen wurde, denn zu all diesen Ordnungsteilen finden sich auch Unterlagen in Leipzig, sogar mit derselben Laufzeit. Möglicherweise handelt es sich bei der Allensteiner Überlieferung um den Teil des Familienarchivs, den Karl von Lehndorff zu Beginn des 20. Jhdt. an die Ostpreußische Landschaft nach Königsberg verbracht haben soll, Schwennicke sieht diese Übergabe vor dem Hintergrund der Frage, ob die Lehndorff-Vorfahren im dreizehnjährigen Krieg (1454-1466) Anhänger des Deutschen Ordens oder Mitglied des Preußenbundes gewesen waren.[22]
Mit der virtuellen Zusammenführung einer Auswahl der versprengten Quellen aus dem Lehndorff-Archiv für den Zeitraum vom 18. bis 20. Jahrhundert befasste sich ein Forschungsvorhaben der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, das bis Ende 2019 von Dr. Gaby Huch bearbeitet wurde. Die dabei entstandene Quellenedition sowie die Studie zu den Lebenswelten der Grafen Lehndorff sind online unter https://lebenswelten-lehndorff.bbaw.de und https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:b4-opus4-33708 recherchierbar.
Nach Abschluss der Erschließung im Jahr 2001 wurde der Bestand sachgerecht verpackt. Umfangreiche Konservierungsmaßnahmen folgten. Sie verlangsamen zwar den künftigen Alterungsprozess, ändern aber nichts an den zuvor bereits eingetretenen irreversiblen Informationsverlusten durch Schimmel und Mäusefraß.
Angesichts dieses Erhaltungszustandes erfolgte 2003 die Schutzverfilmung des Bestandes, um in der Benutzung nicht mehr die Originale vorlegen zu müssen und dieselben zu schonen. Im Kontext der vorgesehenen Publikation des Findbuches erhielt der Autor den Auftrag, ein publikationsreifes Findbuch zu erstellen. Im Rahmen einer umfassenden Überarbeitung entstand eine neue Klassifikation, bei der die einzelnen Familienmitglieder das erste Ordnungskriterium bilden. Innerhalb der Klassifikationsgruppen wurde einfach chronologisch geordnet, die genealogischen Sammlungen zu anderen Adelsfamilien (Pkt. 06.04.02) alphabetisch. Die Bestimmung der Provenienz erwies sich als sehr aufwändig, da unvollständige oder sogar fehlende Namen die Regel sind, an Hand von Schriftvergleichen erfolgte die Zuordnung. Die Unterlagen der Gutsverwaltung wurden der Person zugeordnet, auf die der größte Überlieferungsteil entfiel bzw. bei der die Akte zuletzt geführt wurde. Der mit diesem System verbundene Aufwand strukturiert die Überlieferung. Leider musste aber auf Änderungen an den formierten Archivalieneinheiten verzichtet werden, da der Bestand zu diesem Zeitpunkt schon verfilmt war, dies gilt insbesondere für die umfangreiche Briefüberlieferung. Im Mai 2019 übergab das Hauptstaatsarchiv Dresden 36 Karten und Pläne aus seiner Kartensammlung an das Staatsarchiv Leipzig, da diese eindeutig dem Familienarchiv von Lehndorff zugeordnet werden konnten.
Überlieferungsschwerpunkte
Mit Unterlagen zur Gutsverwaltung, aber auch Testamenten, Vormundschaften, Erbstreitigkeiten und Eheverträgen sowie familiengeschichtlichen Forschungen und den damit verbundenen Sammlungen von Leichenpredigten, Grabreden und Inschriften findet sich im Familienarchiv von Lehndorff die typische Struktur von Adelsarchiven.
Darüber hinaus bestimmen drei Unterlagengruppen die in Leipzig verwahrte Lehndorff-Überlieferung:
die zahlreichen Tagebücher, darunter vor allem die des berühmten Tagebuchschreibers Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff. Von ihm sind in Leipzig folgende Tagebücher vorhanden:
Nr. 482: März bis September 1753
Nr. 484: Mai 1770 bis Februar 1775
Nr. 486: April bis Juli 1773; Januar bis März 1784; Februar bis Dezember 1784
Nr. 495: Januar bis November 1799
Nr. 504: Juli 1800 bis Januar 1802.
Aus der Hand anderer Familienmitglieder finden sich folgende Tagebücher:
Amelie Caroline von Lehndorff geborene von Schmettau:
Nr. 490, Juli 1786 bis Februar 1788
Nr. 493, Juni 1790 bis September 1792.
Pauline von Lehndorff:
Nr. 491, Juli 1787 bis Juni 1788.
Carl Ludwig von Lehndorff:
Nr. 492, 1787 bis 1809
Nr. 507, Oktober 1808 bis September 1809.
umfangreiche Korrespondenzen
die genealogischen Sammlungen zur Familie von Lehndorff und zu einer Vielzahl von Adelsfamilien, v. a. mit Lehndorff verwandten Familien wie bspw. den Dönhoffs.
Häufig sind ehemals gewachsene Registraturzusammenhänge bei Adelsarchiven zerstückelt, meist infolge einer Aufteilung des Archivs in Herrschafts- und Familienarchiv. Der Überlieferungsschwerpunkt bei Lehndorff bildet das Familienarchiv, dabei dominiert die Provenienz von Anna von Lehndorff, sie entwickelte zusammen mit ihrem Mann Carl Meinhardt ein besonderes Interesse für die Familiengeschichte. Möglicherweise geht die Aufteilung und die damit verbundene Zerstückelung auf beide zurück. Ein hoher Teil der Unterlagen der übrigen Familienmitglieder könnte Ergebnis einer von Anna allein oder gemeinsam mit ihrem Mann erfolgten Zusammenstellung von Quellen für eine Familiengeschichte sein, der Bereich der Gutsverwaltung und vor allem der der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit ist dagegen eher schwach überliefert. Dennoch kann nicht von einer klaren Aufteilung bzw. Selektbildung in Herrschafts- und Familienarchiv gesprochen werden, denn auch in Allenstein dominieren Familiensachen, 252 der dort vorgehaltenen 656 Archivalieneinheiten entfallen auf Personalia, Kriegsdienste, Korrespondenzen mit Familienmitgliedern, Freunden und Verwandten u. a. mit den Geschlechtern Eulenburg, Dönhoff, Hahn und Schlippenbach. Der Anteil der Gutverwaltung und Güterrechtstitel mit knapp 300 Archivalieneinheiten ist deutlich stärker überliefert als in Leipzig, so dass sicherlich für die Geschichte der Herrschaftsausübung der Familie von Lehndorff Allenstein die erste Adresse darstellt
Literaturhinweise
Georg Graf von Lehndorff (Hrsg.), Handbuch für Pferdezüchter, Berlin 1925.
