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1904-2014: 110 Jahre Flurnamenerfassung und Flurnamenforschung in Sachsen

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(© Sächsisches Staatsarchiv)

Zur Vorbereitung eines historischen Ortsverzeichnisses für Sachsen sandte die 1896 gegründete Sächsische Kommission für Geschichte im Dezember 1902 Fragebögen an alle Städte und Gemeinden und bat um Informationen zu örtlichen Wüstungen und Flurnamen. Die Resonanz auf diesen ersten Versuch einer systematischen Erfassung der Flurnamen in Sachsen fiel von Ort zu Ort sehr unterschiedlich aus. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 2159)

Fragebogen zur Ermittlung der älteren Flurverhältnisse in Sachsen, 1902
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Hans Beschorner (1872-1956) war ab 1899 im sächsischen Archivdienst tätig, von 1928 bis 1937 als Direktor des Sächsischen Hauptstaatsarchivs. Ab 1901 wurde er zum Spiritus rector der Flurnamen- und Wüstungsforschung in Sachsen. Von 1905 bis zu seinem Tod leitete er die von ihm gegründete Sächsische Flurnamenstelle, von 1920 bis 1949 außerdem die Zentralstelle für deutsche Flurnamenforschung. (SächsStA-D, Fotosammlung Archivdirektoren)

Professor Dr. Hans Beschorner, um 1930
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Die Erfassung der Flurnamen wurde ab 1904 zu einem offiziellen Vorhaben der Sächsischen Kommission für Geschichte. Ihr Vorsitzender, der renommierte Leipziger Historiker Karl Lamprecht, unterzeichnete ein Rundschreiben an alle sächsischen Flurnamensammler, dem Kopien der Flurkrokis (Flurkarten) ihrer Orte sowie Anweisungen für das Erfassen und Eintragen der Flurnamen beilagen. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 46, Bl. 83)

Versendung von Flurkrokis-Kopien an sächsische Flurnamensammler, 1906
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Anlässlich der Internationalen Baufachausstellung 1913 in Leipzig entstand die Gartenstadt Marienbrunn. 1912 erkundigte sich die Gartenvorstadt Leipzig-Marienbrunn GmbH bei der Sächsischen Flurnamenstelle nach Flurnamen, um sie bei der Benennung von Straßen zu verwenden. Letztlich erhielten die Straßen in Marienbrunn jedoch hauptsächlich Namen von Märchengestalten und -erzählern. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 47, Bl. 80)

Anfrage der Gartenvorstadt Leipzig-Marienbrunn GmbH, 1912
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Zur Erfassung der sächsischen Flurnamen mobilisierte die Flurnamenstelle zahlreiche freiwillige Helfer. Sehr häufig kam es zur Mitwirkung von Lehrern, die sich in der Regel gut vor Ort auskannten. Besonders systematisch um die Einbeziehung der Lehrer in die Flurnamensammlung warb der Bezirksschulinspektor der Amtshauptmannschaft Rochlitz, Dr. Weidemüller. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 42, Bl. 47)

Mitwirkung von Lehrern an der Erfassung von Flurnamen, 1913
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Während des Ersten Weltkrieges kam die Flurnamenforschung weitgehend zum Erliegen. Wegen kriegsbedingter Zusatzaufgaben fehlte die Zeit für die Flurnamenarbeit. Zahlreiche Flurnamensammler wurden zum Heer eingezogen und ließen, wie Paul Köhler aus Rochlitz, an der Front ihr Leben. Der durch den Weltkrieg verursachte Rückstand wurde nach 1918 nur mühsam wieder aufgeholt. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 39, Bl. 20)

Todesanzeige für den Flurnamensammler Paul Köhler, 1918
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Die Sächsische Flurnamenstelle erhielt finanzielle Unterstützung durch die Kommission für Geschichte. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet diese jedoch selbst in wirtschaftliche Not, so dass Hans Beschorner bei sächsischen Unternehmen um Hilfe bitten musste. Zu einer jährlichen Spende von 100 Mark erklärte sich die Orientalische Tabak- und Cigarettenfabrik Yenidze in Dresden bereit. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 82, Bl. 100)

