27.07.2020

Archivale im Fokus

Maschinell erstelltes Schreiben
Die Holzhaus- und Hallenbau GmbH bittet das Oberkommando des Heeres um Unterstützung bei der »Zuweisung von Ostarbeitern oder anderen ausländischen Arbeitskräften«. 
© Quelle: SächsStA-C, 31111 VEB (B) Möbel- und Innenausbau Karl-Marx-Stadt und Vorgänger, Nr. 116

Von Baracken zu Polstermöbeln: Wie sich ein Holzbauunternehmen in der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft behauptete und zum Grundstein eines sozialistischen Betriebs wurde

Die Holzhaus- und Hallenbau GmbH mit Sitz Am Stadtgut 9 in Chemnitz-Altendorf bittet im Dezember 1942 das Oberkommando des Heeres (OKH) um Unterstützung bei der »Zuweisung von Ostarbeitern oder anderen ausländischen Arbeitskräften«, nachdem mehrere dementsprechende Anfragen bei lokalen und regionalen Behörden erfolglos geblieben waren. Die angeforderten Arbeitskräfte werden benötigt, um den dringenden Regierungsauftrag »SS IV-42« zur Errichtung von Fertighäusern aus Holz für Bombengeschädigte rechtzeitig abschließen zu können.

Vor dem Hintergrund der Einberufung von Mitarbeitern und Arbeitskräften in die Wehrmacht bemühte sich das Holzbauunternehmen seit Kriegsbeginn um die Aufrechterhaltung ihres Mitarbeiterstamms und die Gewinnung zusätzlicher Arbeitskräfte. Zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs wurden schließlich auch mehrere Hundert Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter – vornehmlich aus Osteuropa und Russland, vereinzelt auch aus dem englischsprachigen Raum – eingesetzt.

Für das OKH hatte die Holzhaus- und Hallenbau GmbH, die seit 1940 wehrpolitisch dringende Bautätigkeiten ausführte, bereits Projekte zum Bau von Arbeits- und Wohnbaracken für Rüstungs- und Kriegsgüter produzierende Unternehmen ausgeführt. Ab 1942 erhielt das Unternehmen vom OKH auch Aufträge zur Herstellung von zweigeschossigen Holzhäusern für Bombengeschädigte, die als kriegswichtige Aufträge mit der Dringlichkeitsstufe »Sonderstufe SS« (»sehr schnell«) versehen waren.

Das Archivale befindet sich im zusammengefassten Bestand 31111 VEB Möbel- und Innenausbau Karl-Marx-Stadt (Laufzeit ca. 1927-1963), der Unterlagen des namensgebenden volkseigenen Betriebs sowie zahlreicher Vorgängerbetriebe umfasst. Dazu gehören im Wesentlichen die schon erwähnte Holzhaus- und Hallenbau GmbH, die Moritz Lippmann OHG, der VEB (K) Holzverarbeitung Karl-Marx-Stadt und der VEB (K) Möbelwerkstätten Karl-Marx-Stadt. Reichlich drei Viertel der Bestandsunterlagen stammen jedoch von der Holzhaus- und Hallenbau GmbH. Diese fertigte nahezu ausschließlich Baracken, Lager- und Fabrikationshallen für militärische und zivile Auftraggeber im gesamten Gebiet des damaligen Deutschen Reiches. Der VEB Möbel- und Innenausbau selbst widmete sich während seines kurzen Bestehens in seinen im Stadtgebiet von Chemnitz (ab 1953 Karl-Marx-Stadt) verteilten Fertigungshallen ganz der Produktion von Polster- und Wohnmöbeln. Während das Schriftgut der Holzhaus- und Hallenbau GmbH in großem Umfang Bauprojekte, Beschaffung und Schriftverkehr mit Geschäftspartnern, Auftraggebern und Behörden dokumentiert, beinhalten die Unterlagen der volkseigenen Betriebe hauptsächlich Angelegenheiten der Betriebsleitung und Planung sowie Rechts-, Finanz-, arbeitsrechtliche und Personalfragen.

Aufgrund der Unterlagen der Holzhaus- und Hallenbau GmbH ist der Bestand vor allem für kriegswirtschaftliche Fragestellungen bedeutsam. Er beleuchtet, wie sich ein mittelständisches Unternehmen in die Kriegswirtschaft integrierte, indem neben konkreten Bauprojekten Themen wie beispielsweise Rohstoffbeschaffung, logistische Aspekte und Vertriebswege überliefert sind. Mit Abstrichen – weil mengenmäßig weniger umfangreich – lässt sich auch der Übergang in die unmittelbare Nachkriegswirtschaft nachzeichnen, als das Holzbauunternehmen sich mit der Besetzung seines Betriebs durch die Sowjets konfrontiert sah und gegenüber den neuen Machthabern zu rehabilitieren versuchte.

Unter überregionalen Gesichtspunkten lassen sich mithilfe der in den Unterlagen zahlreich vorhandenen Bauzeichnungen das Barackenbauwesen mit seinen verschiedenen Barackentypen und der während des Krieges zunehmenden Normierung nachvollziehen.

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