Hans Graf von Lehndorff, Ostpreußisches Tagebuch: Aufzeichnungen eines Arztes aus den Jahren 1945 bis 1947, Stuttgart 1965.
Ders., Die Insterburger Jahre. Mein Weg zur bekennenden Kirche, München 1982.
Ders., Menschen, Pferde und weites Land: Kindheits- und Jugenderinnerungen, München 2001.
Siegfried Graf von Lehndorff, Ein Leben mit Pferden, Hannover 1956.
Wilhelm Hosäus, Der Oberburggraf Ahasverus von Lehndorff (1637 – 1688), 2. Aufl. Dessau 1868.
Georg Adalbert von Mühlverstedt, Ursprung und Alter des Gräflich von Lehndorff'schen Geschlechts, in: Neue Preußische Provinzialblätter 9 (1856). S. 1 – 40 und 90 – 109.
Detlev Schwennicke, Zur Herkunft, Geschichte und Genealogie der heutigen Grafen von Lehndorff, in: Herold-Jahrbuch NF 3 (1998), S. 183 – 196.
Gustav Sommerfeldt, Über die ältesten preußischen Stammsitze des Geschlechts der Reichsgrafen von Lehndorff, in: Altpreußische Monatsschrift, Bd. XXXVI, Heft 3 u. 4, S. 287 – 302.
Ders., Urkundliche Mitteilungen über die Herren von Lehndorff aus dem Hause Doliewen, in: Altpreußische Monatsschrift, Bd. XXXVI., Heft. 5 und 6, S. 414 – 427.
Dietlind Gentsch, Starthilfe für einen Reichsgrafen. Aus dem Archiv der Familie von Lehndorff auf Steinort. Sächsisches Archivblatt Nr. 2 (2002), S. 16-17.
Hans-Christian Herrmann, Das Familienarchiv der Grafen von Lehndorff. Findbuch zum Bestand 21950 im Sächsischen Staatsarchiv/Staatsarchiv Leipzig. In: Herold – Jahrbuch NF. Bd. 12 (2007), S. 61 – 112.
Gaby Huch, Die Lehndorffs. Lebenswelten einer ostpreußischen Adelsfamilie zwischen 1700 und 1945, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:b4-opus4-33708.
Hinweise zur Benutzung
Bei der Zitierung ist anzugeben: StA-L 21950 Familienarchiv von Lehndorff, Nr. (fettgedruckte Zahl).
H.-Ch. Herrmann
2007
[01] Detlev Schwennicke, Zur Herkunft, Geschichte und Genealogie der heutigen Grafen von Lehndorff, in: Herold Jahrbuch N.F. 3 (1998), S. 183 ff.
[02] Graf Siegfried Lehndorff. Ein Leben mit Pferden. Mit einem Vorwort von Dr. W. Uppenborn, Hildesheim/New York 1977.
[03] Zu seinen zahlreichen Publikationen, siehe Literaturverzeichnis.
[04] Sächsisches Staatsarchiv/Staatsarchiv Leipzig (StA-L), 21950, FA von Lehndorff, Nr. 463.
[05] http://www.reise-nach-ostpreußen.de/Masuren/Steinort/.html. [16.04.2007].
[06] Paul Noack, Elisabeth Christine und Friedrich der Große. Ein Frauenleben in Preußen, Berlin 2001.
[07] Karl Eduard Schmidt-Lötzen (Hrsg.), Dreißig Jahre am Hofe Friedrichs des Großen. Aus den Tagebüchern des Reichsgrafen Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff, Kammerherr der Königin Elisabeth Christine von Preußen, Gotha 1907, Nachträge, Gotha 1910, 1913.
[08] Hinweis von Gisela Langfeldt. Siehe auch dieselbe, in: Mitteilungen des Vereins Freundeskreis der Chronik Pankow e. V., 4 (1999), S. 3. Zur Vita von Hans (1910 – 1987): Studium Jura und Medizin, Angehöriger der Bekennenden Kirche im Dritten Reich, arbeitete bis 1947 als Chirurg unter polnischer und russischer Besatzung in Ostpreussen, später Flucht in den Westen, Chirurg und Chefarzt in Bad Godesberg (1954 – 1970), siehe: Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 6, München 2006, S. 323.
[09] Aus den Tagebüchern des Grafen Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff, hrsg. von Haug von Kuenheim, Berlin 1982.
[10] Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 6, München 2006, S. 322.
[11] StA-L, 21942, Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte Leipzig, Sammlung Leichenpredigten, Nr. A 5388.
[12] Ebd., 21950, Nr. 221, Nekrolog auf Carl Ludwig, Abschrift o. D. eines Abdrucks aus der Hartungschen Zeitung vom 1. März 1854, siehe auch Nr. 213. Ausarbeitungen zu den militärtheoretischen Kontroversen der Generäle von Kalckreuth und von Dolffs, siehe Nr. 23; Aufzeichnungen von Carl Ludwig zur Landwirtschaft, siehe Nr. 507.
[13] Siehe Anm. 7 und 8.