Spende der Orientalischen Tabak- und Cigarettenfabrik Yenidze, 1925
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Im Jahr 1930 erschien mit Unterstützung des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz die erste Ausgabe des »Sächsischen Flurnamensammlers«. Mit dieser Zeitschrift gewann die sächsische Flurnamenforschung eine öffentlichkeitswirksame Plattform. Die insgesamt siebzehn Hefte der Zeitschrift informierten bis 1943 über die Erfassung und Erforschung sächsischer Flurnamen. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 88)

Erste Ausgabe der Zeitschrift „Sächsischer Flurnamensammler“, 1930
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Die Ermittlung von Flurnamen erfolgte durch die Einsichtnahme in Akten und Amtsbücher, die Auswertung von Karten, die Durchsicht der einschlägigen Fachliteratur sowie vor allem auch durch Befragung der einheimischen Bevölkerung. Das Foto zeigt den Historiker und Flurnamensammler Dr. Erich Baldauf im Kreis einer Bauernfamilie im erzgebirgischen Lauterbach (bei Marienberg). (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 2408)

Ein Flurnamensammler bei der Arbeit, 1935
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Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung begann die Flurnamenstelle eine enge Zusammenarbeit mit dem Nationalsozialistischen Lehrerbund und dessen Landesstelle für Volkstumspflege und Volkstumskunde. In Abstimmung mit diesen beiden Einrichtungen der NSDAP wurden vielerorts die zu »Volkstumswarten« ernannten Lehrer für die Erfassung von Flurnamen mobilisiert. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 72, Bl. 80)

Zusammenarbeit mit dem Nationalsozialistischen Lehrerbund, 1935
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Im Februar 1937 wurden Richtlinien für die Benutzung der sächsischen Flurnamensammlung erlassen. Eine Einsichtnahme sollte jeweils nur nach ausdrücklicher Genehmigung durch ihren Leiter zulässig sein. Im Zusammenhang mit der antisorbischen Politik der Nationalsozialisten galten für »Flurnamenverzeichnisse mit überwiegend wendischem Namenbestand« besondere Restriktionen. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 72)

Richtlinien für die Sächsische Flurnamenstelle, 1937
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Oswald Pfeifer, der die Flurnamen von Großdalzig (im Süden Leipzigs) und umliegenden Orten erfasste, schilderte 1942 in einem Brief an die Flurnamenstelle die aufgetretenen Verzögerungen und Probleme. Zu diesen gehörten das Fehlen einer Schreibmaschine sowie die Reparaturbedürftigkeit seines Fahrrads. Der Brief informiert auch über die Einbeziehung von Schülern im Heimatkundeunterricht. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 2159)

Bericht des Flurnamensammlers Oswald Pfeifer aus Eythra, 1942
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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Arbeitsmöglichkeiten der Flurnamenstelle zunehmend schwierig. Im überbelegten Gebäude des Hauptstaatsarchivs musste sie mehrfach umziehen. Ihr Leiter Hans Beschorner (NSDAP-Mitglied seit 1933) galt als politisch belastet. Im Juli 1946 fasste Beschorner in einer Denkschrift den erreichten Stand und die weiteren Aufgaben der Flurnamenarbeit zusammen. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 63, Bl. 1)

Stand und Aufgaben der Sächsischen Flurnamenstelle, 1946
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Vor allem Geldmangel erschwerte die Arbeit der Flurnamenstelle in der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone. Die Einwerbung von Spenden bei Kommunen (wie hier im Jahr 1949) wurde Beschorner jedoch untersagt. Ende Dezember 1949 wurde die Flurnamenstelle dem sächsischen Ministerium für Land- und Forstwirtschaft angegliedert, im Oktober 1951 dem Landesamt für Volkskunde und Denkmalpflege. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 63)

