26.06.2020

Archivale im Fokus

Archivale
Einträge vom 2. bis 9. März [1844] – Gedichtverse, entstanden auf der Rückreise nach London. 
© Quelle: SächsStA-F, 40100 Nachlass Karl August Weise, Nr. 1

Karl August Weise: Ein sächsischer Bergmann auf einer Reise in die Karibik

Der Bergmann Karl August Weise, geboren 1814, begab sich im Oktober des Jahres 1843 auf eine mehrmonatige Reise nach Haiti, deren Stationen und Erfahrungen er in einem kleinen Tagebuch chronologisch festhielt. Selbstzeugnisse einfacher Bergleute sind selten überliefert, und noch seltener sind entsprechende Reiseberichte. Die Umstände dieser Reise liegen im Dunkeln. Bekannt ist, dass Freiberger Montanwissenschaftler weltweit gefragte Fachleute waren, deren Expertise gerne eingeholt wurde. So unternahmen der Freiberger Schichtmeister Thomas Haupt und der Candidat des Bergwesens und spätere Berggeschworene Gustav Adolph Netto im Jahr 1836 – also sieben Jahre vor der Unternehmung des K. A. Weise – eine Inspektionsreise im Auftrag der Englisch-Haitianischen Minen-Compagnie nach Santo Domingo (Haiti), um dort die Chancen und Möglichkeiten für eine Investition in Bergwerksvorhaben zu erkunden.[1]  Zu diesen Expeditionen gehörten nicht nur Wissenschaftler und Bergbeamte, sondern auch einfache Bergleute. Man darf vermuten, dass Karl August Weise im Jahr 1843 Teil einer solchen Mannschaft war, weitere Belege für eine derartige Reise sind bislang allerdings nicht bekannt. Dafür spricht, dass die Reise zunächst nach London führte, und erst von dort aus in die Karibik. Charakteristisch für derartige Unternehmungen war eine absolute Verschwiegenheit, schließlich ging es um erhebliche finanzielle Investitionen und Verdienst- resp. Gewinnmöglichkeiten. Detaillierte Aufzeichnungen über Geologische Verhältnisse, genaue Ortsangaben auf Haiti oder gar Erkundungsergebnisse enthält das Tagebuch deshalb nicht.

Sein Weg führte Karl August Weise zunächst von Großschirma (nördl. Freiberg) über Hamburg nach London. Von dort aus dauerte die Überfahrt zur Insel Haiti in der Karibik sieben Wochen. Eine lange Zeit, die er sich unter anderem mit dem Lesen von Büchern, Kartenspielen und dem Erlernen der spanischen Sprache vertrieb. Die Fahrt über das Meer inspirierte ihn auf der Rückfahrt auch dazu, einige kleine Gedichte zu schreiben. Auf Haiti schildert Weise die Expeditionen zu verschiedenen Gruben, um die dortigen Gänge zu untersuchen. Daneben blieb auch viel Zeit zur Erkundung der Insel. In seinem Tagebuch beschreibt Weise die Gegenden, durch die er kam und deren Bewohner. So findet er z. B. auf seinen Ausflügen immer wieder Spuren des großen Cap-Haïtien-Erdbebens vom 7. Mai 1842, wie zusammengestürzte Gruben oder die zerstörten Häuser in der Stadt Cap-Haïtien selbst. Nach etwa zwei Monaten auf Haiti kehrte Weise nach Hause zurück und erreichte schließlich im April 1844 seine Heimat Großschirma.

Durch Weises Aufzeichnungen bekommt der Leser einen Eindruck, welche Strapazen eine solche lange und weite Reise Mitte des 19. Jahrhunderts mit sich brachte. Unwetter, Seekrankheit und schlechte Verpflegung an Bord setzten Weise und seinen Mitreisenden stark zu. Wie unsicher und gefährlich derartige Unternehmungen damals waren, zeigt sich bereits im ersten Eintrag, als Weise sich von seiner Familie verabschiedet und vermerkt: »[…] und wußte nicht ob ich wieder kam oder nicht.«

Das Tagebuch eines einfachen Bergmannes mit seinen täglichen Eintragungen ist ein bemerkenswertes Zeitzeugnis einer nicht alltäglichen Reise. Weises Tagebuch ist ein Büchlein im A6-Format, das neben der Reisebeschreibung auch ein »Stammbuch« des Autors enthält. Zusammen sind dies die einzigen Informationen, die es zur Person Karl August Weises gibt.

Der Bestand 40100 Nachlass Karl August Weise umfasst neben dem Tagebuch auch eine moderne handschriftliche Abschrift der Reisebeschreibung.

[1] SächsStA-F, 40002 Berghauptmannschaft, Nr. 27, fol. 33ff; SächsStA-F, 40010 Bergamt Freiberg, Nr. 800.

 

zurück zum Seitenanfang