[14] StA-L, 21950, Nr.221, Trauerfeier für Carl Meinhard von Lehndorff.
[15] Ebd.
[16] Ebd.
[17] Ebd.
[18] StA-L, Bestandsakte 21950 FA Lehndorff, Vermerk.
[19] Ebd. Zu den in Leipzig verwahrten Leichenpredigten: Katalog der Leichenpredigten und sonstiger Trauerschriften im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, bearbeitet von Rudolf Lenz, Gabriele Bosch, Werner Hupe, Helga Petzoldt, in: Marburger Personalschriften-Forschungen, Bd. 8, hrsg. von R. Lenz, Stuttgart 2003. Die Leipziger Sammlung besteht im wesentlich aus der vom Verein Roland seit 1919 angelegten Sammlung. Sie umfasst 774 Stück, die restlichen 141 sind auf undurchsichtigen Wegen hinzugekommen, die älteste Leichenpredigt wurde 1570 gedruckt, das jüngste Exemplar ist ohne Angabe des Druckjahres, Sterbejahr ist 1799.
[20] Bundesarchiv (BArch), Bestand DO 1 (Ministerium des Innern/22.0 Staatliche Archivverwaltung) Nr. 2849, Bl. 18.
[21] StA-L, Bestandsakte 21950 FA von Lehndorff, Schreiben des Staatsarchivs Allenstein [Archiwum Panstwowe w Olsztynie, ul. Partyzantow 18, PL-10-521 Olsztyn] an den Direktor des Sächsischen Staatsarchiv, Hr. Dr. Jürgen R. Wolf, vom 28. März 2007.
[22] Schwennicke, S. 188.
Im Unterschied zu anderen bedeutenden Familien können die Lehndorffs auf keine publizierte bzw. gedruckte Stammfolge verweisen, ein Aspekt, auf den vor ein paar Jahren Detlev Schwennicke verwies und für ihn Anlass war, sich ausführlich mit der Herkunft und Genealogie der Grafen von Lehndorff zu beschäftigen.[01]
Die Geschichte der Familie von Lehndorff wird vor allem mit von Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff (1727 – 1811) verfassten Tagebüchern verbunden. Bekannt ist auch Heinrich von Lehndorff (1909 – 1944), der der Widerstandsgruppe um Henning von Treskow angehörte und am 4. September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. Darüber hinaus steht der Name Lehndorff für die Kunst der Pferdezucht, so leitete Georg (1833 – 1914) über viele Jahre (1867 – 1906) das Hauptgestüt Graditz und war von 1887 bis 1906 Oberlandstallmeister und damit Leiter der gesamten Pferdezucht in Preußen. Georg gilt als bedeutendster Hippologe seiner Zeit. Sein Sohn Siegfried (1869 – 1956) folgte dem Vater, leitete das Gestüt Neustadt, arbeitete ebenfalls in Graditz und war dann Landstallmeister von 1928 bis 1933 in Trakehnen. Die Vollblutgestüte Graditz und Trakehnen gehörten zu den Hauptgestüten des preußischen Staates, die herausragende Pferde hervorbrachten.[02] Siegfrieds Sohn Hans (1910 – 1987) prägten die Jahre in Trakehnen, Anlass für ihn, sich publizistisch damit auseinanderzusetzen.[03] Im Unterschied zu Ernst Ahasverus Heinrich findet sich zu den Genannten bis auf Einzelstücke zu Georg leider nichts in der Leipziger Überlieferung.[04]
Seit dem 16. Jahrhundert wohnt die Familie von Lehndorff in Steinort, im Norden der Großen Masurischen Seenplatte. Infolge des Tartareneinfalls 1656 wurde das Anwesen zerstört. Marie Eleonore von Lehndorff geb. von Dönhoff (1664 – 1724) veranlasste 1695 einen Schlossneubau im Barockstil. Das Gebäude wurde nach der Hinrichtung von Heinrich von Lehndorff requiriert und als Feldquartier für Außenminister Joachim von Ribbentrop vorgesehen. Nach dem Krieg diente es für viele Jahre einem landwirtschaftlichen Betrieb als Verwaltungssitz, vor einigen Jahren soll sich ein österreichischer Hotelinvestor dem Gebäude angenommen haben.[05]
Am 1. April 1750 begann Ernst Ahasverus Heinrich mit seinen Tagebuchaufzeichnungen, 1746 war er an den Hof von Friedrich II. gekommen und als Legationsrat tätig, ein Jahr später ernannte ihn der preußische König zum Kammerherrn seiner Gemahlin Elisabeth Christine (1715 – 1797).[06] Dies dürfte für Ernst Ahasverus Heinrich eine schwere Enttäuschung gewesen sein, vergeblich hoffte er auf eine bedeutendere Aufgabe. Auch nach seinem Ausscheiden am Hof 1775 schrieb Ernst Ahasverus Heinrich weiter, seine 18 Folianten füllenden Aufzeichnungen enden mit dem 8. Oktober 1806. Lehndorff ließ dabei seiner kritischen Feder freien Lauf, sicherlich auch aus einer gewissen Enttäuschung, vom König nicht mit verantwortungsvolleren Ämtern beauftragt worden zu sein. Seine Kritik an der Oberflächlichkeit höfischen Lebens sollte 1907 öffentlich werden. Der Heimatforscher Karl Eduard Schmidt-Lötzen[07] hatte damit begonnen die Tagebücher vom Französischen ins Deutsche zu übersetzen. Nach einem Vorabdruck in den "Mitteilungen der Literarischen Gesellschaft Masovia" erschienen 1907 bei Friedrich Andreas Perthes in Gotha die ersten Tagebücher. Die enorme Resonanz veranlasste Schmidt zu zwei 1910 und 1913 erschienenen Nachtragsbänden, 1921 erschien ein vierter Band unter dem Titel "Des Reichsgrafen Ernst Ahasverus Heinrich Lehndorff Tagebücher nach der Kammerherrenzeit". Die vier von Schmidt-Lötzen bearbeiteten Bände erreichten recht schnell einen gewissen Seltenheitswert[08] , dies veranlasste den ebenfalls aus Ostpreußen stammenden Journalisten Haug von Kuenheim 1982 zu einem Nachdruck in Auszügen. Er beschränkte sich dabei auf eine Auswahl für den Zeitraum von 1753 bis 1767. Der bei der Wochenzeitung "Die Zeit" tätige Journalist fand die von Schmidt-Lötzen bearbeiteten Bände zufällig in der Bibliothek eines Bekannten und war von ihnen sehr beeindruckt.[09]
Die Geschichte der Familie von Lehndorff wie auch die Überlieferung des Bestandes reduziert sich aber nicht nur auf den großen Tagebuchschreiber Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff, zu ihr gehört auch die Geschichte seines Großvaters Ahasverus Gerhard (1637 – 1688). Nach der Ausbildung bei den Jesuiten in Thorn und Braunsberg unternahm er zusammen mit seinem Vetter Georg Friedrich von Eulenburg eine achtjährige Europareise (1656 – 1663), die ihn nach Dänemark, Holland, England, Frankreich, Italien und nach Malta führte und bei der er sich umfassende Fremdsprachenkenntnisse aneignen konnte.