Spendenanfrage bei sächsischen Städten und Gemeinden, 1949
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Ab 1951/52 verlagerte sich der Schwerpunkt der sächsischen Flurnamenforschung nach Leipzig, wo bei der Universität und der Historischen Kommission der »Forschungsauftrag Deutsch-Slawische Forschungen» eingerichtet wurde. Diese von Hans Walther geleitete namenkundliche Forschungsgruppe wertete für ihre Arbeit die Sammlungen der Sächsischen Flurnamenstelle intensiv aus. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 48, Bl. 158)

alt="Rückgabe von ausgeliehenen Flurnamenverzeichnissen, 1955"
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(© Sächsisches Staatsarchiv)

Aus der Erfassung der sächsischen Flur- und Forstortsnamen, an der hunderte freiwillige Sammler und Helfer mitwirkten, erwuchs ein umfangreicher Bestand an Verzeichnissen für fast alle Gemeinden und selbständigen Gutsbezirke sowie für viele Forstreviere und wüste Marken. Die Flurnamenverzeichnisse enthalten in der Regel den Fragebogen zur »Ermittlung der älteren Flurverhältnisse Sachsens«, eine Kopie des Flurkrokis mit Deckblatt zum Eintrag der Flurnamen sowie das eigentliche Flurnamenverzeichnis, mitunter

Flurnamenverzeichnis von Wiederau (bei Pegau), 1902 - 1954 (Deckblatt)
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(© Sächsisches Staatsarchiv)

Das sorgfältig ausgefüllte Verzeichnis enthält die Flurnamen, Angaben zu ihrer Gebräuchlichkeit, zu Parzellennummer, Lage, Kulturart und Größe der Fluren sowie Bemerkungen. Die überlieferten Flurnamen weisen u. a. auf die Bodenbeschaffenheit (Dürrwiese, Nr. 8), Vegetation (Geweidigt, Nr. 10), Berufe (Schindanger, Nr. 25) sowie auf das einstige Rittergut (Hofegasse, -holz, - feld, Nr. 13, 14, 16) hin. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 781)

Flurnamenverzeichnis von Wiederau (bei Pegau), 1902 - 1954
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Das sorgfältig ausgefüllte Verzeichnis enthält die Flurnamen, Angaben zu ihrer Gebräuchlichkeit, zu Parzellennummer, Lage, Kulturart und Größe der Fluren sowie Bemerkungen. Die überlieferten Flurnamen weisen u. a. auf die Bodenbeschaffenheit (Dürrwiese, Nr. 8), Vegetation (Geweidigt, Nr. 10), Berufe (Schindanger, Nr. 25) sowie auf das einstige Rittergut (Hofegasse, -holz, - feld, Nr. 13, 14, 16) hin. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 781)

Flurnamenverzeichnis von Wiederau (bei Pegau), 1902 - 1954
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Die Karte zeigt die Dorfflur, Straßen, Gewässer und die wichtigsten Flurnamen. Durch die Ortslage in einer Flusslandschaft treten gehäuft Gewässer-Flurnamen auf (u. a. Flößchen, Kommunteich, Mühlgraben, Teichländchen), darunter auch mit sorbischer Wurzel (Tschorntzche = Schwarzwasser). An den früher weit verbreiteten Vogelfang erinnert der Flurname »Vogelherd« (auf der Karte oben rechts). (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 781)

Flurnamenkarte von Wiederau (bei Pegau), 1902 - 1954
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Rodewitz war einer der südlichsten Orte des mehrheitlich sorbisch besiedelten Teils der Oberlausitz. Deswegen enthält das 1910 fertiggestellte Flurnamenverzeichnis neben deutschen auch zahlreiche sorbische Flurnamen.(SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 542)

Flurnamenverzeichnis von Rodewitz/Spree, 1902 - 1931 (Deckblatt)
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Rodewitz war einer der südlichsten Orte des mehrheitlich sorbisch besiedelten Teils der Oberlausitz. Deswegen enthält das 1910 fertiggestellte Flurnamenverzeichnis neben deutschen auch zahlreiche sorbische Flurnamen, darunter die hier aufgeführten »bažonkach«, »bortnik« und »zła huža«. Der Flurname »Beim toten Mann / po zabito muža« erinnert an ein Tötungsverbrechen. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 542)

Flurnamenverzeichnis von Rodewitz/Spree, 1902 - 1931
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Rodewitz war einer der südlichsten Orte des mehrheitlich sorbisch besiedelten Teils der Oberlausitz. Deswegen enthält das 1910 fertiggestellte Flurnamenverzeichnis neben deutschen auch zahlreiche sorbische Flurnamen, darunter die hier aufgeführten »bažonkach«, »bortnik« und »zła huža«. Der Flurname »Beim toten Mann / po zabito muža« erinnert an ein Tötungsverbrechen. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 542)

Flurnamenverzeichnis von Rodewitz/Spree, 1902 - 1931
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Die auf der Karte eingetragenen deutschen und sorbischen Flurnamen benennen unter anderem Gelände- und Klimaeigenschaften (Nagoberi, niederer Teich, oberer Teich, Sonnenberg, Sonnenschenke), weisen auf den früher betriebenen Weinbau (Weinberg), die Viehwirtschaft des Rodewitzer Rittergutes (Hofe-Viehtreibe) sowie auf den Grundbesitz des Bautzner Domstifts St. Petri (Kapitelswiese) hin. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 542)

Flurnamenkarte von Rodewitz/Spree, 1902 - 1931
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Die Flurnamen von Penig, einer Stadt im schönburgischen Herrschaftsgebiet, spiegeln die städtische und gewerbliche Entwicklung der Siedlung wieder (Badergarten, Badertor, Badestube, Bleiche, Brauhausgasse usw.), gehen aber zugleich auf landwirtschaftliche Traditionen zurück; so bezeichnet der Flurname Anwand einen schmalen Ackerstreifen, auf dem die Pflüge gewendet wurden. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 3410)

Flurnamenverzeichnis von Penig, 1902 - 1950 (Deckblatt)
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Die Flurnamen von Penig, einer Stadt im schönburgischen Herrschaftsgebiet, spiegeln die städtische und gewerbliche Entwicklung der Siedlung wieder (Badergarten, Badertor, Badestube, Bleiche, Brauhausgasse usw.), gehen aber zugleich auf landwirtschaftliche Traditionen zurück; so bezeichnet der Flurname Anwand einen schmalen Ackerstreifen, auf dem die Pflüge gewendet wurden. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 3410)

Flurnamenverzeichnis von Penig, 1902 - 1950
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Die Flurnamen von Penig, einer Stadt im schönburgischen Herrschaftsgebiet, spiegeln die städtische und gewerbliche Entwicklung der Siedlung wieder (Badergarten, Badertor, Badestube, Bleiche, Brauhausgasse usw.), gehen aber zugleich auf landwirtschaftliche Traditionen zurück; so bezeichnet der Flurname Anwand einen schmalen Ackerstreifen, auf dem die Pflüge gewendet wurden. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 3410)

Flurnamenverzeichnis von Penig, 1902 - 1950
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Die Karte entstand als Teil eines gedruckten Muster-Flurnamenverzeichnisses. Die Flurnamen verdeutlichen verschiedene Bereiche der städtischen Herrschaft und Wirtschaft ([Bier-]Kellerberg, Galgen, Lehmgrube, Pfaffenberg, Ratsholz, Schützenhaus), der Gewerbe (Schleifmühle) sowie der Land- und Viehwirtschaft der Bürger und der Vorwerke (Ochsenwiese, Schäferei, Scheunen, Sieben Äcker). (Karl Zeißig, Die Flurnamen der Stadt Penig, Kreis Rochlitz, Dresden 1943)

Flurnamenkarte von Penig, 1943
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Aus der Erfassung der sächsischen Flur- und Forstortsnamen, an der hunderte freiwillige Sammler und Helfer mitwirkten, erwuchs ein umfangreicher Bestand an Verzeichnissen für fast alle Gemeinden und selbständigen Gutsbezirke sowie für viele Forstreviere und wüste Marken. Die Forstortsnamenverzeichnisse enthalten neben dem Namensverzeichnis in der Regel eine Kopie der jeweiligen Forstrevierkarte.