Der Große Kurfürst, in dessen Diensten er seit 1671 stand, ernannte ihn 1683 zum preußischen Oberburggrafen und Kaiser Leopold I. erhob die Lehndorffs 1687 in den Reichsgrafenstand.[10] Von diesem erblichen Privileg profitierte zunächst sein erstgeborener Sohn Ernst Ahasverus (1688 – 1727), der Vater des Tagebuchschreibers Ernst Ahasverus Heinrich. Ernst starb zwei Tage nach der Geburt seines Sohnes am 9. Mai 1727, seine Gattin Marie Louise von Wallenrodt (1697- 1775) blieb bis zu ihrem Tod Witwe. Der früh verstorbene Ernst Ahasverus verließ Steinort 1707 und reiste nach Italien, besuchte Rom, Neapel, Siena, Florenz, Bologna und Genua und kam bis nach Mantua und Alexandria. Danach begann seine Militärkarriere bis zum Oberstleutnant beim Gräflich Finckensteinischen Regiment zu Fuß.[11]
Der Bestand enthält auch Unterlagen von Carl Ludwig, dem 1770 zuerst geborenen Sohn des großen Tagebuchschreibers. Carl Ludwig war aus der zweiten 1769 geschlossenen Ehe mit Amelie Caroline von Schmettau hervorgegangen. Die vier Kinder aus der 1758 geschlossenen Ehe mit Maria von Haeseler waren alle im Säuglings- und Kindesalter verstorben, Maria selbst starb am 23. Juli 1766, neun Tage nach ihrem 24. Geburtstag. Carl Ludwig sollte mit fast 84 Jahren dagegen ein sehr hohes Alter erreichen. Er konnte auf ein bewegtes Soldatenleben zurückblicken, u. a. als Major im Rouquette Dragoner Regiment und in der Völkerschlacht bei Leipzig. Er erwarb Kenntnisse in der modernen Landwirtschaft auf der landwirtschaftlichen Lehranstalt Moeglin, engagierte sich in der Schaf- und Pferdezucht und modernisierte seine Güter durch neue landwirtschaftliche Methoden und Bauten. 1853 erhielt er den Schwarzen Adlerorden. 1823 hatte er Pauline Gräfin von Schlippenbach geheiratet, aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor.[12]
Von seinem erstgeborenen Sohn Carl Meinhardt (1826 – 1883) und vor allem von dessen Frau Anna von Hahn aus dem Hause Basedow finden sich zahlreiche Unterlagen im Bestand. Vor allem Anna, seit 1852 mit Carl Meinhardt verheiratet, widmete sich der Familiengeschichte der Lehndorffs wie die zahlreich aus Archiven und Bibliotheken zusammengetragenen genealogischen Unterlagen zeigen. Gut ein Drittel des Bestandes stammt von ihr und möglicherweise hat sie ganz gezielt aus ihrem Interesse für Familiengeschichte bestimmte Unterlagen wie Memorabilien, Notiz- und Tagebücher, Testamente und Zeugnisse zusammengetragen. Aus der Überlieferungsstruktur folgt diese Vermutung. Da wir den ursprünglichen Ordnungszustand nicht kennen, bleibt dies aber eine Hypothese. Die Veröffentlichung der eingangs genannten Tagebücher geht auch auf Anna von Lehndorff zurück. Karl Eduard Schmidt-Lötzen besuchte sie im Oktober 1891, dabei lernte er Anna als in der Familiengeschichte außerordentlich sachkundige und hilfsbereite Frau kennen, sie stellte ihm für seine Forschungen mehrere Folianten zur Verfügung, dabei entdeckte Schmidt-Lötzen das Tagebuch von Ernst Ahasverus Heinrich, das Anna bereits gelesen hatte und dabei wenig schmeichelhafte Formulierungen von Ernst Ahasverus Heinrich geschwärzt bzw. in anderer Weise unkenntlich gemacht hatte.[13]
Ihr Ehemann Carl Meinhardt[14] konnte auf eine politische Karriere zurückblicken: Aufgewachsen in Steinort, dort ab 1835 Erziehung durch einen Hauslehrer, 1838 Besuch des Kneiphöfischen Gymnasiums in Königsberg, Abiturexamen 1844 in Königsberg. Anschließend studierte er Jura und Camaralia, zunächst ein Semester in Königsberg, dann vier in Bonn und zwei in Berlin. In dieser Zeit eignete er sich Kenntnisse der französischen und englischen Sprache an.