Forstortsnamenverzeichnis des Staatsforstreviers Neustadt I, 1928 - 1936 (Deckblatt)
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Zum Staatsforstrevier Neustadt I gehörte der Hohwald, ein ca. 30 km² großes zusammenhängendes Waldgebiet zwischen der Sächsischen Schweiz und der Oberlausitz. Mehrere Forstortsnamen erinnern daran, dass es in diesem Gebiet immer wieder Versuche zum Goldbergbau gab (u. a. Goldflüsschen oder Goldgrube).(SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 3816)

Forstortsnamenverzeichnis des Staatsforstreviers Neustadt I, 1928 - 1936
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Das Foto zeigt die Felsformation des »Goldmännchens«. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 3816)

Forstortsnamenverzeichnis des Staatsforstreviers Neustadt I, 1928 - 1936
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Der Hohwald wird von vielen Wegen und Steigen durchquert, die jeweils eigene Namen tragen, darunter der »Bademeisterweg« als Arbeitsweg des ersten Bademeisters zur Lungenheilstätte. An die einstige Funktion des Waldes als Durch- oder Rückzugsgebiet für Schmuggler, Wanderhändler und Migranten erinnern die Flurnamen »Diebswinkel«, »Böhmischer Hübel« und »Zigeunerborn«. (SächsStA-D, 13403 Sächsische Flurnamenstelle, Nr. 3816)

Forstortsnamenkarte des Staatsforstreviers Neustadt I, 1928 - 1936

Hintergrundinformationen

Flurnamen als Bezeichnungen für Felder, Feldstücke, Wiesen, Wälder, Waldbezirke, Wege und andere Grundstücke wurden im Zuge des historisch-geografischen Paradigmenwechsels der deutschen Geschichtswissenschaft um 1900 als wichtige historische Überlieferung entdeckt. Sie galten als bedeutende, durch Industrialisierung, Verstädterung und den Wandel der Lebenswelt zugleich gefährdete Quellen für verschiedene Zweige der Geschichtswissenschaft sowie für die Volkskunde.

1901 regte der Staatsarchivar Dr. Hans Beschorner die Erfassung der sächsischen Flurnamen (und Wüstungen) als Vorarbeit für das von der Sächsischen Kommission für Geschichte geplante Historische Ortsverzeichnis an. 1904 begann der Verein für sächsische Volkskunde mit Hilfe seiner Mitglieder, Flur- und Forstortsnamen ortsweise zu erfassen. Dazu arbeitete er mit der Kommission für Geschichte zusammen, die die fertigen Namenverzeichnisse anschließend im Hauptstaatsarchiv Dresden als Depositum aufbewahren ließ. Die fachliche Leitung des groß angelegten wissenschaftlichen Vorhabens übernahm Hans Beschorner, der im Hauptstaatsarchiv 1905 die Sächsische Flurnamenstelle als Arbeitsstelle der Sächsischen Kommission für Geschichte einrichtete.

Die Flurnamenstelle im Hauptstaatsarchiv Dresden bestand bis in die 1960er Jahre hinein und wurde nach dem Tod Beschorners (1956) von Hermann Löscher geleitet. Ab 1951/52 verlagerte sich der Schwerpunkt der sächsischen Flurnamenforschung allerdings nach Leipzig, wo durch die Universität und die Historische Kommission ein bedeutender namensgeschichtlicher Forschungsschwerpunkt eingerichtet wurde (»Forschungsauftrag Deutsch-Slawische Forschungen«, später »Leipziger namenkundliche Arbeitsgruppe«). Von dieser Forschergruppe wurden in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Veröffentlichungen zu Orts- und Flurnamen vorgelegt.

Die Ausstellung zur Flurnamenforschung in Sachsen und zur Überlieferung der Sächsischen Flurnamenstelle im Hauptstaatsarchiv Dresden wurde von Dr. Jörg Ludwig unter Mitwirkung von Ronny Klöber vorbereitet.

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