Im Herbst 1849 begleitete Carl Meinhardt seinen Vetter, den Grafen Eulenburg, seinerzeit Regierungspräsident in Marienwerder, nach Flensburg, der dort entsprechend den Bestimmungen des Malmöer Waffenstillstandes Nordschleswig gemeinsam mit einem englischen und dänischen Kommissar ein Jahr lang verwalten sollte. 1850 wurde Carl Meinhardt als Aspirant für eine Diplomatenlaufbahn an die Gesandtschaft nach Wien geschickt und wurde von dort zur Vertretung einer vakanten Legationssekretärsstelle zu Graf Galen nach Dresden berufen. 1852 legte er das dritte diplomatische Examen ab.
Am 16. September 1852 heiratete Carl Meinhardt von Lehndorff Anna von Hahn und widmete sich seit 1854 Steinort und seinen Gütern. Er zählt zu den Gründern der ostpreußischen Südbahn, deren Verwaltungsrat er angehörte, insofern war er auch in den finanziellen Zusammenbruch des Eisenbahnunternehmers Bethel Henry Strousberg verwickelt. Jene Gesellschaft schloss die Provinz Ostpreußen an das russische Eisenbahnnetz an. Carl Meinhardt unterstützte das soziale Engagement seiner Frau. Sie erwarb 1880 das Haus des Riemermeisters Fechner und richtete ein Siechenhaus darin ein, die Keimzelle der späteren "Bethseda"-Anstalten, verwaltet wurde die Einrichtung durch Pfarrer Braun aus Lötzen.[15]
Wie seine Vorfahren war Carl Reichsritter des Johanniter Ordens, gehörte dem Ostpreußisch Conservativen Verein an, war Mitglied des Herrenhauses und des Reichstages. Prägend für seine eher parlamentskritische Haltung soll ein Frankfurt-Aufenthalt im Revolutionsjahr 1848 bei seinem Schwager, dem preußischen Bundestagsabgeordneten Graf von Dönhoff, gewesen sein.[16]
Die militärische Karriere fällt schon in die letzten Lebensjahrzehnte, so diente
Carl Meinhardt im Krieg von 1866 und 1870/71 und nahm auch an der legendären Reiterschlacht bei Mars La Tour teil. Anschließend war er Präfekt im Departement Somme. Carl Meinhardt, Träger des Eisernen Kreuzes II. Klasse, verstarb 1883 in Italien bei Riola nahe Bologna an einem Halsleiden.[17]
Aus der Ehe gingen 9 Kinder hervor, der erste Sohn Meinhard Carl verstarb schon im vierten Lebensjahr 1858, der dann 1860 geborene Carl Meinhard findet sich kaum in der Leipziger Überlieferung wieder.
Bestandsgeschichte und –bearbeitung
Wohl auf Veranlassung von Heinrich von Lehndorff (1909 – 1944) soll Inventar des Steinorter Gutes vor der heranrückenden Sowjetarmee auf die Burg Kriebstein in Sachsen verbracht worden sein. Die urkundlich erstmals 1384 erwähnte Burg befand sich von 1825 bis 1945 im Besitz der Familie von Arnim. Nach 1945 soll von der Sächsischen Landesregierung das Lehndorff'sche Inventar zur Erfüllung von Reparationsverpflichtungen der UdSSR übergeben worden sein, einige barocke Schränke und Schriftgut blieben zurück, diese lagerte man in einem Gutshof im Kreis Döbeln ein. Anfang 1966 ist das Schriftgut der Familie von Lehndorff vom Kreismuseum Döbeln dem Staatsarchiv Leipzig übergeben worden, wie einem Aktenvermerk des damaligen Archivleiters Karl Höhnel vom 18. Dezember 1966 zu entnehmen ist. Höhnel sichtete die Unterlagen und beschrieb in einem Vermerk den Inhalt der 23 Kartons. Der Bestand wurde wegen des umfangreichen genealogischen Materials der 1967 gegründeten Zentralstelle für Genealogie zugeordnet.[18]
Auch wenn der genannte Aktenvermerk dazu keine Auskunft gibt, so dürfte wohl schon zum Übernahmezeitpunkt der Erhaltungszustand der Unterlagen sehr schlecht gewesen sein, finden sich doch die typischen Schadensbilder in erheblichen Größenordnungen: angefangen von noch aktivem Schimmel, über Tinten- und Mäusefraß, Wurmbefall und durch mechanische Einwirkung beschädigte Siegel. Die beschriebene Situation dürfte dafür verantwortlich zeichnen. Nach der Übernahme wurden wohl keine bestandserhaltenden Maßnahmen durchgeführt.
Während der DDR-Jahre schenkte die Zentralstelle dem Bestand keine größere Beachtung. Bereits 1966 waren 67 gedruckte Leichenpredigten dem Bestand entnommen worden. 1968 wurden Verlustlisten der preußischen und badischen Division (1870/71) sowie die Verlustlisten der sächsischen Armee (1914 – 1917) herausgenommen und den Sondersammlungen zugeordnet.[19]
Ungeklärt ist die Übergabe von fünf "Schachteln" des Familienarchivs Lehndorff, die der damalige Leiter der Zentralstelle für Genealogie, Dr. Rothe, am 18. Dezember 1975 vom Stellvertretenden Direktor der Staatlichen Archivverwaltung der DDR, Prof. Kluge, in Empfang nehmen konnte. Die Unterlagen der beim Ministerium des Innern angesiedelten Staatlichen Archivverwaltung der DDR werden heute im Bundesarchiv verwahrt. Die dortigen Kollegen konnten zu diesem Vorgang nur ein kleines handschriftliches Notizzettelchen ermitteln, datiert auf den 8. Juni 1976: "Verweis. Das Familienarchiv von Lehndorff, 17. Jhd. -1871, 4,5 lfm u. 5 Kartons befindet sich in der ZfG unter der Bestandsbezeichnung Bodenreform Burg Kriebstein".[20]
Ansonsten finden sich dazu keine Unterlagen, weder Kluge noch Wolfgang Blöß, Verfasser des Vermerkes, können sich 30 Jahre nach den Ereignissen an den Sachverhalt erinnern. Das Zettelchen wurde unter "Entfremdetes Archivgut" abgelegt. So kann nur spekuliert werden: Möglicherweise gingen Ende der 40er Jahre doch Teile des Familienarchivs an die UdSSR, entweder kamen sie schon in den 50er Jahren ins Deutsche Zentralarchiv nach Potsdam und wurden dann erst Jahre später entdeckt und der Zentralstelle angeboten oder die Unterlagen kehrten erst in den 70er Jahren in die DDR zurück. Möglicherweise überlegte die Zentrale Archivverwaltung diese Teile des Lehndorff'schen Archivgutes in die Bundesrepublik zu verkaufen, denn solche Vorgänge landeten überwiegend in der Ablage "Entfremdetes Archivgut".
Zweifelhaft ist nicht nur die merkwürdige Bestandsbezeichnung, ebenso die Angabe von 4,5 lfm Archivgut in 5 Kartons, umfasst der Gesamtbestand doch heute 6 lfm.
Gut 10 Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR nahm sich die damalige Leiterin des Staatsarchivs Leipzig, Ingrid Grohmann, des Bestandes an. Im Rahmen eines von Martina Wermes betreuten Erschließungsprojektes bearbeitete eine Projektkraft den Bestand. Die Überlieferung verpackt in 50 Kartons, darunter zahlreiche Bündel, zeigte sich chronologisch und sachlich völlig durcheinander. Die Bearbeiterin stand vor der Herausforderung, Unterlagen zu Archivalieneinheiten zu formieren und dabei auf kein inneres Ordnungsschema zurückgreifen zu können. Bereits in dieser Erschließungsphase deutete sich an, dass es sich bei der Leipziger Überlieferung nur um einen Teil des Lehndorff'schen Familienarchivs handeln konnte.
Durch eine entsprechende Anfrage der Behördenleitung des Sächsischen Staatsarchivs beim zuständigen polnischen Archiv im Frühjahr 2007 bestätigte das Staatsarchiv Allenstein (Archiwum Panstwow w Olsztynie) diese Vermutung, verwahren doch die polnischen Kollegen einen Bestand "Archiv des Grafen-Geschlechts Lehndorff zu Steinort/Kreis Wegorzewo". Die Klassifikation des in Polen archivierten Bestandes zeigt, dass ein großer Teil dieser Lehndorff-Überlieferung die des Staatsarchivs Leipzig ergänzt: Neben 252 Archivalieneinheiten zu Familiensachen (Personalia, Kriegsdienst, Ahnenlisten, Korrespondenzen) aus den Jahren 1667 bis 1929 und weiteren 80 Archivalieneinheiten zu Abgeordnetenfunktionen und Tätigkeit in der Gemeinde mit der Laufzeit 1795 bis 1920, finden sich knapp 500 Archivalieneinheiten aus der Zeit von 1715 bis 1917 zur Gutsverwaltung, Güterrechtstitel, Verwaltung von Steinort und Landkeim einschließlich Pferdesachen sowie 41 Archivalieneinheiten zu Obrigkeitssachen, Laufzeit 1744 -1912 .[21]
Die Zersplitterung der Überlieferung verdeutlicht, wie sehr das Lehndorff'sche Familienarchiv wahrscheinlich vor dem Hintergrund der Kriegsereignisse auseinandergerissen wurde, denn zu all diesen Ordnungsteilen finden sich auch Unterlagen in Leipzig, sogar mit derselben Laufzeit. Möglicherweise handelt es sich bei der Allensteiner Überlieferung um den Teil des Familienarchivs, den Karl von Lehndorff zu Beginn des 20. Jhdt. an die Ostpreußische Landschaft nach Königsberg verbracht haben soll, Schwennicke sieht diese Übergabe vor dem Hintergrund der Frage, ob die Lehndorff-Vorfahren im dreizehnjährigen Krieg (1454-1466) Anhänger des Deutschen Ordens oder Mitglied des Preußenbundes gewesen waren.[22]
Mit der virtuellen Zusammenführung einer Auswahl der versprengten Quellen aus dem Lehndorff-Archiv für den Zeitraum vom 18. bis 20. Jahrhundert befasste sich ein Forschungsvorhaben der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, das bis Ende 2019 von Dr. Gaby Huch bearbeitet wurde. Die dabei entstandene Quellenedition sowie die Studie zu den Lebenswelten der Grafen Lehndorff sind online unter https://lebenswelten-lehndorff.bbaw.de und https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:b4-opus4-33708 recherchierbar.
Nach Abschluss der Erschließung im Jahr 2001 wurde der Bestand sachgerecht verpackt. Umfangreiche Konservierungsmaßnahmen folgten. Sie verlangsamen zwar den künftigen Alterungsprozess, ändern aber nichts an den zuvor bereits eingetretenen irreversiblen Informationsverlusten durch Schimmel und Mäusefraß.
Angesichts dieses Erhaltungszustandes erfolgte 2003 die Schutzverfilmung des Bestandes, um in der Benutzung nicht mehr die Originale vorlegen zu müssen und dieselben zu schonen. Im Kontext der vorgesehenen Publikation des Findbuches erhielt der Autor den Auftrag, ein publikationsreifes Findbuch zu erstellen. Im Rahmen einer umfassenden Überarbeitung entstand eine neue Klassifikation, bei der die einzelnen Familienmitglieder das erste Ordnungskriterium bilden. Innerhalb der Klassifikationsgruppen wurde einfach chronologisch geordnet, die genealogischen Sammlungen zu anderen Adelsfamilien (Pkt. 06.04.02) alphabetisch. Die Bestimmung der Provenienz erwies sich als sehr aufwändig, da unvollständige oder sogar fehlende Namen die Regel sind, an Hand von Schriftvergleichen erfolgte die Zuordnung. Die Unterlagen der Gutsverwaltung wurden der Person zugeordnet, auf die der größte Überlieferungsteil entfiel bzw. bei der die Akte zuletzt geführt wurde. Der mit diesem System verbundene Aufwand strukturiert die Überlieferung. Leider musste aber auf Änderungen an den formierten Archivalieneinheiten verzichtet werden, da der Bestand zu diesem Zeitpunkt schon verfilmt war, dies gilt insbesondere für die umfangreiche Briefüberlieferung. Im Mai 2019 übergab das Hauptstaatsarchiv Dresden 36 Karten und Pläne aus seiner Kartensammlung an das Staatsarchiv Leipzig, da diese eindeutig dem Familienarchiv von Lehndorff zugeordnet werden konnten.
Überlieferungsschwerpunkte
Mit Unterlagen zur Gutsverwaltung, aber auch Testamenten, Vormundschaften, Erbstreitigkeiten und Eheverträgen sowie familiengeschichtlichen Forschungen und den damit verbundenen Sammlungen von Leichenpredigten, Grabreden und Inschriften findet sich im Familienarchiv von Lehndorff die typische Struktur von Adelsarchiven.
Darüber hinaus bestimmen drei Unterlagengruppen die in Leipzig verwahrte Lehndorff-Überlieferung:
die zahlreichen Tagebücher, darunter vor allem die des berühmten Tagebuchschreibers Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff. Von ihm sind in Leipzig folgende Tagebücher vorhanden:
Nr. 482: März bis September 1753
Nr. 484: Mai 1770 bis Februar 1775
Nr. 486: April bis Juli 1773; Januar bis März 1784; Februar bis Dezember 1784
Nr. 495: Januar bis November 1799
Nr. 504: Juli 1800 bis Januar 1802.
Aus der Hand anderer Familienmitglieder finden sich folgende Tagebücher:
Amelie Caroline von Lehndorff geborene von Schmettau:
Nr. 490, Juli 1786 bis Februar 1788
Nr. 493, Juni 1790 bis September 1792.
Pauline von Lehndorff:
Nr. 491, Juli 1787 bis Juni 1788.
Carl Ludwig von Lehndorff:
Nr. 492, 1787 bis 1809
Nr. 507, Oktober 1808 bis September 1809.
umfangreiche Korrespondenzen
die genealogischen Sammlungen zur Familie von Lehndorff und zu einer Vielzahl von Adelsfamilien, v. a. mit Lehndorff verwandten Familien wie bspw. den Dönhoffs.
Häufig sind ehemals gewachsene Registraturzusammenhänge bei Adelsarchiven zerstückelt, meist infolge einer Aufteilung des Archivs in Herrschafts- und Familienarchiv. Der Überlieferungsschwerpunkt bei Lehndorff bildet das Familienarchiv, dabei dominiert die Provenienz von Anna von Lehndorff, sie entwickelte zusammen mit ihrem Mann Carl Meinhardt ein besonderes Interesse für die Familiengeschichte. Möglicherweise geht die Aufteilung und die damit verbundene Zerstückelung auf beide zurück. Ein hoher Teil der Unterlagen der übrigen Familienmitglieder könnte Ergebnis einer von Anna allein oder gemeinsam mit ihrem Mann erfolgten Zusammenstellung von Quellen für eine Familiengeschichte sein, der Bereich der Gutsverwaltung und vor allem der der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit ist dagegen eher schwach überliefert. Dennoch kann nicht von einer klaren Aufteilung bzw. Selektbildung in Herrschafts- und Familienarchiv gesprochen werden, denn auch in Allenstein dominieren Familiensachen, 252 der dort vorgehaltenen 656 Archivalieneinheiten entfallen auf Personalia, Kriegsdienste, Korrespondenzen mit Familienmitgliedern, Freunden und Verwandten u. a. mit den Geschlechtern Eulenburg, Dönhoff, Hahn und Schlippenbach. Der Anteil der Gutverwaltung und Güterrechtstitel mit knapp 300 Archivalieneinheiten ist deutlich stärker überliefert als in Leipzig, so dass sicherlich für die Geschichte der Herrschaftsausübung der Familie von Lehndorff Allenstein die erste Adresse darstellt
Literaturhinweise
Georg Graf von Lehndorff (Hrsg.), Handbuch für Pferdezüchter, Berlin 1925.
Hans Graf von Lehndorff, Ostpreußisches Tagebuch: Aufzeichnungen eines Arztes aus den Jahren 1945 bis 1947, Stuttgart 1965.
Ders., Die Insterburger Jahre. Mein Weg zur bekennenden Kirche, München 1982.
Ders., Menschen, Pferde und weites Land: Kindheits- und Jugenderinnerungen, München 2001.
Siegfried Graf von Lehndorff, Ein Leben mit Pferden, Hannover 1956.
Wilhelm Hosäus, Der Oberburggraf Ahasverus von Lehndorff (1637 – 1688), 2. Aufl. Dessau 1868.
Georg Adalbert von Mühlverstedt, Ursprung und Alter des Gräflich von Lehndorff'schen Geschlechts, in: Neue Preußische Provinzialblätter 9 (1856). S. 1 – 40 und 90 – 109.
Detlev Schwennicke, Zur Herkunft, Geschichte und Genealogie der heutigen Grafen von Lehndorff, in: Herold-Jahrbuch NF 3 (1998), S. 183 – 196.
Gustav Sommerfeldt, Über die ältesten preußischen Stammsitze des Geschlechts der Reichsgrafen von Lehndorff, in: Altpreußische Monatsschrift, Bd. XXXVI, Heft 3 u. 4, S. 287 – 302.
Ders., Urkundliche Mitteilungen über die Herren von Lehndorff aus dem Hause Doliewen, in: Altpreußische Monatsschrift, Bd. XXXVI., Heft. 5 und 6, S. 414 – 427.
Dietlind Gentsch, Starthilfe für einen Reichsgrafen. Aus dem Archiv der Familie von Lehndorff auf Steinort. Sächsisches Archivblatt Nr. 2 (2002), S. 16-17.
Hans-Christian Herrmann, Das Familienarchiv der Grafen von Lehndorff. Findbuch zum Bestand 21950 im Sächsischen Staatsarchiv/Staatsarchiv Leipzig. In: Herold – Jahrbuch NF. Bd. 12 (2007), S. 61 – 112.
Gaby Huch, Die Lehndorffs. Lebenswelten einer ostpreußischen Adelsfamilie zwischen 1700 und 1945, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:b4-opus4-33708.
Hinweise zur Benutzung
Bei der Zitierung ist anzugeben: StA-L 21950 Familienarchiv von Lehndorff, Nr. (fettgedruckte Zahl).
H.-Ch. Herrmann
2007
[01] Detlev Schwennicke, Zur Herkunft, Geschichte und Genealogie der heutigen Grafen von Lehndorff, in: Herold Jahrbuch N.F. 3 (1998), S. 183 ff.
[02] Graf Siegfried Lehndorff. Ein Leben mit Pferden. Mit einem Vorwort von Dr. W. Uppenborn, Hildesheim/New York 1977.
[03] Zu seinen zahlreichen Publikationen, siehe Literaturverzeichnis.
[04] Sächsisches Staatsarchiv/Staatsarchiv Leipzig (StA-L), 21950, FA von Lehndorff, Nr. 463.
[05] http://www.reise-nach-ostpreußen.de/Masuren/Steinort/.html. [16.04.2007].
[06] Paul Noack, Elisabeth Christine und Friedrich der Große. Ein Frauenleben in Preußen, Berlin 2001.
[07] Karl Eduard Schmidt-Lötzen (Hrsg.), Dreißig Jahre am Hofe Friedrichs des Großen. Aus den Tagebüchern des Reichsgrafen Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff, Kammerherr der Königin Elisabeth Christine von Preußen, Gotha 1907, Nachträge, Gotha 1910, 1913.
[08] Hinweis von Gisela Langfeldt. Siehe auch dieselbe, in: Mitteilungen des Vereins Freundeskreis der Chronik Pankow e. V., 4 (1999), S. 3. Zur Vita von Hans (1910 – 1987): Studium Jura und Medizin, Angehöriger der Bekennenden Kirche im Dritten Reich, arbeitete bis 1947 als Chirurg unter polnischer und russischer Besatzung in Ostpreussen, später Flucht in den Westen, Chirurg und Chefarzt in Bad Godesberg (1954 – 1970), siehe: Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 6, München 2006, S. 323.
[09] Aus den Tagebüchern des Grafen Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff, hrsg. von Haug von Kuenheim, Berlin 1982.
[10] Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 6, München 2006, S. 322.
[11] StA-L, 21942, Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte Leipzig, Sammlung Leichenpredigten, Nr. A 5388.
[12] Ebd., 21950, Nr. 221, Nekrolog auf Carl Ludwig, Abschrift o. D. eines Abdrucks aus der Hartungschen Zeitung vom 1. März 1854, siehe auch Nr. 213. Ausarbeitungen zu den militärtheoretischen Kontroversen der Generäle von Kalckreuth und von Dolffs, siehe Nr. 23; Aufzeichnungen von Carl Ludwig zur Landwirtschaft, siehe Nr. 507.
[13] Siehe Anm. 7 und 8.
[14] StA-L, 21950, Nr.221, Trauerfeier für Carl Meinhard von Lehndorff.
[15] Ebd.
[16] Ebd.
[17] Ebd.
[18] StA-L, Bestandsakte 21950 FA Lehndorff, Vermerk.
[19] Ebd. Zu den in Leipzig verwahrten Leichenpredigten: Katalog der Leichenpredigten und sonstiger Trauerschriften im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, bearbeitet von Rudolf Lenz, Gabriele Bosch, Werner Hupe, Helga Petzoldt, in: Marburger Personalschriften-Forschungen, Bd. 8, hrsg. von R. Lenz, Stuttgart 2003. Die Leipziger Sammlung besteht im wesentlich aus der vom Verein Roland seit 1919 angelegten Sammlung. Sie umfasst 774 Stück, die restlichen 141 sind auf undurchsichtigen Wegen hinzugekommen, die älteste Leichenpredigt wurde 1570 gedruckt, das jüngste Exemplar ist ohne Angabe des Druckjahres, Sterbejahr ist 1799.
[20] Bundesarchiv (BArch), Bestand DO 1 (Ministerium des Innern/22.0 Staatliche Archivverwaltung) Nr. 2849, Bl. 18.
[21] StA-L, Bestandsakte 21950 FA von Lehndorff, Schreiben des Staatsarchivs Allenstein [Archiwum Panstwowe w Olsztynie, ul. Partyzantow 18, PL-10-521 Olsztyn] an den Direktor des Sächsischen Staatsarchiv, Hr. Dr. Jürgen R. Wolf, vom 28. März 2007.
[22] Schwennicke, S. 188.
Gentsch, Dietlind: Starthilfe für einen Reichsgrafen. Aus dem Archiv der Familie von Lehndorff auf Steinort. Sächsisches Archivblatt Nr. 2 (2002), S. 16-17.
Persönliche Dokumente.- Leichenpredigten.- Pacht- und Mietverträge.- Rechnungsbücher.- Eheverträge.- Testamente.- Einwohnerlisten der Steinortschen Güter.
Das Archiv wurde auf dem Lehndorffschen Stammsitz in Groß-Steinort in Ostpreußen aufbewahrt. Die Mehrzahl der Unterlagen stammt aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Die Unterlagen sind nach den Aktivitäten der Familienmitglieder im Staats- und Militärbereich, in der regionalen Verwaltung und Öffentlichkeit, in der eigenen Gutswirtschaft und in der Familie gegliedert. 1945 waren die Unterlagen auf die Burg Kriebstein gebracht worden, 1966 gelangten sie ins Staatsarchiv Leipzig.
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